Ratzinger-Experte Schlögl verteidigt Benedikt XVI. gegen „Korrekturbedarf“ an Memoiren

Manuel Schlögl
screenshot / YouTube / PTH Münster

Der Dogmatiker und Ratzinger-Experte Manuel Schlögl hat Papst Benedikt XVI. gegen Kritik verteidigt, es gebe „Korrekturbedarf“ an seiner Autobiografie, weil er dort die Erinnerungen an die zunächst abgewiesene Habilitationsschrift „geschönt“ habe. „Wissenschaftlich wie moralisch will man damit den verstorbenen Papst diskreditieren, nicht zum ersten Mal“, erklärte Schlögl am Samstag für Communio.

Im Nachlass von Michael Schmaus gefundene Dokumente hatten neues Licht ins Dunkel um die Situation des Jahres 1956 gebracht, von der bislang nur Joseph Ratzinger selbst in seiner autobiografischen Schrift „Aus meinem Leben“ von 1997 ausführlich berichtet hatte. Damals hatte Schmaus als Zweitgutachter die Habilitation zunächst abgelehnt, sie nach Kürzungen und Korrekturen aber angenommen. Die Zeitschrift „Publik-Forum“ hatte in der aktuellen Ausgabe zuerst über die Dokumente berichtetet.

Schlögl, der an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) lehrt, erläuterte: „Nun zeigt sich, gerade weil das erste sehr kritische Gutachten von 1956 und auch das zweite, mildere von 1957 veröffentlicht wurden, dass es ganz verschiedene Dinge waren, die der einflussreiche Professor an der Arbeit des jungen Kollegen monierte: formale und handwerkliche Mängel wie Zitationsfehler oder nicht berücksichtigte aktuelle Forschungsliteratur; Ratzingers allzu scharfes und selbstsicheres Urteil über den bisherigen Stand der Wissenschaft; überhaupt seine mehr systematische und in der Interpretation recht freie und zu wenig historische und problemorientierte Herangehensweise an das Thema und ähnliches.“

„All das stand freilich schon im Wesentlichen in Ratzingers Autobiografie und wird nun noch einmal aus der Sicht von Schmaus nachprüfbar“, betonte Schlögl. „Übrigens gibt der Kardinal in seinen Erinnerungen dem Gutachter in manchen Punkten durchaus Recht, spricht von ‚einer für einen Anfänger wohl unangebrachten Schärfe‘, mit der er damals geurteilt habe, und von der Unzulänglichkeit der äußeren Form. Von einer ‚Beschönigung‘ seiner Memoiren kann also keine Rede sein, wohl aber vom Verstehen-Wollen des anderen und einer gehörigen Portion Selbstkritik, wie sie auch manchem gut zu Gesicht stände, der nun über ihn urteilt.“

Gleichzeitig erinnerte Schlögl an „das geistig-kirchliche Klima, in der dieser Gelehrtenstreit Mitte der Fünfzigerjahre stattfand“. So habe unter Papst Pius XII. „eine regelrechte Verfolgung ‚moderner‘ Theologen eingesetzt“.

„Schmaus stand in dieser Diskussion der römischen Linie nahe und wurde später von Henri de Lubac, einem der Verfolgten, als ‚römischer Integralist‘ bezeichnet“, führte er aus. „Ratzingers Lehrer Gottlieb Söhngen hingegen litt unter dieser geistigen Enge und unterstützte seinen Schüler darin, seine Begabung für eine an Schrift und Überlieferung orientierte Erneuerung der Theologie einzusetzen.“

„Deshalb konnte Schmaus auch das ‚Ergebnis‘ von Ratzingers Darstellung des Offenbarungsbegriffs nicht gefallen, wie es dieser in ‚Aus meinem Leben‘ formuliert“, so Schlögl. „Denn für ihn gehörte ‚das verstehende Subjekt‘ wesentlich zur Offenbarung hinzu, während Schmaus in seiner Dogmatik doch mehr den übernatürlichen Charakter und lehrhaften Inhalt der göttlichen Offenbarung betonte.“

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