Papst Benedikts Rede vom Naturrecht ist Antwort auf Diktatur des Relativismus: KHKT-Tagung

Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT)
Martin Grünewald

Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie steht unter dem Schutz des Grundgesetzes. Sie ist allerdings der Deutungshoheit von Mehrheiten oder durchsetzungsstarken Minderheiten ausgesetzt. Diese Interpretationsflexibilität bringt sie zunehmend in Gefahr. „Joseph Ratzinger benannte diese Gefahr stets unmissverständlich“, betonte Theresia Theuke am Dienstag bei der Fachtagung „Das sozialethische Erbe von Joseph Ratzinger“ an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT).

Im August 1948 entstand ein erster Verfassungsentwurf als Arbeitsgrundlage des Parlamentarischen Rates. Am 8. Mai 1949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet. Die Beratungen standen unter dem Eindruck der NS-Terrorherrschaft.

„Die Shoa als eine menschenverachtende Phase stand den Gründungsvätern und -müttern unmittelbar vor Augen“, so Theuke. „Ihre Entschlossenheit zur Aufnahme der Menschenwürde ins Grundgesetz wurde dadurch unmittelbar beeinflusst. Doch was bleibt für nachfolgende Generationen, die solche Menschheitsverbrechen nur noch aus Geschichtsbüchern und den Medien kennen?“

War die Mühe der Gründer der Bundesrepublik Deutschland, die Grundrechte für alle Zeiten abzusichern, vergeblich? „Als Christen ergänzen wir: Denn jeder Mensch ist Gottes Heiligtum in dieser Welt“, sagte Theuke. Den Begründungszusammenhang zwischen dem Menschen als Gottes Schöpfung und seiner unantastbaren Würde höre man in diesen Tagen immer seltener.

Wer Absolutes in der Menschenwürde suche und daraus unverrückbare Verbindlichkeiten oder gar Wahrheitsansprüche ableite, gerate zunehmend unter Fundamentalismusverdacht: „Diesen Trend nahm auch Joseph Ratzinger wahr und stand ihm kritisch gegenüber. Je älter er wurde, desto häufiger warnte er, dass ein solcher normativer, globaler Relativismus das Ende aller Wissenschaft und schlussendlich auch des Menschen bedeuten würde.“

Die Präambel des Grundgesetzes verweise auf die „Verantwortung vor Gott“ und damit auf die vorstaatliche Grundlage des Staates sowie darauf, dass das Recht nach einem Maßstab beurteilt werden könne, den es nicht selbst geschaffen hat. Aber heute, 75 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, zeige sich, so Theuke, wie dehn- und wandelbar die Menschenwürde geworden sei.

Ratzinger warnte: „Der Mensch ist nun imstande, Menschen zu machen, sie sozusagen im Reagenzglas zu produzieren. Der Mensch wird zum Produkt, und damit verändert sich das Verhältnis des Menschen zu sich selbst von Grund auf. Er ist nicht mehr ein Geschenk der Natur oder des Schöpfergottes; er ist sein eigenes Produkt.“

Auch im September 2011 in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag habe Ratzinger nicht verschwiegen, wie der Mensch sich mittels Biowissenschaften zunehmend manipuliere und sogar abschaffe. „Mit dieser Kritik stach er damals in die Debatte um Präimplantationsdiagnostik und verbrauchende Embryonenforschung.“

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Theuke: „Die Menschenwürde wendet sich gegen den Menschen selbst. Deutlich wird dies vor allem am Beginn menschlicher Existenz, da wird erschaffen, genetisch manipuliert und sogar getötet.“ Der Rechtsphilosoph Eric Hilgendorf habe sogar behauptet, die Menschenwürde könne die aktive Förderung gentechnologischer Forschungen gebieten.

„In dieser Diskussion, bei der es unter anderem darum ging, mit verbrauchender Embryonenforschung im Namen der Menschenwürde andere Leben zu retten, verwies Ratzinger klar und deutlich auf die Würde der Schwachen und warnte vor einer Verzweckung des Menschen“, führte Theuke aus. Er habe gewarnt: „Und es wird sichtbar, dass dort, wo Gott geleugnet wird, auch die Würde des Menschen sich auflöst.“

Die Referentin fasste zusammen: „Während Ratzingers Weckruf von der Diktatur des Relativismus als definitorische Zusammenfassung seiner Gegenwartsbeobachtungen vom Wertewandel bezeichnet werden kann, ist die seine Arbeiten durchziehende Rede vom Naturrecht die Antwort darauf.“ Ratzingers Beitrag zum Naturrecht berühre im Kern die Frage nach Wert und Wesen der Menschenwürde und gebe eine Antwort darauf, wie sie über kulturelle und religiöse Unterschiede hinweg verbindliche Norm bleiben könne.

Vor dem Bundestag habe er die wohl kompakteste Zusammenfassung dieser ethischen Deutung gegeben, als er sagte: „Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.“

Theuke forderte resümierend auf: „Helfen wir der jüngeren Generation, in jedem Menschen Gottes Ebenbild zu erblicken. Dann sehe ich keine Gefahr, dass die Menschenwürde im Sog des Relativismus verschwindet!“

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