Ungarn: Präsidentin und Justizministerin treten nach umstrittener Begnadigung zurück

Katalin Novák im Februar 2023
Vlada.mk / Wikimedia (CC BY-SA 4.0)

Nach anhaltenden Demonstrationen gegen ihre umstrittene Begnadigung eines Mannes, der für die Vertuschung mehrerer sexueller Übergriffe auf Kinder in einer staatlichen Einrichtung verurteilt worden war, hat Katalin Novák am Samstag ihren Rücktritt als Präsidentin Ungarns erklärt.

Auch die Justizministerin reichte ihren Rücktritt ein, berichtet die Catholic News Agency, die englischsprachige Schwesteragentur von CNA Deutsch.  

Die scheidende Präsidentin erklärte, sie habe diesen Schritt getan, um das Land zu beruhigen und eine politische Krise zu vermeiden.

„Ich habe eine Begnadigung ausgesprochen, die bei vielen Menschen Verwirrung und Unruhe ausgelöst hat“, sagte Novák in einer Fernsehansprache an die Nation am 10. Februar. „Ich habe einen Fehler gemacht.“

Die 46-jährige Novák, eine enge Verbündete von Premierminister Viktor Orbán, ist eine calvinistische Protestantin, die sich in der katholischen Kirche weltweit für eine familienfreundliche Politik stark gemacht hat.

Die dreifache Mutter war die erste weibliche Präsidentin in der Geschichte Ungarns und die jüngste Person, die jemals dieses Amt innehatte.

Ihr unerwarteter Rücktritt ist ein schwerer Schlag für Ungarns nationalistische Regierungspartei Fidesz, die seit 2010 mit einer verfassungsmäßigen Mehrheit regiert.

In Ungarn wird das Recht auf individuelle Begnadigung vom Präsidenten der Republik ausgeübt, dessen Entscheidungen vom Justizminister gegengezeichnet werden. Die Begnadigung durch den Präsidenten ist nicht anfechtbar.

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„Ich habe mich im April des vergangenen Jahres für die Begnadigung entschieden, weil ich davon ausging, dass der Verurteilte die Schutzbedürftigkeit der ihm anvertrauten Kinder nicht missbraucht hat. Ich habe einen Fehler gemacht“, sagte Novák am Samstag. „Ich entschuldige mich bei denen, die ich verletzt habe, und bei allen Opfern, die das Gefühl hatten, dass ich mich nicht für sie einsetze.“

Die Begnadigung eines Mannes, der in einen Kindesmissbrauchsskandal verwickelt war, hat in den letzten Tagen zu einem öffentlichen Aufschrei geführt. Die Präsidentin hatte ihm im April 2023 die Strafe erlassen, obwohl er 2018 zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt worden war. Er hatte die Opfer genötigt, ihre Anschuldigungen gegen den Leiter eines Kinderheims fallen zu lassen, der für den Missbrauch von mindestens 10 Kindern zwischen 2004 und 2016 verantwortlich war, wie die Associated Press berichtet.

Unmittelbar nach der Ankündigung des Rücktritts trat auch Justizministerin Judit Varga, die die fragliche Begnadigungsentscheidung gegengezeichnet hatte, von der Regierung zurück und kündigte ihren Rückzug aus dem öffentlichen Leben an.

Die Nachricht sorgte für Aufruhr in Ungarn: Novák und Varga galten als wichtigte Schlüsselfiguren in Orbáns Regierung. Doch langfristig hätte dieser Schatten die Fidesz-Partei diskreditiert, denn Novák hatte ihre Popularität gerade auf dem mit ihr verbundenen Image der moralischen Redlichkeit und der familien- und kinderfreundlichen Politik aufgebaut, die sie als Leiterin des Familienministeriums zwischen 2020 und 2021 umsetzte.

Am 8. Februar, zwei Tage vor Nováks Rücktritt, hatte Orbán über seine Facebook-Seite bekannt gegeben, dass er im Namen seiner Regierung eine Verfassungsänderung eingereicht hat, die es unmöglich macht, den Täter eines an Minderjährigen begangenen Verbrechens zu begnadigen.

In seiner Botschaft mit dem Titel „Keine Gnade für Pädophile“ betonte er die Notwendigkeit, einen Ausnahmezustand für alle an Kindern begangenen Verbrechen zu schaffen.

Nach Nováks Rücktritt versammelte sich eine Gruppe von Demonstranten unter Führung der Oppositionspartei Momentum vor dem Sándor-Palast, der offiziellen Residenz des ungarischen Staatspräsidenten, um weitere Erklärungen von der Regierung zu verlangen.

Ungarische Medien berichten, die scheidende Präsidentin habe im Jahr 2023 insgesamt 40 Begnadigungen ausgesprochen.

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