Wie engagieren sich die deutschen Bistümer für den Lebensschutz?

Schwangere Frau
Ryan Franco / Unsplash

Die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ist um 2,2 Prozent erneut angestiegen und befindet sich mit rund 106.000 Fällen auf dem höchstem Stand seit dem Jahr 2012. Dies gab das Statistische Bundesamt bekannt. Was unternehmen die katholischen Bistümer in Deutschland für den Lebensschutz? Und: Bleibt es beim Rückzug der Evangelischen Kirche aus der gemeinsamen „Woche für das Leben“? CNA Deutsch hat nachgehakt.

Zehn deutsche Bistümer haben kürzlich (Teilzeit-)Planstellen eingerichtet, um Beauftragte für die sogenannte Queer-Pastoral einzustellen, weitere zwölf Diözesen stellen auf ihren Homepages Ansprechpartner für die Queer-Pastoral vor (CNA Deutsch berichtete). In Deutschland gibt es insgesamt 969 Personen, deren Geschlechtseintrag mit „divers“ angegeben wird. Das berichtete das Statistische Bundesamt. Die bundesweit tätige queere Initiative „OutInChurch“ setzt sich nach eigenen Angaben aus hauptamtlichen, ehrenamtlichen, potentiellen und ehemaligen Mitarbeitern der römisch-katholischen Kirche zusammen. Sie startete mit 125 Bekennern; heute listet sie auf ihrer Homepage 100 Betroffene oder Bekenner und erwähnt 650 Unterstützer.

Zudem hat es statistisch im Jahr 2024 genau 9.228 staatliche „Ehen“ zwischen gleichgeschlechtlichen Personen gegeben, betroffen sind also etwas weniger als 20.000 Personen. Im Jahr 2022 waren es 10.043 „Ehen“, 2021 nur 8.710 und 2020 exakt 9.939. In den Jahren 2017, 2018 und 2019 waren die Werte mit je 11.147, 21.757 und 14.021 deutlich höher. Traditionelle Ehen zwischen einem Mann und einer Frau werden pro Jahr in Deutschland gewöhnlich mehr als 350.000 geschlossen.

Gleichzeitig verfügt allein die Caritas als kirchliche Organisation nach eigenen Angaben über 739.410 Mitarbeiter, die in den 25.453 Einrichtungen der Caritas beruflich tätig sind. Die von „OutInChurch“ genannten Zielgruppen könnten also weit größer sein als eine Million Katholiken – oder sogar ein Mehrfaches. Kümmern sich die Bistümer so angemessen um den Lebensschutz wie um die Queer-Pastoral? Gibt es entsprechende Beauftragte?

Wer unter dem Stichwort „Lebensschutzbeauftragte“ im Internet sucht, stößt vermutlich nur auf Diözesen in Österreich. Im Jahr 2021 wurden in allen Diözesen Österreichs Lebensschutzbeauftragte ernannt. Sie treffen sich ein Mal jährlich, bisher in Salzburg. Über ihre Arbeit wird auf den Webseiten der Bistümer berichtet.

Warum nicht in Deutschland? Aus den Antworten einer Anfrage bei allen Pressestellen der 27 Diözesen durch CNA Deutsch geht hervor, dass hierzulande der Lebensschutz umfassend als Querschnittsaufgabe verstanden wird.

Die Leiterin der Abteilung Seelsorge im Bistum Osnabrück, Martina Kreidler-Kos, drückte es auf diese Anfrage so aus: „Der diakonische Auftrag der Kirche wird in unserer Diözese zuallererst und äußerst wirkungsvoll von der verfassten Caritas getragen. Dort finden sich vor allem ein durch den Sozialdienst katholischer Männer oder Frauen verantwortetes vielfältiges Beratungsangebot wie etwa die Schwangerenberatung oder die Obdachlosenhilfe. An vielen Stellen arbeiten Caritas und Gemeinden gut zusammen, etwa beim Projekt ‚Soziales Kaufhaus‘ oder in verschiedenen Treffs, die etwa Unterstützung ukrainischer oder anderer geflüchteter Menschen anbieten. Im Bereich der Pastoral ist die Ehe-, Familien-, Lebens- und Erziehungsberatung angesiedelt, mit der wir viele Familien und Paare in schwierigen Lebenssituationen erreichen und unterstützen. Ebenfalls unter dem Dach des Seelsorgeamtes finden sich die vielfältigen Dienste der Krankenhaus-, Notfall- und Gefängnisseelsorge. Darüber hinaus entsenden wir jedes Jahr mehrere hundert junge Menschen in ein Freiwilliges Soziales Jahr oder einen Auslandsdienst, den sie in caritativen Feldern wie Kinderheimen oder Jugendeinrichtungen ausfüllen. Unsere city-pastoralen Einrichtungen (Bremen, Meppen, Nordhorn, Lingen und Osnabrück) bilden mit ihren offenen und niederschwelligen Angeboten wichtige Kontaktflächen zu Menschen in der Stadt, die wir in unseren Kirchengemeinden nicht mehr antreffen. Sie sind darüber hinaus nicht nur Orte der Evangelisierung und des kulturellen Lebens, sondern auch Anlaufpunkte und Ruheorte für belastete Menschen.“ Die Woche für das Leben werde in jedem Jahr von unterschiedlichen Referaten – je nach Themenstellung – aufgegriffen.

Ähnlich umfassend beschreibt die Pressestelle im Bistum Augsburg das kirchliche Engagement. Weihbischof Losinger war als zuständiger Bischofsvikar für Bioethik Mitglied im Nationalen und Deutschen Ethikrat sowie als Mitglied der Bioethik-Kommission der bayerischen Staatsregierung und Mitglied der Bayerischen Ethik-Kommission tätig. Das Bischöfliche Seelsorgeamt begleitet jährlich die „Woche für das Leben“.

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Auch der Fachbereich Schwangerschaftsfragen sei dem bischöflichen Generalvikariat zugeordnet. „Als Ansprechpartnerinnen stehen dort die Leiterin und Beauftragte für den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) sowie eine Assistentin zur Verfügung. Beide Mitarbeiterinnen sind zudem Vorstände des Bischöflichen Hilfsfonds Pro vita, eine kirchliche Stiftung öffentlichen Rechts, die vor 25 Jahren durch den damaligen Bischof Dr. Viktor-Josef Dammertz errichtet wurde und sich dem Lebensschutz, konkret der Unterstützung hilfebedürftiger (schwangerer) Frauen und Familien verschrieben hat.“ Die aktuelle Zahlen werden veröffentlicht.

Zahlreiche Laien würden als Mitglieder des Diözesanrats der Katholiken und des Familienbunds der Katholiken durch Stellungnahmen, Publikationen und Aktionen einen deutlichen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf den Lebensschutz legen.

Ähnlich berichtet die Pressestelle im Bistum Regensburg: Bischof Rudolf Voderholzer setzt sich sehr für den Schutz des Lebens ein und nimmt regelmäßig am „Marsch für das Leben“ in Berlin teil. In der Kirche St. Johann in Regensburg findet monatlich eine Vigil für das Leben statt. Diese Aktion besteht seit dem Jahr 2000. Traditionell wird sie am letzten Tag eines Monats gefeiert. Im Anschluss an die Vigil für die ungeborenen Kinder zieht eine Prozession durch die Regensburger Innenstadt.

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Auch in den Pfarreien des Bistums engagieren sich die Menschen für den Lebensschutz. Daraus sei eine Sammlung an Materialien zum Schutz des ungeborenen Lebens mit Gebetsvorlagen, Andachten, Fürbitten und Zitaten entstanden.

Dem Thema Lebensschutz ist auch eine eigene Rubrik der bistumseigenen Homepage gewidmet. Dort wird auch zur Bewusstseinsbildung beigetragen. Zu einem umfassenden Verständnis trägt auch das Interview mit einer erfahrenen Schwangerschaftskonflikt-Beraterin auf der Homepage bei.

Anschaulich und beispielhaft stellt auch das Erzbistum Paderborn sein Hilfe-Netzwerk im Internet dar.

Die vor 25 Jahren vom damaligen Augsburger Bischof Viktor-Josef Dammertz gegründete Stiftung für schwangere Frauen in Not bildet ein verbreitetes Modell für den Lebensschutz, das in ähnlicher Weise in sehr vielen Bistümern anzutreffen ist:

In der Diözese Münster gibt es nach Angaben der bischöflichen Pressestelle 14 katholische Schwangerschaftsberatungsstellen der Caritas mit 84 Mitarbeitern, die vor Ort schwangere Frauen, Paare und Familien psychosozial beraten. Sämtliche Stellen der Beraterinnen und Berater werden seitens des Bistums Münster mit- oder sogar vollfinanziert. Auch dort gibt es einen Fonds zum Schutz des ungeborenen Lebens. Er setzt sich zusammen aus Mitteln des Bischofsfonds (1,2 Mio. Euro jährlich) und aus Spenden.

Im Diözesancaritasverband Münster befassen sich mindestens fünf Mitarbeiterinnen mit dem Thema Lebensschutz: Neben der Ansprechpartnerin für die Schwangerschaftsberatungsstellen berät eine Sozialjuristin in Rechtsfragen, eine Mitarbeiterin ist für die Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ auf NRW-Landesebene tätig, eine weitere für die Bundsebene. Diese Bundesstiftung hat 2023 für Beratungsstellen der Schwangerschaftsberatung in Nordrhein-Westfalen insgesamt 21,15 Millionen Euro ausgeschüttet. Mit bis zu 96 Millionen Euro jährlich unterstützt die Bundesstiftung weit über 100.000 werdende Mütter in Notlagen.

Für Unruhe hat der Ausstieg der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus der bisher gemeinsam veranstalteten „Woche für das Leben“ gesorgt. Die bereits vor einem Jahr eingetretenen Befürchtungen haben sich inzwischen bestätigt. Zum letzten Mal eröffneten Bischof Georg Bätzing und die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs am 13. April mit einem gemeinsamen Gottesdienst die „Woche für das Leben“ als ökumenische Veranstaltung. Damit endete nach 30 Jahren eine der ältesten ökumenischen Initiativen. Anlass für den Ausstieg der EKD war die geringe Resonanz, aber auch zunehmende Differenzen zwischen den Kirchen beim Lebensschutz und in den großen Fragen der Bio- und Medizinethik.

So forderte Bischof Michael Gerber von Fulda, zugleich stellvertretender Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, die EKD zu einem gemeinsamen Vorgehen der Kirchen beim Thema Lebensschutz auf.

Bei der Synode der EKD in Ulm sagte Gerber, in diesem Bereich müsse weiterhin um gemeinsame Positionen gerungen werden. Das hätten „aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit einer Neuregelung von § 218 StGB erneut deutlich gemacht“. Der Rat der EKD hat sich zuvor in einer Stellungnahme dafür eingesetzt, „Regulierungen des Schwangerschaftsabbruchs für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts zu formulieren“. Das bedeutete eine Änderung der bisherigen Haltung der EKD.

Auch der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt warnte vor einer Aufweichung des Lebensschutzes durch eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts.

Am Montag erschien der erste Teil zur sogenannten queeren Pastoral in den deutschen Bistümern und beschäftige sich mit den Planstellen für Beauftrage für „queere Pastoral“ auf Bistumsebene. Der zweite Teil vom Dienstag legte einen Schwerpunkt auf die Darstellung dieses Bereichs auf den Internetseiten. Der obige Beitrag ist der dritte und letzte Teil der Reihe von Martin Grünewald.