Dogmatiker Beinert: „Energie Ratzingers beschränkte sich auf die Defensive“

Papst Benedikt XVI.
Mazur / www.thepapalvisit.org.uk

Rund 20 Jahre nach der Wahl von Kardinal Joseph Ratzinger zu Papst Benedikt XVI. hat der Dogmatiker Wolfgang Beinert, der bei ihm seine Habilitation schrieb, dessen Pontifikat gewürdigt, gleichzeitig aber auch deutliche kritische Worte gefunden.

„Er galt als ‚Mozart der Theologie auf dem Papstthron‘“, konstatierte Beinert mit Blick auf den deutschen Papst, „aber gerade darin bestand die Tragik seines Lebens. Sein Denken und seine Handlungsoptionen machten sich an einem Welt- und Kirchenbild fest, das statisch war. Es fehlte die Kategorie der Geschichtlichkeit auf weite Strecken.“

Schon lange vor seiner Zeit als Papst habe Ratzinger sich „verpflichtet“ gefühlt, „die wankende Kirche in einer unchristlich werdenden Gesellschaft mit allen Kräften zu stützen“. Für ihn habe gegolten: „Draußen Relativismus total, Abschottung also nach innen um der Verteidigung des ewig Gültigen willen. Die letztere müsse die Hauptaufgabe des neuen Papstes sein, verkündete er in der Messe vor Beginn des Konklaves. Es wurde seine eigene.“

„Gewiss musste man seine Meinung teilen, dass die Grundlagen des Christenglaubens ins Wanken geraten waren“, räumte Beinert ein, „doch durfte man nicht übersehen, dass er in den neuen Horizonten den Konfrontationen in missionarischem Geist, mithin schöpferisch und offensiv zu begegnen hatte. Die Energie Ratzingers beschränkte sich auf die Defensive.“

So lasse sich „nach zwanzig Jahren nicht mit Entschiedenheit und Sicherheit sagen“, was vom Ratzinger-Pontifikat bleiben werde, schrieb der 1933 geborene Theologe in der Herder Korrespondenz (aktuelle Ausgabe). Derzeit befinde sich in der Kirche alles „im Fluss – und welche Kirchenkonzeption sich in der römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft durchsetzen wird, liegt im Nebel.“

„Ist Papst Benedikt der letzte Vertreter eines antimodernistischen Papstverständnisses oder tragen die römischen Bischöfe es auch inskünftig weiter?“, fragte er. „Das ist noch nicht deutlich.“

„Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet dieser Garant der Tradition das Amt nachhaltig
verändert haben könnte“, so Beinert abschließend angesichts des Rücktritts von Benedikt XVI. im Februar 2013. „Es ist entmystifiziert, entzaubert, menschlicher geworden. Dass der Summus Pontifex sich ganz und gar zur Gemeinde des menschgewordenen Gottes, auch mit ihren bleibenden Defiziten, rechnet, dass er müde werden darf, dass er sich als überfordert zeigen darf, erscheint nun nicht nur als kanonistisch möglich, sondern zudem als gut, als nützlich, als hilfreich für die Kirche.“

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