Psychiater Bonelli: „Es gibt das Phänomen eines moralischen Narzissmus“

Raphael Bonelli
screenshot / YouTube / RPP Institut

Der bekannte katholische Psychiater Raphael Bonelli hat erklärt: „Es gibt das Phänomen eines moralischen Narzissmus, also das Gefühl: Wenn ich das Wort ‚Eskimo‘ nicht mehr sage, dann bin ich besser als die anderen.“

Mit der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ (aktuelle Ausgabe) sprach Bonelli über Tabus, die heutzutage oft sinnlos seien: „Tatsache ist, dass kaum jemand davon profitiert, außer ein paar Moralaposteln, die gerne eine neue Moral konstruieren wollen.“

Eine solche Tabuisierung sei erfolgreich, „weil es viele gutmütige Menschen gibt, die sich sagen: Dann sag’ ich das Wort eben nicht mehr, ist ja nicht so schlimm. Aber dabei bleibt es ja meist nicht. Und wenn dann meine Kinder nicht mehr Winnetou lesen dürfen, muss ich mich wehren. Ich habe jedenfalls sicherheitshalber die Gesamtausgabe von Karl May jetzt dreimal gekauft, für den Fall, dass sie irgendwann verboten wird.“

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Bonelli wurde auch nach dem „Gottestabu“ befragt, das er in seinem neuen Buch „Tabu“ angesprochen hatte. Zwar werde „Spiritualität im Allgemeinen“ noch akzeptiert, aber wenn man „als bibeltreuer Protestant oder als lehramtstreuer Katholik auftritt, ist das den Leuten extrem suspekt. Allein schon die Lehre über die Homosexualität, die fast alle Religionen teilen, ist ein gewaltiges Tabu. Ein katholischer Pfarrer in der Steiermark ging erst kürzlich mit einem Video viral, obwohl er in seiner Predigt im Grunde nur Allgemeinplätze des katholischen Lehramts vorgetragen hat. Viele waren begeistert, nur nicht seine Vorgesetzten.“

Mit Blick auf sein Buch sagte der Psychiater, es gehe ihm darum, „den Unterschied zu verdeutlichen zwischen sinnvollen und sinnlosen Tabus, oder, wie wir in der Psychologie sagen, zwischen funktionalen und dysfunktionalen.“

„Funktionale Tabus sind jene, die dem Menschen helfen, ein besseres Leben zu führen und moralische Klarheit zu finden“, erläuterte Bonelli. „Ein Beispiel ist etwa das Tötungstabu, das nicht nur Gesellschaften schützt, sondern auch die individuelle Freiheit des Menschen wahrt. Im Gegensatz dazu stehen dysfunktionale Tabus, die oft willkürliche und sinnlose Beschränkungen darstellen.“