10. August 2025
Thomas Alber hat sich in den letzten Jahren als Autor solider Biografien über heiligmäßige Personen etabliert. Das vorliegende Buch, „Es gibt keine größere Liebe …“, behandelt die polnische Familie Ulma, deren Mitglieder 2023 alle zusammen als Märtyrer seliggesprochen wurden.
Es ist eine erschütternde Geschichte: Józef und Wiktoria Ulma, verheiratet seit 1935, haben in schneller Folge sechs Kinder und erwarten das siebte. Polen ist derweil durch das nationalsozialistische Deutschland überrannt worden. Die Verfolgung von Juden läuft auf Hochtouren. Die Familie Ulma nimmt, obwohl sie selbst kaum Platz hat, insgesamt acht jüdische Personen auf, um sie vor den Nationalsozialisten zu verstecken.
Eine solche gute Tat muss, so die in Polen überall bekannt gemachte Anordnung der nationalsozialistischen Herrschaft, mit dem Tod bestraft werden. Trotzdem handeln Józef und Wiktoria Ulma auf diese Weise.
Eines Tages wird die Familie verraten. Mitten in der Nacht kommt die Polizei, erschießt zunächst die versteckten Juden und wendet sich dann der Familie Ulma zu. „Zuerst wurde Józef vor den Augen seiner Frau erschossen und anschließend sie selbst“, so Alber in seinem Buch. „Obwohl sie für jedermann erkennbar hochschwanger war, hielt es ihren Mörder nicht davon ab, tödliche Schüsse auf sie abzufeuern. Die Kinder im Haus schrien und weinten vor Angst.“
Und damit nicht genug: Die Kinder „wurden paarweise schreiend und weinend aus dem Haus geholt. Welchen Anblick mussten diese Kinder im Hof ertragen! Neben den fünf Juden lagen ihre geliebten Eltern tot und blutend am Boden. Die Kinder wurden nun nacheinander erschossen […].“
In großer Ausführlichkeit schildert Alber die Hintergründe der nationalsozialistischen Herrschaft über Polen und geht auf die deutschen Täter ein, die teilweise nie bestraft wurden und nach dem Zweiten Weltkrieg sogar ein normales bürgerliches Leben führen konnten. Viele Seiten widmet er schließlich der Seligsprechung sowie der Bedeutung dieses Aktes für die deutsch-polnische Völkerverständigung.
Leider kommt der katholische Aspekt im Leben der Familie Ulma etwas zu kurz. Womöglich ist aber auch nicht besonders viel bekannt, denn sie lebte abgeschieden vom Rest der Welt in einem Dorf im Karpatenvorland. Alber spekuliert, was Józef und Wiktoria Ulma dazu motiviert haben könnte, die Juden trotz eigener kleiner Kinder und trotz des unglaublichen Risikos zu verstecken.
„Die Beweggründe für ihr mutiges Handeln dürften zwar wohl nie ganz ans Tageslicht kommen, aber eine Tatsache gibt es dennoch, die einen deutlichen Hinweis vermittelt“, schreibt Alber. „Nach dem Krieg wurde das Buch der Familie ‚Die Geschichte des Alten und Neuen Bundes für katholische Volksschulen‘ mit biblischen Texten gefunden und da sticht eine Stelle besonders hervor, nämlich das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. […] Józef Ulma hat in diesem Gleichnis eine Stelle unterstrichen und daneben handschriftlich das Wort ‚Ja‘ geschrieben.“
„Wir dürfen davon ausgehen, dass die gelebte Gottes- und Nächstenliebe ein zentrales Motiv war, den Juden zu helfen“, zeigt sich der Autor überzeugt. „Das Ehepaar muss daneben aus ihrem tiefen katholischen Glauben gehandelt haben, der in ein fast ‚übermenschliches‘ Gottvertrauen gemündet hat.“
Eine wichtige offene Frage wird von Alber nicht zufriedenstellend beantwortet: Wurde ein ungeborenes Kind seliggesprochen? Wiktoria Ulma war hochschwanger, als sie erschossen wurde – aber mit welcher Begründung kann ein ungeborenes Kind seliggesprochen werden?
„Einer der Fuhrleute, der bei der Mordaktion Augenzeuge wurde, war bei der Exhumierung dabei“, so Alber. „Er berichtete, dass er beim Leichnam von Wiktoria Ulma gesehen habe, dass der Kopf und der Rumpf des ungeborenen Kindes aus dem Mutterleib herausragten. Offensichtlich war die innere Anspannung bei Wiktoria durch die feige Mordaktion so groß, dass die Wehen einsetzten.“
Nichtsdestotrotz ist im Buch grundsätzlich von einem ungeborenen Kind die Rede. Später, wenn er über die im Rahmen des Seligsprechungsprozesses erfolgte Exhumierung der Familie Ulma berichtet, spricht Alber dieses Thema nicht mehr an.
Insgesamt handelt es sich bei „Es gibt keine größere Liebe …“, erschienen im fe-Verlag, um ein sehr wichtiges und flüssig zu lesendes Buch, das zeigt, wie heroisch gerade die einfachen Leute im Angesicht des Bösen sein können. Bischof Bertram Meier von Augsburg verfasste das Vorwort.
Thomas Alber: „Es gibt keine größere Liebe …“. Das Martyrium und die Ermordung der Familie Ulma; fe; 224 Seiten; 12,80 Euro; ISBN: 9783863574314.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.




