Wachkoma-Patientin Tafida Raqeeb aus der Intensivstation verlegt

Tafida Raqeeb
Familie Raqeeb

Die Ärzte in England wollten lebenserhaltende Maßnahmen einstellen – doch Tafida Raqeebs Eltern erreichten vor Gericht, dass ihre fünfjährige Tochter im vergangenen Oktober in ein Krankenhaus in Italien verlegt wird. Mittlerweile wurde das Kind aus der Intensivstation der dortigen Klinik in die Kinderhospiz-Abteilung verlegt.

Das teilte das Krankenhaus in Genua am 8. Januar mit, wie die "Catholic News Agency" (CNA) berichtet.

Tafidas Eltern äußerten die Hoffnung, in "den kommenden Monaten" weitere gute Nachrichten über den Zustand ihrer Tochter zu haben, hieß es am gestrigen Donnerstag.

Tafida Raqeeb wurde vom Royal London Hospital, wo sie seit Februar 2019 behandelt wurde, in das Gaslini-Kinderkrankenhaus in Genua verlegt.

Das Mädchen erlitt im Februar 2019 eine arteriovenöse Missbildung (AVM), die zu einer Gehirnblutung führte. Sie liegt seit dem 9. Februar im Koma, mit Herz- und Atemstillstand sowie einer traumatische Hirnverletzung.

Die Überführung erfolgte nach einem – weltweit Schlagzeilen machenden – Rechtsstreit in Großbritannien zwischen Tafidas Eltern und den britischen Ärzten, in deren Obhut das Kind war.

Im September 2019 hatten die Mediziner vor Gericht um Erlaubnis gebeten, die lebenserhaltenden Maßnahmen für die Wachkoma-Patientin einzustellen. Diese fortzusetzen sei nicht im "besten Interesse" des Kindes, so die Ärzte damals. 

Das Gericht urteilte jedoch anders: Es erlaubte den Eltern, Muhamed Raqeeb und Shalina Begum, ihr Kind Mitte Oktober nach Italien zu verlegen – was den Eltern zuvor verboten war.

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Die Ärzte des Gaslini-Krankenhauses in Genua sagten am 8. Januar, dass Tafdida Raqeeb am 24. Dezember aus der Intensivstation in die Kinderhospizstation verlegt worden sei.

Der Chefarzt der Kinderintensivstation sagte, man habe Tafidas Zustand stabilisiert und sei nun in der Lage, das Beatmungsgerät für jeweils eine halbe Stunde oder eine Stunde auszuschalten, berichtet der Sender "Sky TG24".

Dr. Andrea Moscatelli sagte, man habe mehrere Maßnahmen ergriffen, um den Zustand der kleinen Patientin zu verbessern, "aber es ist extrem schwierig zu prüfen, wieviel sie von ihrer Umwelt wahrnimmt. Im Zweifelsfall müssen wir uns immer so verhalten, als würde sie mehr mitbekommen, als es den Anschein hat."

Die Ärzte wollen nun die Zeitspanne verlängern, in der Tafida Raqeeb selbstständig atmen kann, und hoffen, dass sie irgendwann von ihrer Familie zu Hause versorgt werden kann, sagte Moscatelli.

Der Arzt erklärte auch, dass bei neurologischen Schäden wie denen Tafidas "die Prognose praktisch unmöglich ist".

"Wir versuchen, diesem kleinen Mädchen Zeit zu geben, um zu verstehen, ob es eine mögliche Verbesserung [ihres Zustands] geben wird", so der Mediziner laut der Zeitung "The Sun".

In einer Pressekonferenz am 8. Januar würdigte Raqeebs Mutter, Shelina Begum, das Bemühen der Ärzte und die Behandlung, die ihre Tochter im Gaslini-Krankenhaus erhält. Sie sagte, sie wolle nicht in Details gehen, um die Privatsphäre ihrer Tochter zu wahren, aber "in den nächsten Monaten sollten wir in der Lage sein, Ihnen weitere gute Nachrichten über eine Verbesserung [ihres Zustands] zu geben".

Hintergrund: NHS und Elternrechte 

Das Ringen der Eltern Tafidas um die Behandlung ihrer Tochter ist kein Einzelfall.

Öffentliches Aufsehen erregten auch die Schicksale der todkranken Kinder Charlie Gard und Alfie Evans, die ebenfalls vom britischen National Health Service (NHS) betreut worden waren.

Im Jahr 2017 entschieden die behandelnden Ärzte, die künstliche Beatmung Charlie Gards einzustellen – obwohl seine Eltern ihn in ein Krankenhaus in New York City verlegen wollten. Er starb im Alter von 11 Monaten, nachdem sein Beatmungsgerät entfernt wurde.

Weniger als ein Jahr später lehnten die Eltern von Alfie Evans ebenfalls die Versuche des NHS ab, die Beatmung ihres Kindes einzustellen. Die Eltern wollten Alfie in ein Krankenhaus in Italien überführen. Auch seine lebenserhaltenden Maßnahmen wurden schließlich eingestellt. Alfie überlebte fünf Tage lang ohne Beatmungsgerät, bevor er kurz vor seinem zweiten Geburtstag starb.

Im Fall von Tafida Raqeeb rief Bischof John Sherrington, Weihbischof von Westminster und Vertreter der englischen und walisischen Bischöfe in Lebensfragen, bereits am 18. Juli vergangenen Jahres zur Besonnenheit auf:

"Schwierige Dilemmata müssen bewältigt werden. Ich hoffe, dass dabei den Wünschen ihrer Eltern gebührend Rechnung getragen wird und gleichzeitig das klinische Urteil der sie betreuenden Ärzte respektiert wird."

Der Bischof rief zudem zur Zurückhaltung aller auf, "die nicht über alle relevanten Informationen verfügen".

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