Angriff auf US-Kapitol durch Trump-Mob: Bischöfe rufen zu Frieden auf

Unterstützer von Donald Trump vor dem US Capitol am 6. Januar 2021
Alex Edelman/AFP via Getty Images

Die US-amerikanischen Bischöfe haben die Stürmung des Capitols, dem Parlamentssitz in Washington, durch einen Mob von gewalttätigen Donald-Trump-Unterstützern scharf verurteilt. 

Im Gebäude hatten sich die Kammern des Parlaments am 6. Januar versammelt, um die Ergebnisse der Wahl von Joe Biden zum nächsten Präsidenten der USA amtlich zu bestätigen – ein rechtlich vorgeschriebens Prozedere.

Doch extremistische Anhänger des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump drangen während der Beratungen in das Capitol ein. Abgeordnete mussten evakuiert werden; die Bilder chaotischer Szenen am Sitz der US-amerikanischen Demokratie sorgten weltweit für Aufsehen.

Eine Extremistin wurde von Polizeikräften erschossen.

"Ich schließe mich allen Menschen guten Willens an, die die Gewalt heute im Kapitol der Vereinigten Staaten verurteilen", sagte der Erzbischof von Los Angeles, Jose Gomez, Vorsitzender der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten, am 6. Januar. " Dies entspricht nicht dem, was wir als Amerikaner sind. Ich bete für die Mitglieder des Kongresses und die Mitarbeiter des Kapitols sowie für die Polizei und alle, die daran arbeiten, die Ordnung und die öffentliche Sicherheit wiederherzustellen."

"Das muss aufhören"

"Der friedliche Übergang der Macht ist eines der Markenzeichen dieser großen Nation", fügte er hinzu. "In diesem beunruhigenden Moment müssen wir uns wieder auf die Werte und Prinzipien unserer Demokratie besinnen und als eine Nation unter Gott zusammenkommen."

In einer eigenen Erklärung fügte Erzbischof Salvatore Cordileone von San Francisco hinzu: "Das US-Kapitol anzugreifen, um seiner Angst Ausdruck zu verleihen, dass die Demokratie missachtet wurde, ist falsch und zudem kontraproduktiv. Zweifel an freien und fairen Wahlen können nicht durch Gewalt gegen demokratische Institutionen ausgeräumt werden."

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"Zu den Todesfällen durch eine Pandemie und der Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschen müssen wir nicht auch noch einen versuchten Bürgerkrieg in Kauf nehmen. Ich habe ein Ende der Gewalt auf den Straßen gefordert, als sie diesen Sommer stattfand. Ich rufe jeden Amerikaner guten Willens auf, jetzt diese Gewalt gegen das Kapitol unserer Nation zu verurteilen."

"Möge der Fürst des Friedens diesem Streit ein Ende setzen und Heilung und konstruktive Kritik an die Stelle der Pöbelherrschaft setzen. Und möge Gott Amerika segnen", sagte der Erzbischof.

Gomez vertraute das Land dem Herzen der Jungfrau Maria an und bat: "Möge sie uns auf den Wegen des Friedens führen und uns Weisheit und die Gnade eines wahren Patriotismus und der Liebe zum Land verschaffen."

Auf Twitter veröffentlichte die Bischofskonferenz noch während der chaotischen Szenen ein kurzes Gebet: "Herr, Gott des des Friedens, erhöre uns".

In einer Video-Stellungnahme sagte Weihbischof Robert Barron von Los Angeles, die Bilder aus Washington entsetzten ihn nicht nur als Amerikaner, sondern auch als Christ. Ein Parlament – als gewaltfreier Raum – von gewaltbereiten Menschen gestürmt zu sehen, sei zutiefst verstörend.

"Das muss aufhören", so Barron – das sage er als Amerikaner, aber auch als katholisher Bischof. Viel Gewalt vom ganzen "ideologischen Spektrum" habe in den vergangenen Monaten das Land erschüttert und zivile Debatten zunehmend ausgeblendet. Doch am heutigen Tag habe sich diese Problematik dramatisch zugespitzt, so Barron.

"Schockierend und illegal"

Er rufe zu einer landesweiten Gewissensprüfung und zum Gebet für sein Land auf, so Barron angesichts dieser sehr negativen Entwicklung der Nation.

Erzbischof William Lori von Baltimore verurteilte die Proteste "schockierend und illegal".

"Wir beten inbrünstig für den Frieden und für Gottes Schutz über unser Land, unsere Gesetzgeber und alle, die an diesem schrecklichen Tag in Gefahr sind. Mögen friedliebende Amerikaner guten Willens in den gesamten Vereinigten Staaten zusammenkommen, um Frieden, Versöhnung und Heilung in unserer verwundeten und zerbrochenen Nation herbeizuführen, die immer eins sein wird und sein muss, unter Gott."

Bischof Nicholas DiMarzio aus Brooklyn rief zum Gebet für die Nation auf, "an diesem beispiellosen Tag des nationalen Chaos, damit wir zur Rechtsstaatlichkeit zurückkehren können."

Trump spricht weiter von "Wahlbetrug"

Die Angriffe und Proteste, die darauf abzielten, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen zu kippen, waren eskaliert nach Spekulationen, dass die Wahl-Ergebnisse in einigen Bundesstaaten gefälscht worden seien.

Offenbar waren die in Washington und andernorts demonstrierenden Unterstützer Trumps der Ansicht, dass es einen Weg für den scheidenden Präsidenten gebe, im Amt zu bleiben – obwohl Joe Biden die Wahl gewonnen hat – wie auch Trumps Vizepräsident Mike Pence unterstrichen hat.

Der Hauptgrund dafür ist Trump selbst: In einem Auftritt bei einer Kundgebung vor dem Weißen Haus am Mittwoch hatte Trump seine Anhänger aufgerufen, zum Kapitol zu marschieren. Selbst in seinem gestern dann über Twitter und andere Medien veröffentlichten Aufruf an den Mob, der das Capitol stürmte, sich zurückzuziehen, behauptete der scheidende Präsident, dass die Wahlen "gefälscht" worden seien, sprach von "Wahlbetrug". 

Die radikalisierten Unterstützer des Präsidenten trugen "Make America Great Again"-Kappen oder andere Fanartikel des Mannes, ebenso wie Fahnen und Plakate.

Mehrere Trump-Anhänger griffen Journalisten tätlich an und zerstörten technische Ausrüstungen wie Kameras.

Viele Kritiker des Präsidenten, aber auch Parteikollegen und ehemalige Weggefährten, beschuldigten ihn, die Demonstranten aufgehetzt zu haben. Gleichzeitig haben sich nicht nur empörte Menschen von Trump deutlich distanziert. Twitter und Facebook haben begonnen, einige der Beiträge Trumps von ihren Plattformen zu entfernen, oder als "faktisch fragwürdig" zu deklarieren. 

Unterdessen ist die Lage nach einem stundenlangen Einsatz von Sicherheitskräften beruhigt. Der Kongress konnte die Wahl Bidens zum nächsten Präsidenten formell bestätigen. Der scheidende Vizepräsident Pence gab das amtliche Endresultat bekannt – damit ist der Weg zu Bidens Amtseinführung am 20. Januar frei.

Ob und welche Konsequenzen – etwa juristische – der Angriff am gestrigen Mittwoch für Donald Trump persönlich haben wird, ist indessen noch unklar.

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