Seine Mutter weigerte sich, abzutreiben – nun hat ihr Sohn sie dem Papst vorgestellt

Papst Franziskus mit Sarah und Msgr. Anthony Figueiredo im Gästehaus Sancta Marthae am 3. Juni 2016.
Privat/Msgr. Figueiredo

Es war die Zeit von Contergan und anderen Thalidomid-haltigen Medikamenten, als Sarah Figueiredo schwanger wurde. Es sollte ihr viertes und letztes Kind werden: Anthony.

Der Wirkstoff Thalidomid wurde nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Wie sich herausstellte, half er nicht nur bei Schlaflosigkeit sondern auch gegen die morgendliche Übelkeit, die manche Frauen im ersten Trimester erleben. Weltweit verschrieben Mediziner das Mittel an schwangere Patientinnen in der Annahme, dass es sicher sei. 

Sarah, die zu dieser Zeit ihre junge Familie in Nairobi (Kenia) aufzog, war eine von ihnen.

Erst 1961 wurde entdeckt, dass Thalidomid schwere Geburtsfehler bei Babies verursacht, deren Mütter das Medikament eingenommen hatten. Die Kinder leiden oft an Fehlbildungen der Arme und Beine sowie anderen Körperteilen, bis hin zum Fehlen der Gliedmaße. Deutschland war besonders betroffen: Laut dem Bundesverband Contergangeschädigter wurden etwa 5.000 betroffene Kinder geboren.

1962 wurde das Produkt vom Markt genommen.

Als die Ärzte feststellten, dass Sarahs ungeborener Sohn eines der Kinder war, die mit einer Fehlbildung auf die Welt kommen würden, rieten sie ihr zur Abtreibung. Aber Sarah und ihr Mann, beide praktizierende Katholiken, weigerten sich. Sarah glaubte, dass ihr Sohn eine "besondere Mission" hatte.

Diesem Sohn zufolge – heute Monsignore Anthony Figueiredo (52) – sagten die Eltern den Ärzten, die auf sie Druck ausübten: "Wenn Gott uns erlaubt hat, ein Kind zu zeugen, dann wird dieses Kind nicht weggeworfen. Im Gegenteil, Gott wird einen Auftrag für dieses Kind haben". Dieser Auftrag sie seine Berufung zum Priester gewesen.

Der Geistliche betont, dass seine Eltern nur sehr ungern über diese Erfahrung und das Verhalten der Ärzte reden. Er selber habe davon erst am Tag seiner Priesterweihe erfahren.

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Trotz seines verkümmerten Arms wurde Msgr. Figueiredo im Jahr 1994 geweiht und hat mittlerweile breite, jahrelange Erfahrung in der Missionsarbeit gesammelt, ebenso wie einen beeindruckende akademischen Werdegang. Derzeit ist er Regens des amerikanischen Priesterseminars in Rom, dem von hunderten Seminaristen besuchten Pontifical North American College. Außerdem berät er Kardinäle im Redenschreiben und -halten – und ist ein enger Mitarbeiter des Papstes..

Er hat auch Mutter Theresa getroffen und war mehrere Jahre lang persönlicher Referent für den heiligen Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI.

Der Priester ist vor allem seinen Eltern und ihrem Glauben dankbar, dass sie ihn in seiner Berufung ermutigt haben. "Sie haben mich nie entmutigt, Priester zu werden", sagte er gegenüber CNA.

"Unter großen Opfern schickten sie uns alle auf katholische Schulen, und nun, im hohen Alter, ist meine Mutter die glücklichste Frau der Welt, könnte man sagen, weil sie einen Sohn hat, der Priester ist."

Die 84-jährige Sarah sagte CNA dass sie und ihr Mann immer dafür gebetet hatten, dass einer ihrer drei Söhne ein Priester werde, und dass dieses Gebet in Tony (wie sie ihren Sohn nennt) erhört werde: "Ich habe es eines Tages geträumt. Im Traum sah ich, wie mein Jüngster geweiht werden sollte", denn, so fuhr sie fort: "Ich wußte, er hatte eine Mission".

Auch wenn in vielerlei Hinsicht "segensreich" ist, einen Priester zum Sohn zu haben: Einen der schönsten gab es für Sarah, als sie ihren Sohn zum Priesterjubiläum im Jahr der Barmherzigkeit vom 1. bis 3. Juni besuchen konnte. 

Er sei in den vatikanischen Gärten auf einem Spaziergang gewesen, erzählt Msgr. Figueiredo, als der Papst persönlich auf seinem Handy anrief. 

Franziskus sagte, er wisse, dass seine Mutter nach Rom komme, und dass er sie gerne treffen wolle. Das dreitägige Programm sei aber so dicht gestaffelt mit Terminen, dass er sie gerne vor der Messe kennenlernen würde. 

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Der Papst habe denn "alles selber organisiert", und beide, Mutter und Sohn, in seiner Residenz im Domus Sancta Marthae am Morgen des 3. Juni begrüßt.

"Es war sehr, sehr schön. Er war wie ein ganz normaler Dorfpfarrer, wie er mich begrüßt hat", sagte Msgr. Figueiredo und erzählte, dass sie sich über die Zahl der Kinder in der Familie unterhalten hätten sowie die biblische Herkunft mancher Namen.

Besonders bewegend sei für ihn gewesen, so Msgr. Figueiredo, als der Papst ihm sagte, dass er seine Mutter wieder-erkannt habe anhand eines Photos, dass er ihm gezeigt habe.

"Das Bild hatte ich ihm vor drei Jahren gezeigt", sagte Msgr. Figueiredo. "Es ist schon außergewöhnlich, dass dieser Papst, der wahrscheinlich meistfotografierte Mensch der Welt, sich an jede Person erinnern kann. Es ist, als trage er sie in seinem Herzen."

Papst Franziskus spendete Sarah auch das Sakrament der Krankensalbung: Sie hat bereits zwei Schlaganfälle hinter sich und wurde im Jahr 2010 mit einem aggressiven Brustkrebs der Stufe 4 diagnostiziert; heute lebte sie ohne Krebs.

Der Papst "nahm sich Zeit, er hatte keine Eile, und er war besonders barmherzig", sagte der Priester. Als seine Mutter aufstehen wollte für die Salbung, sagte Franziskus ihr, dass sie doch sitzen bleiben solle und stand selber auf. 

"Ich finde das erstaunlich von einem Papst. Da ist wirklich nichts Autoritäres zu spüren, er ist wirklich ein Diener, ein Diener der Diener Gottes. Das spürten wir an diesem Tag in seiner Residenz."

Sarah, die den Kelch zum Altar brachte in der heiligen Messe nach dem Treffen, sagte, der Papstbesuch sei "ein Geschenk Gottes...ich war sehr stolz, dass Gott mich erwählt hatte, zu diesem besonderen Anlass gehen zu dürfen".

Nachdem sie dem Papst den Kelch überreicht habe, "drückte er meine Hand, und er erkannte mich und hielt mich fest", sagte sie: Ein Erlebnis "dass ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde, und Gott immer dafür danken".

Sarah dankte ihrem Sohn, ihr zu dieser Gelegenheit verholfen zu haben, den Papst zu treffen und seinen Segen zu erhalten. Als Ratschlag für Eltern, die hoffen, dass es unter ihren Kindern auch religiöse Berufungen gibt, empfahl sie: "je mehr ihr betet, desto besser".

"Wir brauchen mehr Priester in dieser Welt", sagte sie. Sie habe immer für die Berufung ihres Sohnes gebetet. Auch heute, mit 84 Jahren, betet sie täglich den Rosenkranz und hat sogar immer einen unter ihrem Kissen liegen, damit sie, wenn sie nachts wach werden sollte, einen griffbereit hat, um eine Dekade zu beten, bevor sie wieder einschläft.

Msgr. Figueiredo sagte, für ihn sei das Erlebnis, das Priesterjubiläum an der Seite seiner Mutter feiern zu können, "ein enormer Beweis von Gottes Treue" gewesen sei. Besonders wenn jemand Ihm etwas von seinem Leben gibt, sei es ein Elternteil, ein Kind, eine Form des Leidens. 

"Ich glaube wirklich was der heilige Paulus sagte: Gottes Gnade erweist sich in der Kraft der Schwachheit [2 Kor 12,9]", sagte er CNA. Gerade Priester "die ein Kreuz tragen können eine gewissen Form der Barmherzigkeit und Gnade vermitteln an jene, die leiden". 

Ein Priester könne predigen bis Sonnenuntergang. Aber richtig aufpassen und zuhören würden die Menschen wenn sie sehen, "dass du selber in deinem Fleische leidest...das verbindet einen dann sofort".

Für Msgr. Figueiredo ist es genau dies, was auch Christus am Kreuz tat: “Er litt am Kreuz für uns, und wenn ich selber leide, sehe ich, dass er vor mir gelitten hat und Glauben hatte, er glaubte, sein Vater werde Gutes erwirken, selbst aus dem Tragischsten."

"Das hat mir wirklich dabei geholgen, den Geruch der Schafherde nahezukommen, wie Papst Franziskus uns Priestern und jedem Christen ans Herz gelegt hat", sagte er.