Ex-Priester: Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs gegen McCarrick und Erzbistum

"Ich reiche die Klage hauptsächlich deshalb ein, weil ich vor 3 Jahren einen Brief an Kardinal Tobin und die Erzdiözese Newark geschrieben habe und nie eine Antwort erhielt"

Der ehemalige Kardinal Theodore McCarrick wurde im Februar 2019 aus dem Klerikerstand entlassen.
Mazur/catholicchurch.org.uk

Ein ehemaliger katholischer Priester, der bereits früher den Vorwurf erhoben hat, Ex-Kardinal Theodore McCarrick habe ihn als Seminarist sexuell missbraucht, hat nun offiziell Strafanzeige gegen den notorischen "Onkel Ted" erstattet — und gegen das Erzbistum Newark.

"Ich reiche die Klage hauptsächlich deshalb ein, weil ich vor drei Jahren, als ich das tat, auch einen Brief an Kardinal (Joseph) Tobin und die Erzdiözese Newark geschrieben habe und nie eine Antwort erhielt", sagte der Kläger Michael Reading in einer Videobotschaft, die auf der Website seiner Anwälte veröffentlicht wurde. "Die ganze Sache ist enttäuschend, aber ich bin einfach sehr enttäuscht, dass ich nie etwas gehört und keine Antwort von der Kirche bekommen habe."

Wenn er die Medienberichterstattung über McCarricks Auftritte vor Gericht sehe, sagte er, "kommt alles wieder zurück".

"Heute ist tatsächlich der Jahrestag des Tages, an dem ich von ihm geweiht wurde, heute vor 35 Jahren", sagte er in dem Video vom 22. November. Er hoffe, dass er anderen damit helfen kann, wenn er seinen Leidensweg nicht länger verschweigt, betonte der ehemalige Priester.

Michael Reading, der heute in der Nähe von Seattle lebt, wird vor Gericht von Jeff Anderson von der in Minnesota ansässigen Firma Jeff Anderson & Associates vertreten.

"Als er sich in der Erzdiözese Newark in der Ausbildung befand, um Priester zu werden, war es der damalige Erzbischof Ted McCarrick, der ihn betreute und letztendlich die Macht über ihn hatte, Priester zu werden", sagte Anderson auf einer Pressekonferenz am 23. November. "McCarrick nutzte seine Position als Erzbischof über ihn, um ihn anzugreifen, zu nötigen und auszubeuten."

McCarricks zivilrechtlicher Anwalt, Barry Coburn von der Washingtoner Kanzlei Coburn & Greenbaum, lehnte es ab, gegenüber CNA Stellung zu nehmen. Die Erzdiözese Newark erklärte ihrerseits, sie nehme die Vorwürfe gegen den Ex-Kardinal wie gegen das Bistum ernst. 

"Obwohl wir angesichts der anhängigen Rechtsstreitigkeiten nur begrenzt Informationen weitergeben können, ist es wichtig festzustellen, dass die Erzdiözese Newark alle Missbrauchsvorwürfe ernst nimmt", sagte Maria Margiotta, Kommunikationsdirektorin der Erzdiözese Newark, am 23. November gegenüber CNA.

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Des weiteren betonte die Sprecherin, man versuche heute, sexuelle Gewalt durch kirchliche Mitarbeiter besser zu verhindern: "Wir halten an unseren umfassenden Programmen und Protokollen zum Schutz der Gläubigen fest und arbeiten mit Betroffenen sexueller Gewalt, deren Anwälte und den Strafverfolgungsbehörden zusammen, um Vorwürfe aufzuklären", sagte sie.

Auf der Pressekonferenz mit Andersons Anwaltskanzlei am Dienstag sagte Reading, er habe zunächst anonym bleiben wollen. Er beschloss jedoch, seinen richtigen Namen zu verwenden, um andere Opfer des notorischen Sex-Verbrechers, der zahlreiche junge Männer, Jugendliche und Buben missbraucht haben soll, zu ermutigen, sich zu melden.

"Ich fühle mich erleichtert und wie von einer Last befreit", sagte er. "Es ist noch ein langer Weg bis dahin, aber es ist ein Anfang".

Der Gesetzgeber von New Jersey hat für Opfer, die als Erwachsene oder Kinder sexuell missbraucht wurden, eine besondere Frist für die Einreichung von Klagen geschaffen, die jedoch am 30. November abläuft.

Die Klage von Reading ist die achte Klage, die Andersons Anwaltskanzlei gegen den einst einflußreichen Prälaten und Erzbischof eingereicht hat. Kritiker werfen ihm vor, als Selbstdarsteller zu agieren, der Behauptungen aufbauscht und ausschmückt, um die Aufmerksamkeit der Medien auf den Rechtsstreit zu lenken.

In Erklärungen zu anderen Prozessen hat er auch schwere Vorwürfe gegen die Person von Papst Franziskus erhoben. Als Beleg für diesen Vorwurf hat der Jurist Behauptungen des umstrittenen Erzbischofs Carlo Maria Vigano über den Umgang  des Papstes mit McCarrick angeführt.

Die Anzeige gegen McCarrick beruft sich auch auf den Untersuchungsbericht des Vatikans aus dem Jahr 2020. Diesen hatte Papst Franziskus in Auftrag gegeben, und dieser zog den Schluss, dass Franziskus nichts gewußt habe.

Reading wurde am 22. November 1986 geweiht und war sieben Jahre lang Priester. 

In der Klage wird McCarrick beschuldigt, "schädlichen und anstößigen körperlichen Sexualkontakt" mit Reading gehabt zu haben. Der ehemalige Priester hat seine Leidensgeschichte an anderer Stelle erzählt, unter anderem in einem Artikel der Washington Post vom 12. September 2018.

Reading erzählte der Washington Post, dass er 1986 zu einem Grillfest und einer Übernachtung für Seminaristen in McCarricks berüchtigtem Strandhaus in Sea Girt, New Jersey, eingeladen wurde. Laut Reading verweilte McCarrick im Schlafzimmer, als der zwanzigjährige Seminarist sich gerade seine Schwimmsachen anzog. Später näherte sich McCarrick dem Seminaristen nach dem Grillfest und "steckte seine Hand" in dessen Badehose.

Der Seminarist war von dem Vorfall schockiert und hat ihn nicht gemeldet oder Familienmitgliedern erzählt, bis die Anschuldigungen gegen McCarrick 2018 öffentlich wurden. Er sagte, der Vorfall habe ihn für den Rest seiner Zeit als Priester beeinflusst.

"Ich habe das Gefühl, dass mir das Priestertum weggenommen wurde", sagte er der Washington Post. "Und ich habe geliebt, was ich getan habe."

In der Klage wird auch behauptet, dass Pater Edward J. Eilert 1978 "unerlaubten sexuellen Kontakt" mit Reading hatte. Zu dieser Zeit war der Kläger Gemeindemitglied in der St. John the Apostle Church in Linden, N.J., einer Stadt an der Staatsgrenze gegenüber dem New Yorker Stadtbezirk Staten Island.

Eilert ist tatsächlich ein mutmaßlicher Täter: Er steht auf der von der Erzdiözese Newark im Februar 2019 veröffentlichten Liste glaubwürdig beschuldigter Geistlicher wegen "mehrfacher" Missbrauchsvorwürfe. Eilert ist es verboten, öffentlich als Seelsorger aufzutreten oder die Sakramente zu spenden. Er soll sich in einem Altersheim aufhalten.

Im Jahr 2002 war Eilert einer von drei Priestern, die beschuldigt wurden, in den 1980er Jahren ein jugendliches Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Obwohl die Staatsanwaltschaft von Union County die Anschuldigungen als glaubwürdig einstufte, war eine Anklage aufgrund der Verjährungsfrist fallen gelassen worden, berichtete "NJ.com" im Jahr 2013.

Andersons Anwaltskanzlei hat kürzlich drei weitere Klagen gegen andere Priester eingereicht, denen sexuelle Gewalt und Missbrauch zur Last gelegt wird, darunter ein Priester, der immer noch aktiv im Dienst ist.

Im September plädierte McCarrick in Massachusetts auf "nicht schuldig" in Bezug auf mehrere Anzeigen sexueller Übergriffe, die sich in den 1970er Jahren ereignet haben sollen.

Der Fall McCarrick gilt als Schlüsselskandal der Kirchenkrise über Missbrauch und Vertuschung. Die Frage, wie der offensichtliche Sexualverbrecher jemals Priester, dann Bischof, dann mächtiger Erzbischof und gefeierter Kardinal werden konnte, ist bis heute nicht aufgeklärt. Zahlreiche mutmaßliche Opfer hatten sich im Lauf der Jahre gemeldet und schwere Vorwürfe gegen den notorischen "Onkel Ted" erhoben. 

Im Jahr 2018 sagte Kardinal Joseph Tobin einem Journalisten, dass er kurz nach seinem Amtsantritt als Leiter der Erzdiözese Newark im Jahr 2017 Gerüchte über McCarricks sexuelles Fehlverhalten gehört habe. Er sagte, er sei diesen Gerüchten nicht nachgegangen, weil er sie für unglaubwürdig hielt.

Die Erzdiözese Newark und die Diözese Metuchen bestätigten im Juni 2018, dass sie mit einigen mutmaßlichen Opfern von McCarrick in den Jahren 2005 und 2007 gerichtliche Vergleiche geschlossen hatten. Tobin sagte, er habe von diesen Vergleichen erst im Juni 2018 erfahren, kurz bevor sie öffentlich bekannt gegeben wurden.

Auch der von Papst Franziskus zum Präfekten und Kardinal beförderte Kevin Farrell, der mit McCarrick in einer Wohnung zusammenlebte, hat mehrfach erklärt, "nichts gewußt" zu haben.

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Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch Partneragentur.