Erzbischof Schick: "Wenn wir schlauer sein wollen als alle anderen, wird das gefährlich"

Bamberger Erzbischof im Exklusiv-Interview über den Umgang mit der Corona-Krise

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick kommt vom Einkauf zurück. In Zeiten der Corona-Krise erledigt er die Einkäufe für sich und die Ordensschwestern, die das Bischofshaus bewohnen.
Erzbistum Bamberg

Die Corona-Pandemie stellt schon seit Wochen das gesellschaftliche Leben auf den Kopf. Auch die Katholische Kirche ist davon betroffen. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick erledigt nun beispielsweise alle Einkäufe selbst - für sich und für die älteren Ordensschwestern, die mit ihm das Bischofshaus bewohnen.

Wie er mit der Corona-Krise umgeht, was ihm Hoffnung macht und warum er als Angehöriger der Risikogruppe dennoch keine Angst hat - darüber sprach er am Mittwoch im Exklusiv-Interview mit CNA Deutsch.

Herr Erzbischof, wie haben Sie die Osterfeiertage verbracht?

Was Gebet und Gottesdienste angeht, wie immer. Ich habe alle Gottesdienste des Triduum zwar nicht im Dom, aber in der "Nagelkapelle", einer Seitenkapelle im Bamberger Dom, gefeiert – ohne Teilnahme von den sonst üblichen vielen Gläubigen, nur mit den diensthabenden Mesnern, Organisten, Lektoren und so weiter. Die Chrisammesse mit der Weihe der heiligen Öle, die Eucharistiefeier vom Letzten Abendmahl - ohne Fußwaschung, die Karfreitagsliturgie, die Osternacht und den Osterfeiertag. Die Gottesdienste wurden feierlich gestaltet und durch Livestream übertragen. Die Einschaltquoten waren unerwartet hoch und mit viel positiver Resonanz. Die fehlenden Gläubigen mit ihrem Gesang und ihren Antworten habe ich allerdings sehr vermisst.

Was auch anders war: ich konnte die übliche Einladung zur Agape am Gründonnerstag und zum Osterfestmahl im Bischofshaus nicht aussprechen sowie auch nicht meine Familie und Freunde besuchen. Aber es gibt ja Telefon, Whats App und Internet.

Auf Facebook gibt es ein Foto, das Sie beim Einkaufen zeigt. Sie haben in der Innenstadt Lebensmittel für sich und die zwei Ordensfrauen besorgt, die im Bischofshaus leben. Wie sehr hat Corona Ihren Alltag verändert?

Ich kann keinerlei Außentermine wahrnehmen und bin auf mein Homeoffice beschränkt. Meine Begegnungen und Außenkontakte finden über Telefon und E-Mail statt. Ich stelle derzeit auch mehr Predigten, geistliche Gedanken und Stellungnahmen auf Twitter, Facebook, Instagram. Das Büro im Bischofshaus ist auch besetzt. Ich sage öfter scherzhaft: "Ich habe nichts zu tun", bin aber den ganzen Tag voll beschäftigt.

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Ansonsten drehe ich jeden Morgen um 5 Uhr meine Joggingrunden, wie immer allein. Im Bischofshaus ist der Ablauf wie auch sonst: Gebetszeiten, heilige Messe - wenn nicht in der Nagelkapelle oder im Dom -, Mittag- und Abendessen mit den Schwestern. Ich kaufe derzeit die Lebensmittel für den täglichen Bedarf selbst ein, weil ich im Haus der Fitteste bin. "Tun, was der Tag verlangt", ist eines meiner Orientierungsworte. Tun, was nötig und möglich ist, ist in Krisenzeiten eine gute Einstellung!

 Ich möchte nicht unhöflich sein, aber gehören Sie mit Ihren 70 Jahren nicht zur Risikogruppe? Haben Sie keine Angst?

Angst habe ich keine. Aber ich halte mich an die vorgeschriebenen Maßnahmen und Vorschriften: Zwei Meter Abstand, keine unnötigen Ausgänge und Begegnungen. Ich bin vorsichtig und achtsam. Ich möchte weder das Leben anderer noch mein eigenes in Gefahr bringen. Das fordert die Vernunft und die Nächstenliebe.

Die Kirche hat beim Aufkommen der Krise relativ zügig reagiert und das Verbot der öffentlichen Gottesdienste rasch umgesetzt. Was ist Ihr Eindruck: Hat die Kirche richtig gehandelt oder war sie zu ängstlich und hat die Menschen im Stich gelassen?

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass es richtig war, die von der Politik angeordnete Vorschriften und Maßnahmen auch in der Kirche und für die Gottesdienste anzuwenden. Wenn aus triftigen Gründen - um Leben zu schützen - keine Versammlungen stattfinden dürfen, dann muss das auch für die gottesdienstlichen Versammlungen gelten.

Wir haben die Menschen nicht im Stich gelassen, sondern alle Möglichkeiten ausgeschöpft, mit ihnen in Kontakt zu sein und sie seelsorglich zu begleiten: durch die Livestream-Übertragungen der Gottesdienste und die verschiedenen Internetangebote, viele Telefonate und E-Mails. Es gab auch die Möglichkeit zu beichten in den Kirchen mit den nötigen Vorsichtsmaßnahmen; ebenso konnte die Kommunion individuell empfangen werden. Auch die Krankensalbung wurde gespendet.

Wie wichtig sind für Sie die Livestreams?

Livestreams sind eine Möglichkeit, an Gottesdiensten geistlich teilzunehmen. Sie sind für Notsituationen nützlich. Wir dürfen aber nicht der Versuchung verfallen, kirchliches und vor allem gottesdienstliches Leben virtuell zu gestalten. Kirche und Gottesdienste sind Gemeinschaft mit Gott und untereinander, personal-sozial. Das gilt für alle Bereiche der Kirche, vor allen Dingen auch für die Gottesdienste.

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Livestream für Notsituationen sind okay. Zum normalen kirchlichen Leben gehören die persönlichen Begegnungen und die sozialen Beziehungen, um Freud und Leid, Hoffnung und Trauer miteinander zu teilen, Gott zu loben und zu preisen.

Wünschen Sie sich, dass das Versammlungsverbot bald aufgehoben wird oder halten Sie das momentan noch für zu riskant?

Natürlich wünsche ich mir, dass das Versammlungsverbot bald aufgehoben wird! Aber hier müssen die Virologen, Psychologen, Soziologen und Pandemieexperten ihre Expertisen erstellen und die Politiker entscheiden und anordnen. Daran müssen wir uns alle halten, auch wir, die Kirchen. Wenn wir jetzt schlauer sein wollen, als alle anderen, tut das nicht gut, macht keinen guten Eindruck und kann gefährlich werden.

In einem Beitrag haben Sie hinsichtlich der Corona-Krise gefragt: "Wer weiß, wozu das gut ist?". Haben Sie mittlerweile schon eine Antwort gefunden?

Die Corona-Krise hat viele Menschenleben gefordert, Menschen traurig und ängstlich gemacht, Arbeitsplätze sind in Gefahr, viele gehen in eine ungewisse Zukunft; da ist nichts Gutes dran! Gerade als Christen müssen wir das zur Kenntnis nehmen, mittragen und mitleiden, zu helfen und zu bessern trachten.

Die Corona-Krise hat aber auch Verhaltensweisen gefördert, die wir vorher nicht in dem Maß kannten: Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe, Achtsamkeit und gegenseitige Wertschätzung, auch Genügsamkeit, Toleranz und Versöhnungsbereitschaft, sogar Humor und Spaß. Wenn wir das bewahren und weiterentwickeln, dann hat auch die Corona-Krise etwas Gutes für die Zukunft. Auch hier gilt: "Es gibt nichts Gutes, es sei denn, man tut es." (Erich Kästner)

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