Kardinal Angelo Becciu: "Kenne Torzi nicht, war nicht mehr im Staatsekretariat"

Kardinal Giovanni Angelo Becciu im Jahr 2015
Alan Holdren / CNA Deutsch

Die Festnahme von Gianluigi Torzi im Finanzskandal des Vatikans ist "kein Erdbeben" und der Vatikan wird "weitermachen wie bisher": Das hat Kardinal Angelo Becciu gesagt.

Torzi wurde am 5. Juni festgenommen wegen des Verdachts auf Erpressung, Veruntreuung, schweren Betrugs und Geldwäsche. Er befindet sich derzeit in Untersuchungshaft im Vatikan.

Becciu erklärte noch am gleichen Tag gegenüber der italienischen Webseite "Adnkronos": "Ich kenne Torzi nicht, ich war nicht mehr Sostituto, als passiert sein soll, was ihm zur Last gelegt wird". 

Tatsächlich war, wie die Catholic News Agency (CNA) berichtet, Becciu in den Jahren 2014 bis 2018 der Sostituto – in dem Zeitraum, in dem die Investition über mehrere hundert Millionen Euro in eine Immobilie an der Sloane Avenue in Londons Innenstadt organisiert wurde.

Tatsache ist auch: Der nun inhaftierte Gianluigi Torzi agierte als Broker des Deals für das Staatssekretariat.

Im Juni 2018 – kurz vor Abschluss des Deals – ernannte Papst Franziskus Becciu zum Kardinal und beförderte ihn zum Präfekten der Kongregation für Heiligsprechungsverfahren.

"Journalistische Fantasie"

In seiner Stellungnahme zur Festnahme Torzis sagte Becciu am vergangenen Samstag, die Verhaftung von Torzi werde keineswegs ein breiteres "Erdbeben" in der Kurie auslösen. Das sei eine "journalistische Fantasie".

Mehr in Vatikan

Torzi müsse sich "für ein bestimmtes Verbrechen verantworten, für das er allein verantwortlich ist. Und der Vatikan wird weitermachen wie bisher", so Becciu wörtlich.

Am 4. November 2019 berichtete CNA, dass Kardinal Becciu im Jahr 2015 offenbar versuchte, in den Bilanzen des Vatikans fast 200 Millionen an Darlehen im Zusammenhang mit der Transaktion zu verschleiern, indem er sie gegen den Wert des Besitzes in London annullierte: Ein buchhalterisches Manöver, das durch die von Papst Franziskus 2014 eingeführten Finanzregeln verboten ist.

Dieser offensichtliche Versuch, die Darlehen zu verschleiern, wurde von der Präfektur für Wirtschaft, damals unter der Leitung von Kardinal George Pell, aufgedeckt. Hochrangige Beamte der Wirtschaftspräfektur berichteten CNA im Jahr 2019, dass Becciu zu Pell sagte, er mische sich "in hoheitliche Geschäfte ein", weil dieser die Geschäfte des Staatssekretariates mit der Schweizer Bank BSI untersuchte.

Die BSI wurde 2017 von den Schweizer Bankbehörden geschlossen, nachdem eine Untersuchung systematische Verstöße gegen die Anti-Geldwäsche-Bestimmungen der Schweiz ergeben hatte.

Am vergangenen Samstag sagte Becciu, dass Torzis Beteiligung am Londoner Immobiliengeschäft erst erfolgt sei, nachdem er das Staatssekretariat verlassen habe. Gleichzeitig erklärte Becciu, die Investition an sich sei in Ordnung gewesen.

Wie der "Corriere dea Sera" berichtete, soll Gianluigi Torzi mitsamt seiner Familie am 26. Dezember 2018 von Papst Franziskus in seiner Residenz im Domus Sanctae Marthae zu einer persönlichen Audienz empfangen worden sein.

CNA hat den Vatikan mehrfach angefragt, wer diese Audienz mit dem Papst arrangierte, und warum. Bis heute hat CNA keine Antwort erhalten.

Auf einer Pressekonferenz im November vergangenen Jahres wurde Papst Franziskus zu den Investitionen in London direkt befragt. Er bestätigte zwar, dass er persönlich die Razzien vom Oktober genehmigt hatte, betonte aber, dass die Beweise für korrupte oder illegale Aktivitäten "noch nicht klar" seien, bevor er zu dem Schluss kam, dass "passierte, was passierte: ein Skandal".

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Die "NZZ" berichtete im Dezember 2019 mit Blick auf den Skandal: "Der mutmasslich Verantwortliche wurde nicht etwa zur Verantwortung gezogen, sondern zum Kardinal befördert."

Wie indessen der Vatikan "wie bisher weitermachen" will, ist nicht nur unklar angesichts des massiven Skandals und weiterer Debakel: Der Vatikan steckt in einer massiven Finanzkrise, und das nicht erst seit der Coronavirus-Pandemie.

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