Krise in Weißrussland: Hier wird die Kirche verfolgt, auch wenn niemand darüber spricht

Weihbischof Kasabutsky von Minsk nimmt klar Stellung zur Situation im Land – Erzbischof Kondrusiewicz wird die Einreise ins Land verweigert

Proteste in Minsk
Victor Mulitsa

Für die katholische Kirche in Weißrussland ist es Zeit, klar und stark Stellung zu beziehen, wie Andrea Gagliarducci von unserer Schwesternagentur ACI Stampa in einem Artikel zur Situation im Land schreibt.

Während Erzbischof des Erzbistums Minsk-Mahiljou, Tadeusz Kondrusiewicz, nicht wieder ins Land einreisen darf, weil er mysteriöserweise auf einer Liste von Personen steht, die in Russland und Weißrussland "unerwünscht" sind, erklärt Weihbischof Yuri deutlich, es sei "offensichtlich, dass sie versuchen, Druck auf die Kirche auszuüben. Das bedeutet, die Kirche wird verfolgt, auch wenn niemand offen darüber spricht."

In seinen Erläuterungen auf der offiziellen Website der katholischen Kirche in Weißrussland, "catholic.by", sagt er sogar: "Auch in der sowjetischen Ära sprach niemand offen von Verfolgung, auch wenn sie sehr hart war. Die Fakten zeigen, dass wir heute in einer ähnlichen Situation leben."

Erzbischof Kondrusiewicz konnte am 31. August nicht mehr ins Land zurückkehren. Er war für diverse Feierlichkeiten in Polen gewesen und an der Grenze angehalten worden. Man hat eine offizielle Erklärung zu diesem Vorfall gefordert, die jedoch bislang nicht abgegeben wurde. Präsident Alexander Lukaschenko äußerte, Erzbischof Kondrusiewicz habe "Weißrussland unerwartet verlassen, um sich nach Warschau zu begeben, wo ihm einige Aufgaben übertragen wurden, und dann versuchte, wieder zurückzukehren."

Deshalb sei der Erzbischof in die gemeinsame Liste von Russland und Weißrussland aufgenommen worden, auf der jene Personen stehen, die nicht in weißrussische Gebiete einreisen dürfen.

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Lukaschenko betonte auch, dass der Erzbischof eventell eine doppelte Staatsbürgerschaft besitze, was der Grund für einen möglichen Verlust des weißrussischen Passes wäre.

Präsident Lukaschenko fügte hinzu, der "Erzbischof sei eine bekannte Person" und das verursacht Lärm, aber "es sei egal, wer er ist - das katholische Oberhaupt, das orthodoxe Oberhaupt, das muslimische Oberhaupt. Er muss nach den Gesetzen leben" und "er kann nicht in die Politik gehen und die Katholiken mit reinziehen, die wunderbare Menschen sind."

Die Worte Lukaschenkos zeigen eine äußerst harte Position gegenüber der katholischen Kirche - gleichsam eine Warnung, weil die Kirche auf der Seite jener Personen stand, die nach dem Wahlergebnis vom vergangenen 9. August protestiert hatten. Ein Ergebnis, bei dem Lukaschenko, der bereits seit 1994 an der Macht ist, erneut als Gewinner hervorging. Und eine Ergebnis, bei dem die Bevölkerung sofort den Verdacht des Wahlbetrugs hatte. Die Proteste dauerten trotz der Unterdrückung durch Polizei und Behörden tagelang ununterbrochen an.

Am 21. August traf sich Bischof Kondrusiewicz mit Innenminister Juri Karajew, um von ihm Rechenschaft über die harte Reaktion der Regierung auf die Proteste zu verlangen und zu betonen, wie notwendig Versöhnung sei. Ebenso beschwerte er sich, dass es ihm unmöglich gemacht werde, die Gefangenen zu besuchen

Am 26. August hatte die Polizei auch die Eingänge Kirche des heiligen Simon und der heiligen Helena versperrt, die auch die "rote Kirche" genannt wird. Bischof Kasabutsky scheute sich nicht, das als eine "Verletzung der Religionsfreiheit" zu bezeichnen. Die Kirche befindet sich in der Nähe des Unabhängigkeitsplatzes, der zu den hauptsächlichen Orten der Proteste gehörte.

Noch vorgestern bewachte das Militär das Gebiet, bis hin zum Grundstück des Gebäudes.

Kondrusiewicz hat anscheinend ein Interview bei Radio Marija in Polen gegeben, das von catholic.by übernommen wurde und in dem er betonte: "Es gibt Grund zur Annahme, dass die Wahlen unredlich waren. Die Kirche in Belarus will eine friedliche Lösung."

Der Erzbischof betonte auch, "dass die katholische Kirche und die orthodoxe Kirche ähnliche Vorschläge machen", denn beide laden "zu einem Wandel des Herzens, zur Reue ein, weil wir ohne diese die Probleme nicht lösen werden."

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In Weißrussland gibt es keine autokephale orthodoxe Kirche. Die Kirche untersteht dem Metropoliten von Minsk, der seinerseits dem Patriarchat der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau untersteht.

Es sei noch erwähnt, dass das Moskauer Patriarchat mitten in der Krise den Metropoliten Pawel (Ponomarjow) ersetzte, der Lukaschenko zunächst zum Wahlsieg gratuliert hatte, um seine Aussagen später zu korrigieren. An seiner Stelle trat Metropolit Benjamin (Tupjeko). Das leitende Gremium der russisch-orthodoxen Kirche, der Heilige Synod, hatte bekanntgegeben, dass Metropolit Pawel selbst um die Entpflichtung aus seinem Amt gebeten hatte.

Dieser Schritt der russisch-orthodoxen Kirche zeigt auch eine Distanzierung von der Politik des Kremls, der als großer Verbündeter Lukaschenkos gilt.

Man ist sich bewusst, dass der Druck der Bevölkerung in Weißrussland stark ist. Dass es eine neue Generation gibt, die bereit ist, für ihre Rechte zu kämpfen, wie die ununterbrochenen Demonstrationen zeigen, und dass die orthodoxe Kirche mit dem Volk fühlen muss. Darüber hinaus soll durch die Ernennung eines neuen Metropoliten eine ähnliche Situation wie in der Ukraine vermieden werden, in der am Ende eine autokephale orthodoxe Kirche geschaffen wurde, die von Moskau getrennt war, das bis dahin für Kiew zuständig war.

Man wartet nun darauf, zu verstehen, wie es mit der Situation von Erzbischof Kondrusiewicz weitergehen wird, der von der Regierung eine offizielle Erklärung zu den Gründen gefordert hat, die zu seinem Festhalten an der Grenze geführt hatten. Bislang hat er selbst keine offiziellen Aussagen zu möglichen Gründen gemacht.

Die Katholiken in Weißrussland erleben eine Ausgrenzung. Bischof Kasbutsky hob hervor, dass "am 31. August im Büro des Kommissars für Religionen und Nationalitäten, Leanid Huliaka, eine Versammlung des interreligiösen Beirates stattfand, dem die Oberhäupter der orthodoxen, katholischen, hebräischen, muslimischen und protestantischen Religionsverbände angehören. Trotz der Tatsache, dass die katholische Kirche die zweitgrößte Gemeinschaft im Land ist, wurde ihr Vertreter nicht zur Versammlung des Beirats eingeladen, von der wir noch nicht einmal wussten."

Erzbischof Kondrusiewicz ist derzeit Gast in einer Pfarrei in Białystok und hat von dort aus einen Appell gestartet, in dem er erklärt, durch das Verbot, ins Land einreisen zu dürfen, sei es ihm nicht möglich seinen Hirtendienst zu erfüllen. Er betonte: "Unter den Bedingungen der aktuellen soziopolitischen Krise in unserer Heimat habe ich zum Dialog und zur Versöhnung aufgerufen und werde es weiterhin tun. Ich möchte auf keinen Fall, dass die ungerechtfertigte und illegale Entscheidung des Grenzschutzbeamten die Spannungen in unserer Heimat verschärft."

Vor seiner Abreise war beschlossen worden, dass eine Statue des Erzengels Michael zu den vier Kathedralen der vier Diözesen in Weißrussland pilgern wird, in denen für die Lösung der sozioökonomischen Krise gebetet werden soll.

In einer Nachricht, die zusammen mit diesem Beschluss versandt worden war, stellte Erzbischof Kondrusiewicz auch die Situation in Weißrussland ausführlich dar. Er schrieb: "Wir müssen anerkennen, dass unsere Gesellschaft spirituell krank ist. Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrtausends haben wir die Freiheit erlangt. Das ist eine großes Geschenk für unsere Leute, aber gleichzeitig auch eine große Aufgabe. Unser Volk hat die Not eines atheistisch-totalitären Regimes durchlebt und in einem Zustand der Gefangenschaft ausgeharrt. Aber verstehen wir es, in Freiheit zu leben? Die jüngste Geschichte hat gezeigt, dass wir das anziehende Wort "Freiheit" als Gelegenheit dafür genutzt haben, ohne Einschränkungen und ohne Verantwortung zu leben, ohne die Gesetze Gottes zu beachten."

Der Erzbischof prangerte an, dass "Gesetze gegen die von Gott festgesetzte Ordnung erlassen werden, die zu moralischer Korruption führen; die die Familie als Grundlage der Gesellschaft zerstören; die das Leben, eine Geschenk Gottes, nicht schätzen und manipulieren, und die eine anti-geistliche Kultur fördern. Die Religion ist in den Schulen, bei den Sicherheitskräften und in den Gefängnissen nicht erlaubt; die Beziehung zwischen den religiösen Organisationen und dem Staat und die bestehende Gesetzgebung in Bezug auf die religiösen Organisationen und die Religionsfreiheit widersprechen seit langem den weltweiten Standards."

Deshalb – so weiter der Erzbischof - "können die religiösen Organisationen ihr Potenzial nicht vollständig ausschöpfen, vor allem in der Erziehung zu den ewigen und unwandelbaren geistlichen Werten des neuen Menschen, der verantwortungsvoll und ehrlich seine Pflichten erfüllen und so handeln wird, dass es in Zukunft nicht Schwierigkeiten geben wird, mit denen wir heute konfrontiert sind und von denen wir nicht wissen, wie wir sie lösen sollen. Ein guter Gläubiger ist ein guter Bürger seines Landes, dem das geistliche und materielle Wohl des Landes am Herzen liegt." 

"Die Krise in Weißrussland ist die unvermeidliche Folge der Sünde der Gesetzwidrigkeit", betonte er.

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