Papst Franziskus: „Entdecken wir das Konzil neu, um Gott den Vorrang zurückzugeben“

Papst Franziskus betet vor dem Schrein von Papst Johannes XXIII., 11. Oktober 2022
Vatican Media

Das Zweite Vatikanische Konzil sei das erste Konzil der Kirchengeschichte gewesen, dass die Kirche „der Selbstbefragung, dem Nachdenken über ihr eigenes Wesen und ihre Sendung“ gewidmet habe, sagte Papst Franziskus am späten Dienstagnachmittag bei einer Messfeier zum 60. Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962.

Dabei habe sich die Kirche wieder entdeckt „als Geheimnis der Gnade, das aus der Liebe hervorgeht: Sie entdeckte sich neu als Volk Gottes, als Leib Christi, als lebendiger Tempel des Heiligen Geistes!“

„Es besteht immer die Versuchung, dass wir vom eigenen Ich statt von Gott ausgehen, dass wir unsere Ziele über das Evangelium stellen, uns vom Wind der Weltlichkeit mitreißen lassen und den Moden der Zeit hinterherjagen, dass wir die Gegenwart ablehnen, die uns die Vorsehung schenkt, und uns nach der Vergangenheit umwenden“, warnte der Pontifex.

„Sowohl der Progressivismus, der sich der Welt anpasst, wie auch der Traditionalismus oder die Rückwärtsgewandtheit, welche einer vergangenen Welt nachtrauern, sind keine Beweise der Liebe, sondern der Untreue“, so Franziskus weiter. „Es sind pelagianische Egoismen, die ihre eigenen Vorlieben und ihre eigenen Pläne über die Liebe stellen, die Gott gefällt, jene einfache, demütige und treue Liebe, nach der Jesus Petrus gefragt hat.“

Papst Franziskus forderte: „Entdecken wir das Konzil neu, um Gott den Vorrang zurückzugeben, und dem, was wesentlich ist: einer Kirche, die verrückt ist vor Liebe zu ihrem Herrn und zu allen Menschen, die von ihm geliebt sind; einer Kirche, die reich an Jesus und arm an Mitteln ist; einer Kirche, die frei und befreiend ist.“

„Brüder, Schwestern, kehren wir zurück zum reinen Quell der Liebe des Konzils“, sagte der Papst. „Lasst uns die Leidenschaft des Konzils wiederentdecken und unsere Leidenschaft für das Konzil erneuern!“

Und weiter:

Die Kirche soll von Freude erfüllt sein. Wenn sie sich nicht freut, verleugnet sie sich selbst, weil sie die Liebe vergisst, die sie erschaffen hat. Doch wie vielen von uns gelingt es nicht, den Glauben freudig zu leben, ohne zu murren und herumzukritisieren? Eine Kirche, die Jesus liebt, hat keine Zeit für Auseinandersetzungen, Gift und Polemik. Gott befreie uns vom Kritisieren, von Unduldsamkeit, Härte und Wut. Das ist nicht nur eine Frage des Stils, sondern der Liebe, denn wer liebt – so sagt der Apostel Paulus – tut alles ohne Murren (vgl. Phil 2,14).

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Der Papst ermutigte, „die hässliche Sünde des Klerikalismus“ zu vermeiden, „der die Schafe tötet, der sie nicht führt, der sie nicht wachsen lässt, sondern tötet. Wie aktuell ist doch das Konzil: Es hilft uns, der Versuchung zu widerstehen, uns in den Schutz unserer Bequemlichkeit und unserer Überzeugungen einzuschließen, um den Stil Gottes nachzuahmen, den der Prophet Ezechiel uns heute beschreibt: ‚Das Verlorene werde ich suchen, das Vertriebene werde ich zurückbringen, das Verletzte werde ich verbinden, das Kranke werde ich kräftigen‘ (vgl. Ez 34,16).“

Erneut forderte er: „Brüder und Schwestern, kehren wir zum Konzil zurück, das den lebendigen Fluss der Tradition wiederentdeckt hat, ohne in den Traditionen zu erstarren; das die Quelle der Liebe wiederentdeckt hat, nicht um auf dem Berg zu bleiben, sondern damit die Kirche ins Tal hinabsteige und ein Kanal der Barmherzigkeit für alle werde. Kehren wir zum Konzil zurück, um aus uns selbst herauszugehen und die Versuchung der Selbstbezogenheit zu überwinden, welche etwas sehr Weltliches ist. Weide, so sagt der Herr zu seiner Kirche von Neuem; und indem du weidest, überwinde die Nostalgie der Vergangenheit, die Trauer um den Bedeutungsverlust, die Anhänglichkeit an die Macht, denn du, das heilige Volk Gottes, bist ein Hirtenvolk: du bist nicht dazu da, dich selbst zu weiden, aufzusteigen, sondern um die anderen zu weiden, alle anderen, mit Liebe.“

„Wir danken dir, Herr, für das Geschenk des Konzils“, betete der Pontifex am Ende seiner Predigt. „Du, der du uns liebst, befreie uns von der Überheblichkeit der Selbstgenügsamkeit und dem Geist weltlichen Kritisierens. Befreie uns davon, dass wir uns selbst aus der Einheit ausschließen. Du, der du uns liebevoll weidest, führe uns aus dem Gehege der Selbstbezogenheit heraus. Du, der du willst, dass wir eine geeinte Herde sind, befreie uns von der teuflischen Finesse der Polarisierungen, der ‚Ismen‘.“

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