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Vater Benedikt und die Wahrheit

Papst emeritus Benedikt XVI. im Sommer 2017.

Viele Medien sezieren erneut den Brief des emeritierten Papstes vom 8. Februar 2022 und bewegen sich damit im hermeneutischen Zirkel. Wissen Sie, was das bedeutet? Sie deuten das Schreiben nach den Kategorien ihres vorab feststehenden Verständnisses. Die Schuldfrage ist beantwortet.

Benedikt wird den Erwartungen der meisten seiner Kommentatoren nie entsprechen können. Im Diskurs wird die feststehende Meinung über Benedikt als „Wahrheit“ mitgeteilt. Wer diese Form der vermeintlichen Aufklärung nicht teilt oder sogar missbilligt, könnte ein Benedikt-Sympathisant sein, römisch-katholisch oder einfach nur diese Welt, ihre Gesetze und ihre Erregungs- sowie Empörungszustände nicht mehr verstehen. 

Mit einer Bekannten, die muslimischen Glaubens ist, tauschte ich mich darüber nur ganz kurz aus. Sie ist eine erkennbar gläubige Frau, die nicht begreift, warum jemand wie Benedikt im Kreuzfeuer steht und als „Lügner“ bezeichnet wird. Dieser sei doch ein tiefgläubiger, demütiger und guter Mann, der ein sehr hohes Amt bekleidet habe. Ja, das ist so. Und ich sagte, das alles sei traurig – und ich bliebe im Glauben der Kirche verwurzelt, ich könne gar nicht anders. Was diese Welt umtreibt, ist mir ein Rätsel, und die Formen der Feindseligkeit gegenüber Benedikt gehören dazu. Auch ich habe einen sogenannten Migrationshintergrund, von dem mein Nachname berichtet. „Paprotny“ etwa geht auf das polnische Wort „paproć“ zurück, ein Farn, der wie Unkraut überall wächst und heimisch ist, in Ostpreußen, Schlesien, Polen und Deutschland. Und dann gibt es auch noch die schöne Stadt „Paprocz“, früher Groß Rauden, in Oberschlesien gelegen. Ein Farn schlägt Wurzeln, Menschen tun das auch. Verwurzelt bin ich in der eigenen Familie, im Credo der Kirche des Herrn, in der Wahrheit des Glaubens und in der unverbrüchlichen Treue zum Stellvertreter Christi. 

Nun hat Benedikt besonders den Katholiken in Deutschland einen Brief geschrieben. So viele Kommentatoren sind, wie immer, maßlos empört. Deswegen vielleicht herrscht bei vielen Zeitgenossen, besonders auch bei gläubigen Menschen, oft Skepsis gegenüber den Diskursmächten und Meinungsmachern heute, ebenso gegenüber Predigern in den Kirchen, die das Evangelium missbrauchen, um wohlfeil Kritik an der Kirche, von der sie bezahlt werden, zu üben und diese grimmig oder ironisch zu attackieren. In dem auf CNA Deutsch dokumentierten Brief  von Benedikt XVI. schreibt er über den längst eingestandenen Fehler und die Konsequenzen: „Daß das Versehen ausgenutzt wurde, um an meiner Wahrhaftigkeit zu zweifeln, ja, mich als Lügner darzustellen, hat mich tief getroffen.“

Auch auf dem aus Kirchensteuermitteln finanzierten Portal „katholisch.de finden sich heute wieder eine Referenz an die gutachterlichen Meinungen sowie anscheinend umfassenden Kompetenzen der Münchner Kanzlei und eine dezidierte Kritik an Benedikts Brief. Felix Neumann schreibt: „Schon im Münchner Gutachten hieß es, dass eine "Bereitschaft Benedikts XVI., das eigene Handeln und die eigene Rolle selbstkritisch zu reflektieren und (zumindest Mit-)Verantwortung für Unzulänglichkeiten in den Reaktionen sowohl gegenüber den Beschuldigten als auch den Geschädigten zu übernehmen", für die Gutachter nicht erkennbar gewesen sei. Der Eindruck bleibt auch nach dem Versuch einer klärenden Stellungnahme. Und das hat das Potential, das Urteil über diesen Bischof, Papst und Theologen schwerer zu beschädigen als jedes Eingeständnis von Versäumnissen.“ 

Benedikts Worte im Brief indessen sind ganz anders und unmissverständlich: „Ich habe in der katholischen Kirche große Verantwortung getragen. Umso größer ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meinen Amtszeiten und an den betreffenden Orten geschehen sind. Jeder einzelne Fall eines sexuellen Übergriffs ist furchtbar und nicht wieder gut zu machen. Die Opfer von sexuellem Mißbrauch haben mein tiefes Mitgefühl und ich bedauere jeden einzelnen Fall.“ Wir alle, Sie und ich – und auch jene, die nicht mehr damit rechnen –, werden eines Tages vor dem Richter stehen, auf den wir alle zugehen. Das tröstet mich heute, und das macht mich auch gelassen. Der Herr das letzte Wort, niemand anderes.

Benedikt schreibt weiter: „Immer mehr verstehe ich die Abscheu und die Angst, die Christus auf dem Ölberg überfielen, als er all das Schreckliche sah, das er nun von innen her überwinden sollte. Daß gleichzeitig die Jünger schlafen konnten, ist leider die Situation, die auch heute wieder von neuem besteht und in der auch ich mich angesprochen fühle. So kann ich nur den Herrn und alle Engel und Heiligen und Euch, liebe Schwestern und Brüder, bitten, für mich zu beten bei Gott unserem Herrn.“ 

Lieber Vater Benedikt, seien Sie gewiss, dass sehr viele einfache Katholiken, aber auch Andersgläubige und Agnostiker ratlos sind, dass Sie, der einfache Arbeiter im Weinberg des Herrn, große Theologe und Aufklärer über den sexuellen Missbrauch in der Kirche, nun anscheinend zu einer Art Feindbild geworden sind. So möchte ich Sie, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, einladen zum Gebet für unseren emeritierten Papa Benedetto!

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.  

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