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Indien: „Inmitten dieser ständigen und zunehmenden Verfolgung stehen wir fest im Glauben“

Ein christlicher Leiter blickt auf die Trümmer seiner Kirche in Manipur, die bei Ausschreitungen im Mai 2023 zerstört wurde.
Gebet für Pastor Sudeep aus dem Osten Indiens, der bereits mehrfach wegen seiner christlichen Aktivitäten verhaftet wurde.

Im April finden in Indien Parlamentswahlen statt. Sie könnten für die verfolgten Christen des Landes entscheidend sein. CNA Deutsch sprach mit Vishnu, einem Sozialwissenschaftler und Experten für indische Politik, über die bevorstehenden Wahlen und die Anti-Konversionsgesetze. Vishnu, dessen richtiger Name aus Sicherheitsgründen nicht in der Öffentlichkeit genannt werden kann, forscht über die verfolgte Kirche und führt Workshops und Trainingsprogramme zu dem Thema durch. Der richtige Name und die genauen Tätigkeitsbereiche von Vishnu sind der Redaktion von CNA Deutsch bekannt. Dies ist der zweite und letzte Teil des Interviews.

Welcher Teil der Bevölkerung stehen hinter dieser Hindutva-Ideologie?

Tatsächlich wird er von etwa 25 Prozent unterstützt. Ich tätige diese Aussage auf der Grundlage des Stimmenanteils der BJP. Bei den letzten beiden Wahlen lag ihr Stimmenanteil zwischen 31 Prozent und 45 Prozent. Aber das ist nicht ihr Erfolgsgeheimnis. Ihr Erfolgsgeheimnis ist das Kastensystem von Indien. Sie haben ihre Anhänger auf allen Ebenen der Gesellschaft. Sie haben Ableger unter den Anwälten, sie haben Anhänger unter den Lehrern, sie haben Anhänger unter den Sportverbänden, unter den Bauern, unter den Anwälten. Sie nutzen also ihr Kader-System sehr effizient, um ihre Macht auszubauen. Sie besetzen wichtige Positionen mit Leuten, die zu ihrer Ideologie passen. Zum Beispiel in den Komitees oder Behörden, die Bildungspolitik machen, die über die Lehrpläne entscheiden. Also setzen sie sie dort ein, und das ist der Grund, warum sie so erfolgreich sind. Wir können also einfach sagen, dass etwa 25 Prozent der Mehrheitsgesellschaft der Hindutva positiv gegenüberstehen. Und diese Zahl wird sich noch erhöhen.

Wie könnte man die Aktivitäten der Hindu-Nationalisten in Indien stoppen? Was könnten ausländische Regierungen für die verfolgten Christen tun?

Indien ist ein riesiger Markt. Nach Angaben der Weltbank wird Indien in den nächsten 15 bis 20 Jahren das drittgrößte Bruttoinlandsprodukt der Welt haben. Und die westlichen Länder sind an Indien interessiert, weil es ein so großer Markt ist. Aber wir müssen auch verstehen, dass das Geschäftsklima in Indien immer schlechter wird. Auf der einen Seite schützen westliche Geschäftsinteressen indische Unternehmen und üben Druck auf die Regierung aus, eine ethische Handelspolitik zu verfolgen. Auf der anderen Seite verliert eine große christliche Nichtregierungsorganisation ständig ihre Genehmigung für ausländische Spenden. Ihre ausländischen Spenden werden von der Regierung gestoppt. Ihre Konten werden gesperrt.

Aber die Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) ist die größte Nichtregierungsorganisation in Indien, und sie erhält von allen Nichtregierungsorganisationen das meiste Geld. Auch aus westlichen Ländern fließen riesige Summen. Es gibt Hindutva-Sympathisanten in Großbritannien, den USA und anderen Ländern, die sie finanzieren. Wenn also die Regierung sehen kann, dass es Quellen gibt, die im Grunde genommen finanziert werden, um Christen zu verfolgen, wenn sie in der Lage ist, das zu erkennen und in irgendeiner Weise einzuschränken, dann wäre das, glaube ich, ein wichtiger Beitrag. Und wenn die anderen Länder auch immer wieder kritische Fragen stellen und auch gegen die indische Regierung Stellung beziehen, wegen der Christenverfolgung, dann glaube ich, dass das wirklich etwas bewirkt.

Es sollte ein System geben, damit das Geld, das nach Indien geschickt wird, ordentlich kontrolliert wird. Es sollte Agenturen geben, die diese Spenden entgegennehmen und sie in Indien verwenden. Sie sollten von Organisationen geprüft und kontrolliert werden, die unabhängig sind und sich für den Schutz der Menschenrechte in dem Land einsetzen. Es sollte also eine ordnungsgemäße Prüfung stattfinden und auch der Nachweis erbracht werden, dass diese Gelder nicht gegen die christlichen Minderheiten in Indien missbraucht werden.

Ist die Verfolgung von Christen religiös motiviert?

In der Tat ist das Konzept der Nation in Indien eng mit der Religion verbunden. Sie nutzt also die Religion, um die indische Gesellschaft zu beherrschen. Die ideologische Unterstützung, die es gibt, kommt also im Wesentlichen von ihrer Interpretation der Religion. Da sie aber auch der Meinung sind, dass wir ein mehrheitlich hinduistisches Land brauchen, wird deutlich, dass die Idee der Mehrheit oder die Identität der Mehrheit nicht auf der ethnischen Zugehörigkeit, nicht auf der Sprache, sondern auf der Religion beruht. Diejenigen, die einer bestimmten Religion anhängen, sollten also diese Nation regieren. Auf diese Weise wird die Idee von Politik und Religion überlagert. Wir können also mit Sicherheit sagen, dass es sich sowohl um eine politische als auch um eine religiöse Sache handelt.

Ein Beispiel: Sie benutzen die Kuh. Die Kuh gilt in der Hindu-Religion als heilig. Deshalb haben sie Gesetze zum Schutz der Kuh erlassen. Und es gab mehrere Verhaftungen und mehrere Lynchmorde im Namen der Kuh. Die Symbole, die sie verwenden, sind also hauptsächlich religiös. Sie verwenden den Ram-Tempel, Ram Mandir, als eines der anderen Motive. Auch dieser ist ein religiöses Bauwerk. Mehrere Beispiele deuten also darauf hin, dass sie sich der Religion bedienen. Und im Grunde ist die Idee der Nation eine von Hindus regierte Nation für Hindus.

Sie ist hauptsächlich politisch, denn Hindutva ist kein integraler Bestandteil des Hinduismus. Hindutva begann 1925 und ist im Grunde ein Missbrauch des Hinduismus für politische Zwecke.

Was war der Ausgangspunkt dieser Ideologie?

Von Grund auf ist die Hindutva-Ideologie sehr faschistisch. Sie sind ideologisch eng mit Adolf Hitler und Benito Mussolini verbunden. Die Begründer dieser Ideologie besuchten also beide Länder und erhielten von der europäischen faschistischen Ideologien eine große Unterstützung und eine ideologische Grundlage. Diese Ideologie ist also von Grund auf faschistisch und eng mit dem Kapitalismus verbunden.

Und können Sie beschreiben, wann diese Verfolgung, diese massive Verfolgung von Christen begonnen hat?

Das ist kein neues Phänomen. Es gab sie schon vor den Briten. Sogar während der britischen Herrschaft in Indien vor 1947 hatten mehrere Bundesstaaten in Indien die Konversion zum Christentum verboten. Die Verfolgung von Christen, ist also kein neues Phänomen in Indien. Der Apostel Thomas wurde auf diese Weise getötet. Wir haben also eine Geschichte der Christenverfolgung.

Aber wenn wir zum modernen Indien kommen, zum Christentum nach der Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien, dann begann die wirkliche Beschleunigung, als die Hindutva-Fraktion anfing, in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Und heute vor 50 Jahren wurde das erste Anti-Konversionsgesetz eingeführt. Aus dieser Perspektive wird es zur Politik, denn das Gesetz ist ein Ausdruck der Politik. Seit dieser Zeit hat es begonnen. 1990 wurde die indische Wirtschaft geöffnet. Danach wuchsen die Ram-Mandir-Bewegung, die Ram-Tempel-Bewegung, die Hindutva-Kader, die RSS-Kader, in den ländlichen Gebieten. Und von da an begann die Verfolgung, vor allem in den Stammesgebieten Zentralindiens. Aber seit die aktuelle Regierung an der Macht gekommen ist, sind Christen in ganz Indien mit Verfolgung konfrontiert.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit der Christenverfolgung in Indien?

Ich treffe ständig verfolgte Christen, und sie sind meine Freunde, enge Freunde. Letzte Woche ist ein Freund von mir verhaftet worden. Er hat den Sonntagsgottesdienst geleitet. Er war ein sehr friedfertiger Mensch. Jetzt, wo die Regierung gewechselt hat, hat einer der Christenverfolger eine falsche Anklage gegen ihn erhoben, und mein Freund wurde mit einer Anklage verhaftet, die er gar nicht begangen hat. Irgendwie haben wir ihn da rausgeholt. Ein anderer Freund musste seine Kirche schließen, weil sie von Hindutva-Fanatikern bedroht wurde. Ich habe also täglich mit solchen Vorfällen zu tun.

Meine eigene Tochter wurde in ihrer Klasse diskriminiert, weil sie Christin ist und ich nicht wusste, dass diese Schule der Hindutva-Ideologie anhängt. Sie wurde ständig von der Lehrerin vernachlässigt. Das war eine Zeit, in der ich mich wirklich schlecht gefühlt habe. Ich war verletzt. Viele meiner Freunde sind gesellschaftlich isoliert. Man spricht nicht mit ihnen.

Ein Pastor hat mir erzählt, dass es mehrere Frauen gibt, die von ihren Männern verlassen wurden, weil sie Christen geworden sind. Ich bin also täglich mit verschiedenen Arten von Verfolgung konfrontiert. Aber ich danke Gott, dass er uns hilft, und auch inmitten dieser ständigen und zunehmenden Verfolgung stehen wir fest im Glauben.

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