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"Unseriös" und "Kurios": Petition zur Umbenennung der Pacelli-Allee in Berlin in Kritik

Papst Pius XII., portraitiert von Luis Fernández-Laguna

Die Vertretung des Vatikans in Deutschland – die Apostolische Nuntiatur – hat die Forderung zweier Historiker, die "Pacelli-Allee" in Berlin-Dahlem umzubenennen, zurückgewiesen. Die Straße hat ihren Namen von Eugenio Pacelli erhalten, dem späteren Papst Pius XII. 

Nicht nur der Vatikan findet den Vorstoß kurios.

Die Initiatoren einer neuen Petition zur Umbenennung werfen dem Pontifex "Antisemitismus und Frauenverachtung" vor. Stattdessen soll die Pacelliallee nach der bislang einzigen israelischen Ministerpräsidentin in Golda-Meir-Allee umbenannt werden, forden sie. Die Autoren der Petition schreiben:

"Es ist weder unsere Absicht in den Auseinandersetzungen um diese umstrittene Person Partei für eine Seite zu ergreifen oder uns eine der Positionen zu eigen zu machen. Wir stellen einzig die Frage: Sollten Straßen nach jemandem benannt sein, der über Jahrzehnte hinweg durch Antisemitismus und Frauenverachtung auffiel?"

Pacelli habe "über Jahrzehnte hinweg antisemitische Klischees" verbreitet sowie "Frauen im Allgemeinen, linke Frauen und jüdische Frauen im Besonderen" - Zitat - "dämonisiert".

Belege dafür liefert die Petition nicht.

Zudem habe Pacelli, so behaupten die Initiatoren, auf einen Sieg der Wehrmacht gehofft und flüchtigen NS-Verbrechern geholfen, der Justiz zu entkommen.

Unterstützung erhielt die Petition am Wochenende von Felix Klein, der als Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung fungiert. Klein sagte in einem Interview mit der Zeitung "Welt" am vergangenen Samstag:

"Er [Pacelli] schwieg zum Holocaust und zum Mord an den Sinti und Roma, von denen viele dem katholischen Glauben angehörten, oder protestierte zumindest nicht vernehmlich."

Die Diskussion über die Umbenennung biete die Gelegenheit, über das Verhalten der Katholischen Kirche im Zweiten Weltkrieg und die Aufarbeitung nach 1945 eine breitere Debatte zu führen, so Klein.

Historiker: Golda Meir dankbar für das Engagement Pius' XII.


Der Historiker Ulrich Nersinger bezeichnet den Vorschlag der Petition, die Pacellialle in Golda-Meir-Allee umzubennen, als "geradezu kurios".

Gegenüber CNA Deutsch sagte der Autor am Mittwoch: "Golda Meir hat als eine der ersten Lobeshymnen auf Pacelli geschrieben."

Nersinger verwies dabei auf die Reaktion der damaligen israelischen Ministerpräsidentin, die bei einer Versammlung der Vereinten Nationen auf die Nachricht vom Tod Pius XXI. wie folgt reagierte:

"We share the grief of the world over the death of His Holiness Pius XII. During a generation of wars and dissensions, he affirmed the high ideals of peace and compassion. During the ten years of Nazi terror, when our people went through the horrors of martyrdom, the Pope raised his voice to condemn the persecutors and to commiserate with their victims. The life of our time has been enriched by a voice which expressed the great moral truths above the tumults of daily conflicts. We grieve over the loss of a great defender of peace."

- "Wir teilen die Trauer der Welt über den Tod Seiner Heiligkeit Pius XII.. Während einer Generation von Kriegen und Meinungsverschiedenheiten bekräftigte er die hohen Ideale des Friedens und des Mitgefühls. Während der zehn Jahre des Naziterrors, als unser Volk die Schrecken des Martyriums erlebte, erhob der Papst seine Stimme, um die Verfolger zu verurteilen und mit ihren Opfern Mitleid zu haben. Das Leben unserer Zeit ist durch eine Stimme bereichert worden, die die großen moralischen Wahrheiten über den Tumulten der täglichen Konflikte zum Ausdruck brachte. Wir trauern über den Verlust eines großen Verteidigers des Friedens."

Auch andere Repräsentanten des Judentums lobten den Einsatz des Papstes für die verfolgten Juden. Nahum Goldmann, der von 1949 bis 1978 Präsident des Jüdischen Weltkongresses war, schrieb damals in seinem Kondolenzbrief:

(Die Geschichte geht unten weiter)

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"Mit besonderer Dankbarkeit gedenken wir all dessen, was er [Pius XII. ]für die verfolgten Juden in einer der dunkelsten Perioden ihrer Geschichte getan hat."

Überliefert sind auch die Dankesworte von Israel Zolli, der als Großrabbiner der jüdischen Gemeinde in Rom von der Direkthilfe des Pacelli-Papstes profitierte. Zolli sowie weitere Mitglieder seiner Gemeinde wurden während der deutschen Besatzung Roms nach seiner Intervention beim Papst in Klöstern versteckt. Zolli sagte später:

"What the Vatican did will be indelibly and eternally engraved in our hearts (...) Priests and even high prelates did things that will forever be an honor to Catholicism."

- "Was der Vatikan getan hat, wird unauslöschlich und ewig in unsere Herzen eingraviert sein (...) Priester und sogar hohe Prälaten taten Dinge, die für immer eine Ehre für den Katholizismus sein werden."

Am 13. Februar 1945 konvertierte der Großrabbiner schließlich zur Katholischen Kirche und nahm aus Dankbarkeit den Taufnamen "Eugenio Pio" an.

Apostolische Nuntiatur in Berlin: Vorwürfe "schlicht unseriös"


Unterdessen hat die diplomatische Vertretung des Vatikan in Deutschland, die Apostolische Nuntiatur in Berlin, die Vorwürfe gegen Pacelli als "schlicht unseriös" zurückgewiesen und die Forderung nach einer Umbenennung der Straße kritisiert. Die Vorwürfe, Pacelli habe als damaliger Kardinalstaatssekretär durch die Unterzeichnung des Reichskonkordats Hitler einen "ersten außenpolitischen Erfolg" beschert und zur Deportation von Juden in Italien geschwiegen sowie Fluchtversuche von NS-Kriegsverbrechern unterstützt, seien "hinlänglich bekannt" und würden "schon lange Züge einer Kampagne tragen", so eine Antwort der Nuntiatur gegenüber der katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost".

Im Zweiten Weltkrieg habe Pacelli "alles, was ihm möglich war, getan, um Leid und Not von Menschen zu lindern, ohne Ansehen von Person, Herkunft oder Religion, und um zum Frieden zu bewegen." Dies könne zu belegt werden und gehöre zum Stand der Geschichtsforschung. 

Auch um die Stadt Berlin habe sich der Papst verdient gemacht. Nachdem die damalige Reichshauptstadt durch die Angriffe der Alliierten zerstört worden sei, habe Pius XII. den Berliner Bischof, Konrad Graf von Preysing, am 18. Februar 1946 zum Kardinal erhoben. Damit habe er dessen Wirken im Widerstand gegen die nationalsozialistische Ideologie geehrt, zitiert die "Tagespost" die Antwort der Apostolischen Nuntiatur. "Es ist daher recht und billig, wenn gerade in Berlin eine Straße den Namen von Eugenio Pacelli trägt."

Bislang geheime Vatikan-Archive geöffnet


Papst Franziskus
hatte im März 2019 angeordnet, dass Forscher Zugang zu den Dokumenten des Vatikanischen Geheimarchivs bekommen, die sich auf das Pontifikat von Pius XII. beziehen. Seit dem 2. März 2020 stehen die Dokumente den Wissenschaftlern zur Verfügung stehen.

Papst Franziskus begründete diesen Schritt damit, dass die Kirche "keine Angst vor der Geschichte" habe. Der Pontifex wörtlich:

"Das Jahrhundert war erschüttert und zerrissen durch den Weltkrieg mit dem darauf folgenden Zeitraum der Neuordnung der Nationen und dem Nachkriegsaufbau. Die Gestalt von Pius XII. ist bereits in vielen ihrer Aspekte untersucht, diskutiert und sogar kritisiert sorgen – man kann sagen, mit einigen Vorurteilen oder Übertreibungen."

Die Historikerin Suzanne Brown-Fleming, die als Forscherin am United States Holocaust Memorial Museum arbeitet, erhofft sich von der Öffnung der Archive ein umfassenderes und transparenteres Bild des Papstes. Gegenüber CNA sagte sie:

"Es besteht die große Frage, ob Pius XII. befohlen hat, römische Juden zu verstecken. Viele Juden wurden versteckt, auch auf dem Gelände des Vatikan. Hat er das angeordnet? Wusste er davon und hat gesagt: Das ist keine gute Idee, weil es den Vatikan in Gefahr bringt? Hat er gesagt: Ja, bitte macht das, und rettet, wen ihr nur könnt?"

Es sei belegt, dass damals viele Juden von katholischen Familien in Italien und in Frankreich gerettet wurden, so Brown-Fleming. Gegenüber CNA betonte sie, sie habe die Hoffnung, dass ihre Arbeit in den Archiven die Gründe dafür enthüllen werde, warum diese Familien ihr Leben riskiert haben, um die Menschen zu retten: "War es wegen der Nachrichten des Papstes oder war es spontan?"

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