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Analyse: Das Finanzwesen des Vatikans steht an einem Scheideweg

Lichtstrahl im Petersdom

Dieser Bericht über die Situation des Finanzwesens im Vatikan wird mit Spannung erwartet, vor allem die Frage, wie die eigene Justiz die Vorwürfe von Korruption, Geldwäsche, Erpressungsversuchen und mehr prüft: Am 26. April erscheint der neueste Bericht von Moneyval.

Das teilte der Europarat bereits mit Ankündigung der Evaluation am 12. Oktober 2020 mit. 

Moneyval ist der Expertenausschusses des Europarates für die Bewertung von Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Das Gremium, dem auch Deutschland angehört, prüft, ob und wie es Papst Franziskus und seiner Kurie endlich gelingt, die dubiosen Vorgänge im Vatikan in Finanzfragen durch internationale Standards der Rechenschaft und Transparenz zu klären. 

Der Moneyval-Bericht soll zeigen, ob der neue Kurs, den Papst Franziskus den vatikanischen Finanzen gegeben hat, wirksam und international anerkannt ist, oder nicht, stellt der Vatikanist Andrea Gagliarducci in einer Analyse am 19. April fest.

Überwältigt vom Skandal um die Investition des Staatssekretariats in eine Luxusimmobilie im Zentrum Londons, hat Papst Franziskus versucht, die vatikanischen Finanzen neu auzubauen, schreibt Gagliarducci, der feststellt, dass zwar die Zuständigkeiten tatsächlich zum Teil neu geregelt sind: Das Staatssekretariat kann – wie CNA Deutsch ausführlich berichtete – mittlerweile nicht einmal mehr seine eigenen Mittel verwalten. Doch sowohl der Fall des Staatssekretariates als auch des Finanzwesens insgesamt wirft mehrere Fragen auf.

Angebliche Epressung von Prälaten 

Ohne auf die teilweise abstoßenden Details einzugehen – vor der britischen Justiz hat ein Zeuge und Beteiligter laut Recherchen des "Pillarcatholic" darüber gesprochen, wie italienische Prälaten erpresst und Prostitutierte als "Belohnung" angeboten worden sein sollen: Es ist wichtig, betont Andrea Gagliarducci, die fraglichen Finanzoperationen im Staatssekretariat im Überblick zu rekonstruieren, die zu der aktuellen Situation geführt haben.

Das Staatssekretariat hatte im Jahr 2018 aus nicht ganz geklärten Gründen beschlossen, mittels italienischer "Geschäftsmänner" in einen Luxuspalast in London zu investieren. Zwei "Makler" lösten sich gegenseitig bei der lukrativen "Verwaltung" der Investition ab, bis der Heilige Stuhl, offenbar um weitere peinliche Verluste zu vermeiden, entschied, selber die Immobilie zu übernehmen. Aber nicht einmal das konnte sich das Staatssekretariat leisten – und versuchte daraufhin, sich Geld andernorts zu leihen, um die italienischen "Geschäftsmänner" zu bezahlen.

Aus diesem Grund bat nach bisherigen Erkenntnissen dann das Staatssekretarait des Vatikans das vatikan-eigene "Istituto per le Opere di Religione" (IOR) um ein Darlehen. Und damit flog zumindest ein Teil des ganzen Deals auf, woraufhin ein vom Papst angeordnetes Schnellverfahren eingeleitet wurde, das zu Durchsuchungen im Staatssekretariat und in der Finanzaufsichtsbehörde sowie zur Suspendierung von fünf Vatikan-Mitarbeitern führte, zu denen später ein weiterer hinzukam.

An diesem Punkt ging Papst Franziskus dazu über, die Führung der vatikanischen Finanzen tiefgreifend zu verändern: Tommaso Di Ruzza, Direktor der Finanzaufsichtsbehörde, wurde durch Giuseppe Schlitzer ersetzt; vor ihm wurde der einst als "Ausmister" bei der AIF angetretene Schweizer René Brülhart durch den Italiener Carmelo Barbagallo ersetzt. Dann wurde beschlossen, dass das Staatssekretariat keine Gelder mehr verwaltet.

Wer verwaltet denn nun die Finanzen des Vatikans? Nun, zunächst einmal das Sekretariat für Wirtschaft. Das 2014 von Kardinal George Pell eingerichtete Amt hat nun mit seinem Ordensbruder, Pater Juan Antonio Guerrero Alves, einen amtierenden Präfekten. Zusammen mit einem Jugendfreund des Papstes hat der Jesuit den Haushalt des Heiligen Stuhls für das vergangene Jahr und auch den für das nächste Jahr zu erwartende Haushalt vorgestellt. Er war in den vatikanischen Medien präsent, um die Bedeutung dessen zu erklären, was er als "Missionsbudget" bezeichnete: Es geht darum, den Menschen zu helfen. Er wies darauf hin, dass das bereits für das nächste Jahr prognostizierte Minus im Haushalt (es ist eine Krise für alle, auch für den Vatikan) zum Teil durch 30 Millionen aus dem Obolus von St. Peter gedeckt wird, von den 47 Millionen, die für die Kollekte vorgesehen sind.

Das Sekretariat für die Wirtschaft hat also jene Kontroll- und Lenkungsfunktion übernommen, die es den vatikanischen Finanzen ermöglichen soll, ihre Verwaltung zu verbessern und das Risiko von "Fehlern" zu minimieren, bei denen italienische "Geschäftsmänner" und Personen im Staatssekretariat sich und ihre Familien oder anderen Angehörigen bereichern.

Eine Zentralbank mit großen Fragezeichen

Die Güterverwaltung des des Apostolischen Stuhls (APSA) soll zunehmend zu einer Art "Zentralbank" werden und die Aufgabe wahrnehmen, Investitionen zentral zu kontrollieren, erklärt Gagliarducci.

Bis heute ist jedoch die einzige Instanz, von der er auf päpstlichen Beschluss hin die Verwaltung von Geldern erhalten hat, genau das in den Skandal verwickelte Staatssekretariat. Wann wird der Transfer von Geldern und Investitionen etw aus der Kongregation für die Evangelisierung der Völker stattfinden?

Die Frage ist, ob die nun zuständige Instanz, die Güterverwaltung APSA, dieser Aufgabe gewachsen ist in den Augen ihrer kritischen Beobachter: In der APSA hat der Papst bekanntlich auch den des sexuellen Missbrauchs junger Männer und finanzieller Misswirtschaft beschuldigten Landsmann, Monsignore Gustavo Zanchetta untergebracht, nachdem dieser als Bischof in Argentinien wegen schwerer Vorwürfe abgetaucht war

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Die Finanzaufsichtsbehörde des Vatikans, die jetzt als "ASIF" statt "AIF" auftritt und stärkere Befugnisse hat, will die Probleme und Reformen angepackt haben, so Gagliarducci. Aber deren Autonomie, im Verhältnis zu der Autonomie der zu beaufsichtigenden Gremien und Institutionen, etwa das "IOR", ist dabei ein Hindernis. Ebenso wie die das ohnehin niedrige Vertrauen internationaler Partner und Behörden, deren Vertrauen nicht nur angesichts der Skandale um Personalien und brodelnder Korruptionsvorwürfe im Vatikan alles andere als gewachsen ist:  Auch der Haushalt des Zwergstaats ist in der Bredouille. 

Die Pandemie hat die Kassen des Vatikans ebenso stark belastet wie die anderen Probleme des Heiligen Stuhls – und sogar Gehaltskürzungen zur Folge, wie CNA Deutsch berichtete. Die 4.000 Mitarbeiter am Heiligen Stuhl sind persönlich davon betroffen, dass der Vatikan ein Minus über 60 Millionen Dollar im Jahr 2021 erwartet. 

Beobachter weisen zudem daraufhin, dass die Unterstützung aus dem reichen Amerika nach den Skandalen um den Umgang mit Spenden unter Papst Franziskus eingetrocknet ist – und die Gelder aus dem bislang kirchensteuersatten Episkopat in Deutschland auch nicht mehr selbstverständlich sind.

Es sind diese Details, die zeigen, dass das vatikanische Finanzsystem zur Zeit keine klare Richtung hat. Es gab einen rechtlichen Rahmen, der aus der Zeit Benedikts XVI. übernommen worden war und der eine gewisse internationale Rücksichtnahme garantiert hatte. Dieser Rahmen wird nun durch eine Reihe von Entscheidungen untergraben, die scheinbar unzusammenhängend sind und die dann angepasst werden müssen, warnt Gagliarducci.

Das zeigt sich nicht nur in Fragen der Finanzwirtschaft, betont der Vatikanist. Er verweist auf die Justizaffären, die den Heiligen Stuhl in den letzten anderthalb Jahren beschäftigt haben. Auch hier gelte: "Wenn man sich die Fakten ansieht, gibt es mehr Fragen als Antworten".

Das gilt ausgerechnet auch für die Ermittlungen der Korruptionsskandale. So hat der Vatikan zwei Maßnahmen wieder aufgehoben, die wesentlicher Teil der Ermittlungen waren: Der Haftbefehl gegen Cecilia Marogna; und das Einfrieren einiger Vermögenswerte von Fabrizio Tirabassi, einer mutmaßlichen Schlüsselperson des Londoner Deals.

Deshalb wird das Urteil von Moneyval mit Spannung erwartet. Diesmal wird er sich auf die Effektivität des Justizsystems konzentrieren, also darauf, wie viele Prozesse aus Verdachtsmeldungen entstehen. Den Heiligen Stuhl wird Roberto Zannotti, vatikanischer Promotor der Justiz, vertreten. Im Bericht für das Jahr 2017 – hier das volle Dokument – bezeichnete Moneyval die Ergebnisse der Gerichtsbarkeit des Vatikans als "bescheiden". Wie wird die Leistung des Heiligen Stuhls in dieser Hinsicht diesmal beurteilt werden?

Das Problem sind in dieser Hinsicht nicht nur die Finanzskandale des Vatikans. Es geht vielmehr um die Notwendigkeit, eine gültige Rechtsordnung zu schaffen, die der Besonderheit des Heiligen Stuhls gerecht wird. Das vatikanische Finanzwesen steht – wie die Kirche in vielen anderen Fragen – an einem Scheideweg.

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