Der offene Brief der Initiative Maria 1.0 an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), den Limburger Bischof Georg Bätzing, hat Mitte August für Furore gesorgt. Mit Blick auf die Äußerungen der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, zum Thema Abtreibung hieß es in dem Brief: "Exzellenz, wir bitten Sie und Ihre Mitbrüder im Bischofsamt, die alle bei ihrer Weihe versprochen haben, das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut der Kirche rein und unverkürzt wiederzugeben, die Zusammenarbeit mit Frau Dr. Stetter-Karp zu beenden, sofern diese nicht nachhaltig bereit ist, ihre Haltung öffentlich zu revidieren und zur Lehre der Kirche über den Schutz ungeborenen Lebens zurückzukehren."

CNA Deutsch sprach mit Clara Steinbrecher, der Leiterin von Maria 1.0, über den offenen Brief, der inzwischen tausendfach unterschrieben wurde, sowie über die anhaltende Kritik der Initiative am "Synodalen Weg".

Sie begleiten den "Synodalen Weg" von Anfang an kritisch. Zu vielen dort behandelten Fragen könnte man offene Briefe schreiben. Für Sie gab aber gerade das Thema Lebensrecht den Ausschlag. Warum?

Der Synodale Weg wird von Anfang an durch unsere Vertreterin Dorothea Schmidt als Mitglied der Synodalversammlung hautnah begleitet; aber auch unsere Social Media-Redaktion ist immer auf Höhe der Geschehnisse. Darüber hinaus haben wir uns in der Vergangenheit zu verschiedenen Einzelthemen geäußert.

Nach den Einlassungen von Frau Dr. Stetter-Karp war ein Punkt erreicht, an dem wir nicht anders handeln konnten, als an die Öffentlichkeit zu gehen. Das Thema Lebensschutz ist nicht nebensächlich, sondern es dreht sich hierbei um das höchste Gut: das Leben. Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben und das beginnt bekanntlich im Augenblick der Zeugung. Gerade das ungeborene Leben bedarf eines besonderen Schutzes. Vor allem nach dem jüngsten Ereignis der Aufhebung des §219a: die Aufhebung des Werbeverbots für Abtreibungen.

Wir Katholiken haben die Pflicht, das ungeborene Leben zu schützen und zu verteidigen, da der Mensch ein Abbild Gottes und ihm somit ähnlich ist (vgl. KKK 1700; Gen 1,27). Vor diesem Hintergrund ist es für uns so unfassbar wie inakzeptabel, dass die höchste Repräsentantin der katholischen Laien und Co-Präsidentin des Synodalen Weges das Recht auf Leben der schutzbedürftigsten Menschen unter den Selbstbestimmungsvorbehalt der Frau stellt und die flächendeckende Bereitstellung von Abtreibungsmöglichkeiten fordert. Diese Position ist für einen Katholiken keine Option und steht im Widerspruch zur geltenden Kirchenlehre. Das sieht übrigens auch die Deutsche Bischofskonferenz so, wie sie durch ihren Pressesprecher als Reaktion auf Frau Dr. Stetter-Karp erklären ließ und nochmals in ihrem ansonsten erschreckend nichtssagenden Antwortschreiben auf unseren offenen Brief betont hat. Umso mehr verwundert daher, dass Bischof Dr. Bätzing offensichtlich kein Problem damit hat, die Zukunft der katholischen Kirche an der Seite einer Frau gestalten zu wollen, die in einem der zentralsten Punkte unseres Glaubens die Lehre der Kirche nicht mehr teilt. Wir meinen, wer dazu schweigt, macht sich mitschuldig!

Inwiefern hängt das Thema Lebensrecht mit dem "Synodalen Weg" zusammen? Direkt behandelt wird es dort scheinbar nicht, zumindest hört man darüber nichts in den Medien.

Das Thema Lebensrecht wird nicht weiter behandelt. Jedoch bezieht man die Begrifflichkeit des Lebensschutzes auf den Machtmissbrauch, den Zölibat, die Sexualmoral der Kirche und die Rolle der Frau. Weiter wurde 2019 eine Arbeitsgruppe für den Lebensschutz eingerichtet, von der man bis heute allerdings wenig gehört hat. Bedenkt man, dass 2021 94.600 Tötungen am ungeborenen Leben vorgenommen wurden, dann wird im Rahmen des Synodalen Weges eindeutig zu wenig über das Thema Lebensrecht/Lebensschutz gesprochen. Dabei könnte besonders das Synodalforum IV "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft" näher darauf eingehen, statt zu glauben, man könne mittels basisdemokratischer Mehrheitsentscheide die Kirchenlehre verändern.

Viele katholische Initiativen formulieren offene Briefe relativ vorsichtig. Sie sind stattdessen ziemlich direkt und forsch. Versprechen Sie von einem solchen Stil mehr Erfolg?

Genug ist genug. In den letzten Jahren und Monaten haben Papst, Bischöfe und sogar ganze Bischofskonferenzen aus aller Welt an Bischof Dr. Bätzing geschrieben, um in brüderlicher Nächstenliebe zu mahnen, dass er sich mit verschiedenen seiner Positionen auf einem Irrweg befindet und die Einheit der Kirche gefährdet. Dazu nochmal eine kleine Übersicht, damit es nicht in Vergessenheit gerät:

Die zum Teil deutlich indignierten Antworten von Bischof Dr. Bätzing laufen im Wesentlichen auf ein Abstreiten und Abwiegeln der vorgebrachten Kritiken hinaus. Begründet wird alles mit den Ergebnissen der MHG-Studie, wodurch der entsetzliche Missbrauch nun selbst zur Durchsetzung lange gehegter kirchenpolitischer Forderungen bestimmter deutscher Kirchenkreise genutzt oder besser gesagt missbraucht wird. Nach den unerträglichen Äußerungen von Dr. Stetter-Karp und der knappen Wortmeldung durch den Pressesprecher der DBK war uns wie vielen anderen Gläubigen aus allen Bereichen des katholischen Spektrums im deutschsprachigen Raum klar, dass wir diesmal nicht tatenlos zuschauen werden, wie auch die Causa Stetter-Karp seitens der Deutschen Bischofskonferenz ausgesessen wird. Unsere Wortwahl ist dementsprechend deutlich, geradlinig und katholisch – gemessen an den Worten, die der Heilige Vater zum Thema Abtreibung findet, noch geradezu mild. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass die Forderungen von Frau Dr. Stetter-Karp eine moralische Bankrotterklärung der ZdK-Spitze darstellt, da diese wie auch das Präsidium des Synodalen Weges bis heute schweigt und sich nicht von ihrer Präsidentin distanziert.

Leider scheint bei den Verantwortlichen in DBK, ZdK und Präsidium des Synodalen Weges die Angst vor dem Verlust von Sympathiepunkten beim ZdK, im synodalen Lager und Teilen der deutschen Presse sowie vor einem Bröckeln der gemeinsamen Front gegen Rom größer zu sein, als die einzig mögliche Konsequenz zu ziehen und die Zusammenarbeit mit Frau Dr. Stetter-Karp umgehend zu beenden. Genau dazu fordert unser offener Brief Bischof Dr. Bätzing stellvertretend für die DBK auf, sofern Frau Dr. Stetter-Karp ihre Position als Donum Vitae-Aktivistin nicht öffentlich widerruft und zur Lehre der Kirche über den Schutz des ungeborenen Lebens zurückkehrt.

Auch wenn sich einzelne Bischöfe gegen Dr. Stetter-Karps Aussage gewandt haben, so schweigt die Mehrheit des deutschen Episkopats, vor allem aber Bischof Dr. Bätzing selbst auch weiterhin. Er tritt weiter an der Seite seiner Co-Präsidentin auf, so als handele es sich bei ihrer Relativierung des Lebensrechts ungeborener Kinder um eine legitime Meinungsverschiedenheit, über die man zur Tagesordnung übergehen kann. Noch einmal: Wer hier schweigt, macht sich mitschuldig! Jeder Bischof ist durch sein Weiheversprechen verpflichtet, das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut der Kirche rein und unverkürzt wiederzugeben. Angst, Bedenken oder gar das Schielen nach der Zustimmung bestimmter kirchlicher Kreise dürfen hier keine Rolle spielen!

Sie bezeichnen den Brief als forsch und direkt, wir würden sagen: Sorgenvoll, notwendig und dem Ernst der Lage angemessen. Jetzt ist es an den Bischöfen aufzubegehren und der Wahrheit ihren Weg zu bahnen!

Bald nach Veröffentlichung des offenen Briefs konnten Sie Hunderte weitere Unterzeichner finden – inzwischen sind es Tausende. Beim "Synodalen Weg" sind Stimmen wie diese aber kaum zu hören. Sind Sie nun eine schweigende Mehrheit oder eine lautstarke Minderheit?

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Die Anzahl der Personen, die sich überhaupt mit dem Synodalen Weg auseinandersetzen, sind durch die Bank marginal. Kaum einer der 20 Millionen Kirchensteuerzahler nimmt sich die Zeit, die Texte des synodalen Weges zu lesen oder die Sitzungen im Livestream zu verfolgen. Um ehrlich zu sein, wissen die meisten gar nicht, was der Synodale Weg überhaupt ist oder was für einen Zweck dieser hat. Die Ergebnisse und fertigen Textbausteine werden selbst in den Kirchengemeinden kaum bis gar nicht wahrgenommen – und das sind Orte, die viele dieser genannten 20 Millionen seit Jahren nicht mehr von innen gesehen haben. Das heißt, dass selbst bei den praktizierenden Katholiken kaum ein Interesse am Synodalen Weg auszumachen ist. Die Diskussion rund um den Synodalen Weg wirkt wie ein akademischer Binnenmonolog, der im Stile einer Vortragsreihe den Hörern präsentiert wird. Dies hat man am deutlichsten bei den Zuschauerzahlen des professionellen Livestreams der DBK sehen können: Die Zahlen schwankten bei der letzten Synodalversammlung zwischen 700 und 3000 Live-Zuschauern. Wenn hier also die Frage nach Minderheiten oder Mehrheiten gestellt wird, so würden wir wie folgt antworten: Die Befürworter des Synodalen Weges werden am Ende des Tages nicht mehr Leute an der Basis hinter sich vereinen können als die Kritiker des Synodalen Weges. Beide Gruppen sind aber relativ klein, da die Situation rund um den deutschen Synodalen Weg sich so kompliziert darstellt, dass selbst interessierte Laien nicht verstehen, was und wie der Synodale Weg agiert und funktioniert. Die Gruppen, die sich also aktiv zu Wort melden, könnte man als synodale Experten bezeichnen, da sie sich zu den dort besprochenen Themen äußern und sich eine Meinung gebildet haben.

Es ist wichtig, sich dieses immer wieder vor Augen zu führen, da seitens DBK, ZdK, bestimmter Vertreter des deutschen Verbandskatholizismus und einer kleinen Handvoll deutscher Theologieprofessoren alles versucht wird, es mit entsprechender medialer Unterstützung so darzustellen, als seien die bereits beschlossenen sowie die derzeit diskutierten weiteren Beschlussvorlagen des Synodalen Weges die zusammengefassten Sehnsüchte einer Mehrheit der deutschen Katholiken.

Vielmehr gilt: Viele der praktizierenden Gläubigen in unserem Land äußern sich gar nicht, oft weil sie aus den unterschiedlichsten Gründen nicht im Bilde sind, was die Ziele des Synodalen Weges sind oder weil sie keinen Bedarf sehen, sich mit diesem Weg auseinanderzusetzen und lieber den Glauben "einfach leben" möchten. Würden mehr Menschen wissen, dass der synodale Weg grundlegende kirchliche Wahrheiten in puncto Hierarchie, Moral und Lehre angreift und diese zu überwinden sucht, wäre der Widerstand gegen den deutschen Synodalen Weg weitaus größer.

Unser Ziel war es einerseits zu informieren, andererseits dem stillen Schrei der treuen Katholiken zur einen, wahren, apostolischen und allgemeinen Kirche wahrzunehmen und ihnen Gehör zu verschaffen, indem sie die Möglichkeit haben diesen offenen Brief zu unterzeichnen. Gerade bei der Unterzeichnung des Briefes sieht man deutlich, dass aus allen Bereichen des katholischen Lebens ein reges Interesse besteht.

Sie haben angekündigt, den offenen Brief auch an die Diözesanbischöfe zu schicken. Was erwarten Sie von diesem Schritt?

Wir erwarten vor allem die Unterstützung der Bischöfe, für uns zu beten und auch ermutigende Worte zu sprechen. Dass sie ihrer Aufgabe als Diözesanbischöfe gerecht werden und klare Worte finden, das Evangelium und die Wahrheit zu verteidigen – auch wenn das durch den gesellschaftlichen Druck nicht immer einfach erscheint. Jesus sagt aber schon (Joh 15,18f): "Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt." Jeder Geweihte hat eine besondere Berufung von Gott erhalten, indem er in persona Christi capitis handeln darf. Wir hoffen, dass sie sich dieser Berufung bewusst sind und uns in unserer Not als Laien unterstützen.

Die nächste Synodalversammlung beim "Synodalen Weg" steht im September an, mit Abstimmungen zu wichtigen Themen. Worauf schauen Sie diesmal besonders?

Viele der schon gefassten Beschlüsse und die Beschlussvorlagen für die anstehende Synodalversammlung im September sind äußerst problematisch und stehen mit der Lehre der Kirche in Widerspruch. Die Erklärung des Heiligen Stuhls vom 21.07.2022 identifiziert die aktuelle Schieflage sehr genau und stellt daher fest: "Der 'Synodale Weg' in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten." Es ist also nicht die Initiative Maria 1.0, die exklusiv Sorgen hat, sondern wir rufen und mahnen gemeinsam mit dem Papst und vielen Bischöfen aus der Weltkirche! Besonders schauen wir in der kommenden Versammlung auf das Verhalten unserer Bischöfe und hoffen auf deutliche Wortbeiträge von ihrer Seite, in denen sie sich klar zur kirchlichen Lehre positionieren.