10. September 2018
Eine Freundin von mir ist Ärztin und vermeidet es auf Partys fremden Leuten von ihrem Beruf zu erzählen. Sollte sie sich doch mal verplappern, wartet auf sie eine spontane Sprechstunde mit Knübbelchen, roten Flecken und undefinierbaren Schmerzen, die man immer schon hatte, aber nie dazu gekommen war, einem Arzt davon zu berichten. Nun ist die Gelegenheit gekommen, schnell verbreitet sich die frohe Kunde unter den anderen Gästen. Meine Freundin kommt aus der Nummer nicht mehr raus und erklärt jedem einzelnen freundlich, dass er das Ende der Party auch mit dem Knübbelchen sicher noch erleben wird und auch die Kanutour am Wochenende bedenkenlos antreten kann.
Ähnlich verhält es sich mit uns Katholiken. Es ist nicht nötig zu sagen, man habe Theologie studiert, es reicht völlig durch blicken zu lassen, man ist der Kirche gegenüber nicht ganz abgeneigt und KATHOLISCH. Das ist das Stichwort, um endlich mit einer vermeintlichen Person vom Fach über alle wichtigen Themen wie Hexenverbrennung, Inquisition und Homophobie zu sprechen. Da steht man dann mit einem Sektchen in der Hand und wird mit einer Mischung aus Mythen, Unwissenheit, Klischees, vollkommener Ahnungslosigkeit und gefährlichem Halbwissen bombardiert und wehe man hat nicht gleich eine Erklärung parat, das wird dann schnell als Triumph gewertet und "schwupps" wird die ganze katholische Identität in Frage gestellt.
Aktuell wird dann der bunte Themensalat noch mit dem Thema "Missbrauch" garniert. "Hast du schon von dem Missbrauchskandal gehört?". Wäre dieses Thema nicht so ernst und so überhaupt nicht lustig, würde ich dann gerne überrascht tun und antworten: "Nein, noch nirgendwo gehört, erzähl…" Aber, wie gesagt, bei diesem Thema ist Spaß nicht angebracht. Auf die übrigen Themen reagiere ich meistens mit Buchempfehlungen und mache kurz und knapp deutlich, dass wir uns gerne noch einmal treffen und unterhalten können, wenn er oder sie das Buch gelesen hat. Das schreckt ab, denn so richtig beschäftigen will man sich dann doch nicht mit den Themen.
Ich bleibe dann oft zurück mit vielen Gedanken: Zu meinem Glauben, zur Kirche, zur hierarchischen Ordnung der Kirche, zum Papst, zum Zölibat, zur Priesterausbildung…1001 Gedanken schwirren mir dann durch den Kopf und im gleichen Moment ärgere ich mich darüber, dass ich mich habe anstecken lassen von dem wirren Kauderwelsch.
In meinem letzten Artikel habe ich mir Gedanken gemacht, über die Art von Kirche und Gemeinde, die ich in meiner Kindheit und Jugend kennen gelernt habe und darüber erzählt, wie traurig es mich stimmt, dass Kirche sich verändert hat und ich diese Verwurzelung heute nicht mehr erlebe und ich mich frage, wie ich meine Kinder die Gemeinschaft der Kirche näher bringen kann, wenn sie nicht mehr in Gemeinde erlebbar ist. Meine Gedanken gründen wohl auch auf einem grundsätzlichen Krisenzustand, welcher mich, die Kirche und meinen Glauben bewegt. Ich hätte jetzt gerne einen Seelsorger als Gegenüber, der diese Krise auffängt und eine Gemeinde, die zusammensteht und mich in meinem Glauben bestärkt. Die Frage, die mir auf der Zunge liegt, ist: Darf ich noch katholisch sein?
Kann ich mich einer Kirche zugehörig fühlen, der so viel Schuld aufgeladen wurde?
Ich stelle fest, dass mich diese wirren Gespräche rund um Hexen, Zölibat, Sexualmoral etc. nicht weiter innerlich tangieren, da ich durch Wissen und Glauben eine sachliche Grundlage schaffen kann. Doch der aktuelle Skandal der Kirche erschüttert mich und gibt mir zu denken.
Gerade weil ich aber in einer Kirche als Heimat aufgewachsen bin und ausnahmslos positive Erfahrungen gemacht habe und gleichzeitig erkennen kann, dass der Kirche menschliche Schwäche innewohnt, möchte ich laut und deutlich sagen: Ja, ich bin überzeugt katholisch!
Besonders in Krisenzeiten gilt es die Fahne hoch zu halten und gemäß der Trauformel "in guten wie in bösen Tagen", auch der Kirche überzeugt die Treue zu halten.
Als Patentante habe ich meiner Nichte zur Taufe einen Taufring geschenkt. Dieser symbolisiert den Bund mit Gott, der unendlich währt. Unendlich heißt, es gibt meine Kirche der Kindheit, die mir einige der schönsten Jahre meines Lebens geschenkt hat und es gibt die Kirche, die meine Kinder in einem wunderbaren katholischen Kindergarten groß werden lässt und es gibt die Kirche in der Missbrauch geschehen ist, die mich in meinen Überzeugungen erschüttert. Doch dieser Skandal hebt die anderen Erfahrungen nicht auf, sondern verlangt neben rechtsstaatlicher Aufklärung vor allem nach Gläubigen, die zeigen, dass Kirche ein Ort des Glaubens und der Heimat ist.
(Hebräer, 13,8) Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit.
Das Blog "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" mit Elisabeth Illig erscheint jeden Montag bei CNA Deutsch. Alle bisherigen Blogposts finden Sie hier im Überblick.
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