George Weigel, US-amerikanischer Theologe und einer der führenden katholischen Gelehrten, sucht den Nachfolger von Papst Franziskus. Weigel kennt nicht nur den jetzigen Papst; er kannte auch seine beiden Vorgänger persönlich und ist ihnen oft in persönlichen Gesprächen begegnet. Kritisiert wird keiner von ihnen. Vielmehr stellt er einen "erklärenden Hinweis" voran, und stellt fest, dass diese Päpste "Männer des Zweiten Vatikanischen Konzils" gewesen seien. Der nächste Papst sei dies aber nicht und somit hätte die katholische Kirche "einen kritischen Punkt erreicht".

Darum geht Weigel der Frage nach, welche Eigenschaften der nächste Papst haben müsse, damit er "die ehrfurchtgebietende Verantwortung und große Last des päpstlichen Dienstamtes" tragen könne, um die Kirche in eine neue Epoche zu führen.

Zu Recht bezeichnet Weigel die heutige Zeit der Kirche als unruhig. Über ihr lägen "dunkle Schatten des Skandals". Die Kirche befinde sich nicht mehr in einer "Zeit des Christentums". So begründet Weigel zunächst, warum Papst Johannes XXIII. das Konzil anstreben und eröffnen musste.

In mehreren Kapiteln beschäftigt sich Weigel mit dem nächsten Papst und liefert eine Art "Stellenbeschreibung". Im Kapitel über die Neuevangelisierung, die er als seine erste Aufgabe ansieht, stellt der Autor fest, dass der nächste Papst verstehen müsse, dass die katholische Kirche im Sterben liege oder bereits tot sei, wo sie "sich der Wahrheit der Offenbarung nicht sicher und daher unfähig" sei, "das Evangelium furchtlos zu verkünden". Die Kirche dürfe sich nicht als NGO definieren, weil sich sonst ihre "evangelikalen Arterien verhärten" würden. 

"Die wichtigste Debatte in der katholischen Kirche von heute ist eine Debatte, die 1964 und 1965 während der beiden letzten Sitzungsperioden des II. Vatikanums begonnen und die sich bis heute fortgesetzt habe: die Debatte über die Frage, ob das II. Vatikanum ein Konzil der Kontinuität mit der Offenbarung und der Überlieferung oder ein Konzil des Bruchs und der Diskontinuität gewesen ist, auf dem die Kirche sich im Wesentlichen neu erfunden hat."

Im Kapitel über das Petrusamt fordert Weigel die Männer, die "in der katholischen Kirche zu Priestern oder Bischöfen geweiht werden", auf, "sich ihrer selbst zu entäußern", damit sie "für die Kirche und die Welt ein zweiter Christus" sein können. Für den Papst gilt dies noch mehr als für die anderen.

Weigel nimmt den Begriff der "Synodalität" auf und stellt fest, die katholische Kirche sei nicht "ein globaler Zusammenschluss von Ortskirchen", die einen Anspruch auf ein eigenes Profil hätten. Dies sei nämlich reiner Anglikanismus.

"Das Versagen des 'Katholizismus light‘ tritt seit einiger Zeit offen zutage, und es braucht eine bestimmte Form des Hochmuts – oder schlichtweg der Sturheit –, um den empirischen Tatsachen der gegenwärtigen Situation des Katholizismus nicht ins Auge zu sehen."

Die Ernennung von Bischöfen bezeichnet Weigel als große und wichtige Aufgabe. Der nächste Papst müsse "den Prozess verfeinern", anhand dessen Bischöfe ausgewählt werden. Eine starke Verkündigung des Evangeliums sei vonnöten und dies müssen Bischöfe leisten. Ob Weigel nicht auch deutsche Realitäten vor Augen hat, wenn er beschreibt, wie Bischöfe sich manchmal "wie eine höhere Kaste" einschätzten und auch so verhalten würden; was so weit geht, dass die ihnen genehmen Personen nominierungsfähig positioniert würden?

Es folgen weitere Kapitel etwa über die Priester, über die Laien und zur Reform des Vatikan. Alle jenen, die sich an den Überlegungen, wer der nächste Papst sein soll und welche Fähigkeiten er haben muss, beteiligen wollen, kommen an Weigels "Der nächste Papst" nicht vorbei.

Bei allen Überlegungen steht im Zentrum Christus und sein Evangelium. Darum fordert Weigel:

"Jede echte katholische Reform ist eine Rückkehr zur ursprünglichen »Gestalt« der Kirche, die Christus selbst ihr gegeben hat. Im Zentrum dieser »Gestalt« der Kirche steht der große Missionsauftrag, hinauszugehen und alle Völker zu Jüngern zu machen. [...] Das Petrusamt ist anders als jede andere verantwortungsvolle Position in der Welt. Dieses Amt ist die Quelle jedweder exekutiven, legislativen und judikativen Autorität in der katholischen Kirche. Dennoch ist der Mann, der auf dem Stuhl Petri sitzt, nicht der Herr, sondern der Diener der katholischen Tradition."

In den nächsten Wochen wird ein weiteres Buch mit dem Titel "Der nächste Papst" auf den Buchmarkt kommen, doch zunächst nur auf den englischsprachigen: "Edward Pentin. The Next Pope. The Leading Cardinal Candidates". Der Vatikanist und Autor Pentin, langjähriger Korrespondent des "National Catholic Register" in Rom, stellt darin 19 Kardinäle vor, unter denen er den nächsten Papst sieht. Anders als Weigel gilt Pentin durchaus als Kritiker sowohl des derzeitigen Pontifex als auch des  "Zweiten Vatikanischen Konzils". Doch beide erkennen durchaus, dass es mit einem neuen Papst eine Aufarbeitung des vergangenen Konzils geben muss.

Es gibt unter den Bischöfen bedeutende Kritiker sowohl des Vorgehens von Papst Franziskus wie der Interpretation und Konsequenzen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zu ihnen gehören auch profilierte Personen wie Erzbischof Carlo Maria Viganò und Weihbischof Athanasius Schneider. Manche fordern eine historische und theologische Revision des Zweiten Vatikanischen Konzils. Angesichts dieser Forderungen einerseits und Entwicklungen wie des in Deutschland begonnenen "Synodalen Weges" kann man gespannt sein, wie der nächste Papst mit der Gefahr einer tiefen Spaltung in der katholischen Kirche umgeht – wir leben in einer spannenden Zeit; nicht nur wegen "Corona".

George Weigel, "Der nächste Papst. Das Amt des Petrus und eine missionarische Kirche" ist im Verlag Verlag Media Maria erschienen und hat 160 Seiten.

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