Am 4. und 5. Februar tagen die Mitglieder der Foren des "Synodalen Weges" per Videokonferenz. Der Auftakt des Grundlagentextes wirkt wie ein Nebelhorn, das wir in der Nachkonzilszeit immer wieder gehört haben. Wenn die Rede von Gott ausbleibt und der Glaube verdunstet, dann reden wir lieber über uns selbst oder sagen, auf verständiges Nicken hoffend, vielleicht: "Die Katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise." Die globale Dimension der volltönenden Aussage erhält in den folgenden Kapiteln eine spezifische deutschkatholische Kolorierung. Ein bisschen klingt es auch nach der Marketingstrategie einer erschöpften, alt gewordenen Kirchenpartei: "Wir haben verstanden! … Wir sind auf einem Weg des Lernens …" Wir, wir, wir. Neun Wir-Unterpunkte folgen, immerhin nicht: "Wir sind Kirche." Ein Schlager des Neuen Geistlichen Liedes lautet: "Wir sind gemeinsam unterwegs." Wir wissen zwar nicht ganz genau, wohin die Reise geht – oder doch? Und wer überhaupt ist "Wir"?

Staat und Kirche sollen versöhnt werden, so ist zu lesen, dann folgt das nächste Bekenntnis: "Es geht um die Umkehr und die Erneuerung der Kirche hinsichtlich ihrer Machtordnung."  Der deklamatorische Tonfall bleibt, protestantische Wahrnehmungen treten hinzu: "Inkulturation ist keine Einbahnstraße. Kirche hat immer auch einen prophetisch-kritischen Auftrag ihren gesellschaftlichen Partnern gegenüber." Als aktuelles Beispiel dafür taugt die wachsweiche Stellungnahme der Bischöfe zum "Assistierten Suizid" – wer die Botschaft geschmeidig formuliert, partnerschaftlich und nett, der hat eine "Einbahnstraße" gewählt, diese heißt dann: Sackgasse. 

Die graduell unbestimmten Reflexionen im "Grundlagentext" setzen sich fort: "Die umgebende Gesellschaft kann an vielen Stellen die kirchliche Ordnung von Macht nicht mehr verstehen und nachvollziehen. Ja: Die Kirche steht öffentlich unter dem Verdacht, mit ihrer eigenen Rechtsordnung bestimmte Bevölkerungsanteile zu diskriminieren, demokratische Prozessstandards zu unterlaufen und sich gegenüber kritischen Anfragen an ihre Lehren und Organisationsstrukturen selbst zu immunisieren." Wenn die Kirche mit ihrer Rechtsordnung gegen die Verfassung oder gegen Gesetze verstößt, sollte dann nicht ein Generalverdacht gegen die Institution an sich erhoben werden? Den Schuldspruch ersetzt vielleicht das hier formulierte Schuldbekenntnis. Wieder und wieder – die säkulare Litanei ist nicht neu – werden scheinbare Erkenntnisse präsentiert: "Nicht nur die Zugänge zur Macht, sondern auch die Auswahl und Begleitung derer, denen diese Macht anvertraut wird, bedürfen einer ehrlichen Evaluation und Reform. Kirchenbezogene Machtausübung bedarf zudem einer geklärten Persönlichkeit und geistlicher Reife. Auch dies ist nicht immer im Blick, wenn Ämter übertragen werden. Diese Faktoren begründen, verursachen und fördern den Missbrauch von Macht, der den Sendungsauftrag der Kirche verdunkelt. Gerade weil diese Verdunkelung bis in den institutionellen Kern der Kirche hineinreicht, betrifft sie auch das verkündete und gelebte Gottesbild und damit den innersten Punkt jeder Evangelisierung. Anspruch und Wirklichkeit der Kirche müssen wieder stärker übereinstimmen."

Wenn es eine "ehrliche Evaluation" gibt, dann scheint eine Art Unehrlichkeit zu grassieren. Die "kirchenbezogene Machtausübung" bedürfe einer "geklärten Persönlichkeit" – können Sie, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, diese Begriffe und den zugrunde liegenden Gedanken in die sogenannte "Lebenswirklichkeit" übersetzen? 

Zurück zu einer anderen Frage: Wer ist "Wir"? Überraschenderweise wird das erläutert: "Alle [Gliederungen] beginnen mit dem Subjekt ‚Wir‘. Dieses ‚Wir‘ ist die Synodalversammlung. Sollte diese sich diesen Text zu eigen machen, bekundet sie neunmal ihre Absicht, auf dem Weg der Umkehr und Erneuerung der Kirche voranzugehen." Das "Wir" ist also nicht das "Wir der Kirche", nicht die Weggemeinschaft der Gläubigen aller Zeiten und Orte, sondern nur die Synodalversammlung, die ihre gemeinsamen Absichten bekundet: Wir, wir, wir. Dieses synodale "Wir" erklärt: "Wir haben verstanden, dass man in weiten Teilen der Gesellschaft eine Kirche als unattraktiv und unnütz empfindet, die sich vornehmlich mit sich selbst beschäftigt. Struktur- und Legitimitätsfragen sind zweifellos Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen." Das stimmt: Eine Kirche, die beständig diskursiv um sich selbst kreist, aber die Botschaft, die ihr anvertraut ist, nicht mehr verkündet, ist so unattraktiv und unnütz wie ein Schachklub, in dem der Vorstand über die Satzung streitet, aber das Schachspielen längst eingestellt hat. Weiterhin steht dort: "Kirche soll nah und konkret und orientierend sein. Dies ist die Aufgabe aller Gläubigen. Wir haben verstanden, dass wir daran gemessen werden, wie wir diese Bringschuld einlösen."

Eine "Bringschuld" der Kirche gibt es, das stimmt. Es ist mitnichten der Synodale Weg, sondern die Evangelisierung. Die Autoren des Textes bekennen sich aber zu einer "Reform der kirchlichen Machtordnung". Ob man das auch Reformation nennen darf, was denken Sie? Noch einige Nebelbildungen wären kenntlich zu machen. Sie können das selbst alles nachlesen und bedenken. 

Eine letzte Aussage sei noch genannt: "Katholizität bedeutet für uns: Wir wissen um unseren grundlegenden gemeinsamen Ursprung und um unsere verschiedenen Auslegungen; wir ringen miteinander um die möglichst beste Lösung; wir respektieren unsere Unterschiedlichkeit, auch im Zugang zu Kernüberzeugungen; wir bemühen uns darum, das berechtigte Anliegen in anderen Positionen wahrzunehmen." Von der römisch-katholischen Kirche, von der Stiftung Jesu Christi, ist also nicht die Rede. Das Bekenntnis zur anstößigen Wahrheit des Glaubens wird ersetzt durch eine Apologie von Pluralität und Beliebigkeit. Die "Bringschuld" der Kleriker wie der Weltchristen in der Welt von heute ist die Verkündigung des Evangeliums, durch Lehre, Zeugnis und Beispiel. Das ist nicht immer einfach, das tut manchmal weh – und das Martyrium gehört mit dazu.

Wer sich zu unbestimmten, diffusen Aufbrüchen bekennt, postmodern und geschmeidig, wird bejubelt, und wer zum Credo der Kirche steht, wird für einen Fundamentalisten gehalten. Ich möchte an die bekannte Predigt des damaligen Kardinaldekan Joseph Ratzinger in der "Missa pro eligendo Pontifice" vom 18. April 2005 erinnern: "Wie viele Glaubensmeinungen haben wir in diesen letzten Jahrzehnten kennengelernt, wie viele ideologische Strömungen, wie viele Denkweisen… Das kleine Boot des Denkens vieler Christen ist nicht selten von diesen Wogen zum Schwanken gebracht, von einem Extrem ins andere geworfen worden. … Einen klaren Glauben nach dem Credo der Kirche zu haben, wird oft als Fundamentalismus abgestempelt, wohingegen der Relativismus, das sich »vom Windstoß irgendeiner Lehrmeinung Hin-und-hertreiben-lassen«, als die heutzutage einzige zeitgemäße Haltung erscheint. Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten läßt. Wir haben jedoch ein anderes Maß: den Sohn Gottes, den wahren Menschen. Er ist das Maß des wahren Humanismus. »Erwachsen« ist nicht ein Glaube, der den Wellen der Mode und der letzten Neuheit folgt; erwachsen und reif ist ein Glaube, der tief in der Freundschaft mit Christus verwurzelt ist."

Kardinal Ratzinger weist auf die Herzmitte des christlichen Glaubens hin. Vielleicht spreche ich nur für mich, aber ich bin mir sicher, ich bin nicht allein, darum sage ich: Wir wollen dienen (sehr empfehlenswert dazu: Pater Engelbert Recktenwalds gleichnamiger Podcast). Wir sind dankbar für das Geschenk des Glaubens. Wir lieben die Kirche des Herrn. Wir wollen immer tiefer hineinwachsen in die Freundschaft mit Christus. Wir sind dankbar für die Weggefährten, die uns geschenkt sind, für die Seligen und Heiligen, für unsere Schwestern und Brüder im Glauben, die barmherzig, gütig, sanftmütig und treu mit uns gehen. Wir wünschen uns mutige und glaubensstarke Bischöfe. Wir brauchen Löwen.

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