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Ein mutmaßlicher Spionage-Fall beschäftigt heute den Korruptionsprozess im Vatikan

Die Fassade des Petersdoms

Der Korruptionsprozess im Vatikan nimmt am heutigen Freitag mit einer "Spionagegeschichte" seine Arbeit auf, bei dem führende Mitarbeiter der Kurie unter Papst Franziskus eine Rolle spielen sollen.

In dem durch jahrelange Ermittlungen vorbereiteten Verfahren geht es um den Verdacht einer ganzen Reihe von Verbrechen , darunter Erpressung, Veruntreuung, Betrug, Geldwäsche und Amtsmissbrauch, wie CNA Deutsch berichtete. Heute soll es dagegen um Wanzen und Dossiers des italienischen Geheimdienstes gehen: Die Nachrichtenagentur "AP" meldete am gestrigen Donnerstag, dass laut einer schriftlichen Zeugenaussage einer der Top-Berater von Papst Franziskus sein Büro nach Wanzen durch Mitglieder des italienischen Geheimdienstes durchsuchen ließ.  

Erzbischof Edgar Peña Parra, Nachfolger von Kardinal Angelo Becciu als Sostituto im Staatssekretariat, soll zudem von den Spitzeln des italienischen Geheimdienstes Berichte in Auftrag gegeben haben. Laut Nicole Winfield von AP umging Parra dabei offenbar die Polizei des Vatikans, was grundlegende Fragen über die Innere Sicherheit und Souveränität des Staates Vatikanstadt aufwerfe: Haben ausländische Geheimdienstmitarbeiter im Heiligen Stuhl Abhördienste geleistet, ohne die dafür zuständigen Behörden des Kleinstaates informiert zu haben? 

Erzbischof Peña Parra ist selber keiner Straftat angeklagt worden, seine Untergebenen hingegen schon: Sie gehören zu den 10 Personen, darunter der einst mächtige Kardinal Angelo Becciu.

In dem Prozess, der am Freitag fortgesetzt wird, beschuldigen die Staatsanwälte den langjährigen Vermögensverwalter des Heiligen Stuhls, italienische "Geschäftsmänner" und Anwälte, Millionengeschäfte mit dem Deal um eine Londoner Luxusimmobilie verdient zu haben. 

Die neue Zeugenaussage, über die neben AP auch die italienische Agentur "adnkronos" und die Tageszeitung "Domani" berichteten, ist eine weitere Wendung in der Affäre und unterstreicht die "Hollywood-Ebene" der Intrigen, die den Vatikan plagen und nur selten ans Licht kamen, so Winfield.

Wanzen und Geheimdienst-Arbeit

Einer von Peña Parras ehemaligen Stellvertretern sagte laut diesen Aussagen offenbar den Staatsanwälten, dass Peña Parra ihm im Mai oder Juni 2019, nachdem der Londoner Deal abgeschlossen war, sagte, er wolle eine Sicherheitsüberprüfung seines Büros durchführen, weil er glaube, dass seine privaten Gespräche "nach kurzer Zeit nach außen dringen" würden.

Peña Parra fragte seinen Mitarbeiter, ob er jemanden außerhalb des vatikanischen Sicherheitsapparats kenne, der diese Aufgabe übernehmen könne, und Mauriello sagte, er schlage einen Freund vor, der für den italienischen Auslandsgeheimdienst AISI arbeite. Dieser soll dann eine Durchsuchung vorgenommen haben.

Eine Wanze sei nicht gefunden worden, doch Peña Parra habe dann den Geheimdienst-Agenten um geheime  Dossiers über Schlüsselfiguren gebeten, sagte Mauriello laut "AP" aus. 

Klingt wie in einem Spionage-Film, was da als Zeugenaussage behauptet wird – aber es gibt Zweifel, ob und wieviel daran wirklich stimmt: Die Agentur "Adnkronos" zitierte ungenannte italienische Geheimdienstmitarbeiter, welche diese Zeugenaussage dementieren. 

Dass der Vatikan und Italien in Sicherheitsfragen zusammenarbeiten, ist nicht ungewöhnlich: Die italienische Polizei patrouilliert auf dem Petersplatz, und es gibt eine offizielle Zusammenarbeit zwischen der vatikanischen Gendarmerie und der italienischen Strafverfolgung. Aber gehören dazu auch die mutmaßlichen Spionagetätigkeiten für Peña Parra, deres  am Donnerstag laut "AP" mit Verweis auf den laufenden Prozess ablehnte, sich zu äußern.

Es wäre ist nicht das erste Mal, dass das Staatssekretariat nachrichtendienstliche Tätigkeiten angeblich auslagert: Kardinal Angelo Becciu, der Vorgänger von Peña Parra, steht unter anderem deshalb vor Gericht, weil er eine angebliche "Expertin" beauftragt haben soll, für den Vatikan Geiselverhandlungen zu führen. 

Mittlerweile ermittelt der Vatikan wegen Veruntreuung gegen Cecilia Marogna, die sich selbst als Sicherheitsberaterin bezeichnet. Nun behauptet Marogna, Kardinal Angelo Becciu habe sie gebeten, Dossiers mit belastenden Informationen über Vatikanpersonal zu erstellen,wie CNA Deutsch berichtete.

In einem Interview der italienischen Nachrichtensendung "Report" im Mai 2021 behauptete Marogna, sie sei gebeten worden, ein "dossieraggio" zu erstellen, ein italienischer Neologismus, der eine Akte oder ein Dossier mit vertraulichen Informationen über eine Person beschreibt, insbesondere zum Zweck der Erpressung.

Der Vatikan ermittelt gegen Marogna, seit im vergangenen Jahr Berichte veröffentlicht wurden, denenzufolge sie mit Becciu hunderttausende Euro vom Staatssekretariat erhalten – und für Luxusgüter und Urlaube ausgegeben haben soll.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Marogna gab zu, das Geld erhalten zu haben, bestand aber darauf, dass dies ihr "Lohn" für ihre Arbeit als Sicherheitsberaterin gewesen sei.

Medien haben behauptet, die Zahlungen seien unter der Leitung von Becciu, dem Vorgänger Parras, getätigt wurden. Becciu, der im September 2020 von Papst Franziskus der Rechte und Privilegien eines Kardinals entkleidet wurde, hat wiederholt jedes Fehlverhalten abgestritten.

Hintergrund: Luxus-Immobilie in London


An die Öffentlichkeit gerieten diese Fälle und Vorgänge im Zuge der Ermittlungen der vatikanischen Behörden in ein Immobilien-Geschäft des Staatssekretariates an der Sloane Avenue in London.

CNA Deutsch hatte als eines der ersten Medien bereits im November 2020 berichtet, dass diese in mehrfacher Hinsicht fragwürdige Investition in Höhe von mindestens 200 Millionen Dollar finanziert wurde. 

Woher hatte das Staatssekretariat des Vatikans solche Summen? Wie gingen die italienischen "Geschäftsmänner" damit um, die im – und mit – dem Staatssekretariat solche Gelder hantiert haben sollen? All das sind Fragen, die wie die sprichwörtliche Spitze eines Eisbergs auf weiter Vorgänge im Vatikan verweisen, die nun das Verfahren klären helfen soll.

So wurdn Recherchen zufolge mindestens 200 Millionen Dollar offenbar über Schweizer Banken arrangiert – zusammen mit einer Investition von fast 50 Millionen Dollar im Jahr 2018.

Der mittlerweile auch vor einem britischen Gericht erschienene "Makler" und "Geschäftsmann" Gianluigi Torzi soll nach Recherchen von CNA etwa 10 Millionen Euro an dem Deal verdient haben, bei dem ein weiterer "Geschäftsmann", Raffaele Mincione, dem Staatssekretariat zu einem überhöhten Preis seine Anteile an der Luxus-Immobilie verkaufte – während er gleichzeitig für das Staatssekretariat Anlagen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro verwaltet haben soll. 

Papst Franziskus, der sich zur Korruption in der Kurie im November 2019 geäußert hat, soll Gianluigi Torzi mitsamt seiner Familie am 26. Dezember 2018 in seiner Residenz im Domus Sanctae Marthae zu einer persönlichen Audienz empfangen haben. Zu diesem Zeitpunkt war der Londoner Property Deal in seiner entscheidenden Phase.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin – der Verantwortliche des Staatsekretariates – hat die Vorgänge in seiner Behörde im Oktober 2019 als "unklar" bezeichnet und angekündigt, das Investment weiter zu prüfen.

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