Redaktion, 25 April, 2024 / 10:00 AM
„Father Justin“ mit seinem verpixelten Bart und seinen tiefliegenden digitalen Augen war von Anfang an komisch, im doppelten Sinn des Wortes: Eine Anomalie – ein Vorbote eines Zeitalters, in dem sich Glaube und künstliche Intelligenz in einem unangenehmen Zwiegespräch scheinbar überschneiden.
Durch eine Erfindung der erfolgreichen Apologetik-Plattform Catholic Answers war KI-Pfarrer Justin zum binären Leben erweckt worden, wenn auch nur für kurze Zeit: Ihm wurde kurzerhand der Stecker gezogen, angesichts vehementer Reaktionen und scharfter Kritik auf der Plattform X und in anderen Sozialen Medien, wie Matt McDonald vom National Catholic Register berichtete.
Das Debüt des KI-Geistlichen – gekleidet in der traditionellen schwarzen Soutane und mit einer Kulisse aus simulierten zwitschernden Vögeln – wurde von einer Kakophonie begleitet, die lauter war als jede digitale Vogelschar. Sein Gesichtsausdruck, der eher im „Uncanny Valley“ als in ein Kirchenschiff passte, stieß auf Unbehagen. Der virtuelle Geistliche, dessen Stimme von Algorithmen synthetisiert wurde, wurde von einigen kritisiert, die sich mit seiner körperlosen Präsenz nicht ganz wohlfühlten. Andere wiederum äußerten ihre Bedenken, dass die Verwendung einer priesterlichen Figur als bloßer Avatar nicht angemessen sei – ja, an ein Sakrileg grenzte.
Zwischen synthetisch und sakramental: Ethik, Glaube, Technik
Zur gleichen Zeit hat gestern Chuck Robbins, CEO von Cisco Systems, sein technologisches Großunternehmen mit der Forderung des Vatikans nach einem ethischen Rahmen für KI in Einklang gebracht: In einer Privataudienz bei Papst Franziskus hat Robbins den Römischen Aufruf zur KI-Ethik unterzeichnet und sich verpflichtet, Verantwortung im Bereich der KI zu übernehmen.
Der Präsident von Catholic Answers, Christopher Check, verfasste eine sehr einfühlsame Erklärung für den digitalen Geistlichen, in der er die Absicht betonte, diese KI-Figur mit Autorität und Respekt für den Klerus auszustatten, aber auch die Stimmen der Besorgnis einräumte, die ihn letztendlich zur „Laisierung“ der digitalen Priesterfigur zwang.
Während der virtuelle Priester kurzerhand aus dem Rampenlicht genommen wurde, bleiben die Nachwirkungen seines kurzlebigen Auftritts, darunter die Frage: Wie kann zwischen synthetisch und sakramental unterschieden werden? Wie sind Ethik, Glaube, Technik vereinbar?
Fest steht: Das Interesse ist gewaltig. Donna Barrack, Marketingdirektorin bei Catholic Answers, verbuchte eine Besucher-Flut auf der Plattform. Aber für technophobe Geister war das Experiment ein dystopischer Alptraum: Soll menschliche Seelsorge durch KI-Pendants ersetzt werden? Für Realisten ist die Frage nicht, ob KI-Werkzeuge in der Seelsorge, der Apologetik und anderen Bereichen verwendet werden können, sondern wie.
Das hat auch Chris Costello, Direktor für Informationstechnologie bei Catholic Answers, betont: Letztlich muss ein Mensch entscheiden und verantworten, was den KI-Einsatz und dessen Grenzen betrifft.
Nach dem digitalen Ableben von Pfarrer Justin machen sich Gläubige in allen Lebensbereichen weiter Gedanken darüber, wie künstliche Intelligenz in den heiligen Hallen der Theologie sowie in den profanen Plätzen der Welt eingesetzt werden kann – darunter auch die Redaktion von CNA Deutsch, die seit Kurzem der Verwendung von KI-Mitteln einen eigenen Abschnitt im redaktionsinternen Regelwerk gewidmet hat.
„Es gibt keine schlechten Dinge, nur die schlechte Verwendungen von Dingen“, mahnte schon G.K. Chesterton.
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