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Warum verheiratete Männer nicht den Priestermangel lösen werden

Seminaristen

Das Thema Priestermangel ist akut und die Meinungen dazu so kontrovers wie die Lösungsansätze. Doch was sind die Fakten?

Auch wenn die Lage in einigen deutschen Diözesen besonders dramatisch ist: Tatsächlich fehlt es der Weltkirche in vielen Regionen an Priestern. Wie eine Untersuchung der Georgetown Universität zeigt, ist die Zahl der Kleriker im Verhältnis zur Zahl der Gläubigen gesunken. Anders gesagt: Die Zahl der Katholiken pro Priester steigt.

1985 kamen auf einen Priester in der Weltkirche im Durchschnitt 1.895 Gläubige. Im Jahr 2012 waren es 3.126, so eine Studie von Georgetowns "Zentrum für Angewandte Apostolatsforschung", CARA (Center for Applied Research in the Apostolate). 

Papst Franziskus hat sich zum Priestermangel in seinem Interview mit der "Zeit" geäußert. Was er sagte, wurde weitgehend ignoriert - bis auf einen Punkt: verheiratete Priester. Dieser machte Schlagzeilen.

"Papst Franziskus öffnet ein Fensterchen zur Freiheit", titelte etwa der "Münchner Merkur". "Papst Franziskus bringt frischen Wind in Zölibatsdebatte", meldete der Wiener "Standard".

Nun schlug der Papst natürlich nicht vor, dass Pfarrer Huber von nebenan sich eine Ehefrau suchen sollte. 

Vielmehr sagte Franziskus, er halte eine mögliche Prüfung für sinnvoll, ob viri probati, wörtlich "bewährte Männer", die verheiratet sind, in bestimmten Situationen zum Priester geweiht werden können sollten. Derzeit können solche, meist über 35 Jahre alten Katholiken, unter Umständen zum Diakon geweiht werden, aber nicht zum Priester.

Diese Prüfung einer Möglichkeit war aber nicht die erste Lösung für den Priestermangel, die der Papst vorschlug. Tatsächlich war sie die letzte. Eingangs erwähnte der Papst die Frage nach einer Heiratsmöglichkeit garnicht.

Erst als er spezifisch auf die Frage nach verheirateten Priestern noch einmal angesprochen wurde, sagte der Papst, dass eine Abschaffung des Pflichtzölibats nicht die Lösung sei, aber diskutiert werde.

Warum aber hält eigentlich die Kirche im Westen, trotz des Priestermangels, an der Tradition des Zölibats fest, wenn es denn sogar möglicherweise potentielle weitere Priesteramts-Kandidaten abschreckt? 

Warum ist der Zölibat die Norm in der Kirche? 

Die Grundlagen des Zölibats hat der Priester und Dozent Gary Selin untersucht. Sein Buch "Priestly Celibacy: Theological Foundations" erschien im Jahr 2016. 

Die Diskussion werde oft auf pragmatische Fragen reduziert, so Pater Selin gegenüber CNA: ob verheiratete Priester genug Zeit haben würden, sich der Gemeinde zu widmen, etwa. Doch gehe es auch um die theologischen Fundamente der Tradition.

Einer der Hauptgründe für deren 2.000 Jahre alte Geschichte sei christologisch, so der Geistliche: Sie gehe auf den ersten zölibatären Priester zurück - Jesus.

"Jesus Christus selber hat nie geheiratet, und das Leben unseres Herrn gänzlich nachzuahmen ist etwas sehr attraktives", so Pater Selin zu CNA.

Als Grund für den Zölibat werde Jesus interessanterweise jedoch praktisch nie erwähnt, stellte der Priester fest.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Jesus Christus, der "sein Haus und seine Familie in Nazareth verliess, um als Wanderprediger zu leben", so Pater Selin, habe keine feste Behausung gehabt, und dies auch von sich gesagt, wie Matthäus zu lesen stehe: "der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann" (Mt 8,20).

Christus lobt tatsächlich den zölibatären Weg an mehreren Stellen des Neuen Testaments. In Matthäus 19,11-12 beantwortet er eine Frage seiner Jünger über die Ehe, indem er ihnen sagt, dass jene, die um des Himmelsreiches willen fähig sind, darauf zu verzichten, es tun sollen.

"Von den drei Arten, auf die man unfähig sein kann, sexuell aktiv zu sein, ist nur die dritte freiwillig: 'Eunuchen, die sich zu selber Eunuchen machen'. Diese Menschen tun es 'um des Himmelreichs willen', mit anderen Worten, für das Reich, das Jesus verkündet hat und eingeleitet", erklärte Pater Selin.

Dennoch habe es lange gedauert, bis die "Kultur des Zölibats" in der frühen Kirche Anklang fand.

Christus kam zur Welt in einer jüdischen Kultur und einem Volk, dem seit ihren ersten Eltern, Adam und Eva, gesagt wurde: "Seid fruchtbar und vermehrt euch" (Gen 1,28, 9,7) und dem versprochen wurde, dass ihre Nachkommen zahlreich "wie die Sterne am Himmel" und der "Sand am Meeresstrand" (Gen 22,17) sein würden. Unverheiratet oder kinderlos zu sein war aus praktischen wie religiösen Gründen zu vermeiden, und wurde als Fluch betrachtet, oder zumindest als mangelndes Wohlwollen Gottes.

Auch die Apostel, davon ist auszugehen, waren jüdische Männer, die dieser Kultur entstammten. Vom heiligen Petrus zumindest ist auch bekannt, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt verheiratet gewesen sein muss, denn die Heilige Schrift erwähnt seine Schwiegermutter (Mt 8,14-15)

Nur der Evangelist Johannes werde von den Kirchenvätern als zölibatär lebend betrachtet, was der Grund dafür sei, dass Christus eine besondere Liebe für ihn empfunden habe, sagte Pater Selin. Von den anderen Aposteln gehe man aus, dass sie, gemäß jüdischem Brauch, verheiratet waren, doch freiwillig enthaltsam lebten. Der heilige Apostel Paulus lobt den zölibatären Lebenswandel, den auch er lebte, im ersten Korintherbrief (1 Kor 7,7-8).

Nachdem Heiraten ein so wesentlicher Bestandteil der jüdischen Kultur war, auch für die Apostel, waren viele, aber nicht alle, Kleriker der frühen Kirche verheiratet. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass diese gebeten wurden, nach der Weihe enthaltsam zu leben: Priester, deren Frauen nach der Weihe schwanger wurden, konnten sogar bestraft werden, so Pater Selin. 

Von früh an wurden in der Kirche die Bischöfe aus den Reihen der zölibatär lebenden Priester gewählt. Diese Tradition ist noch älter als der Pflichtzölibat. Bis heute praktizieren dies die katholischen Ostkirchen, von denen die meisten den Priestern die Ehe erlauben, deren Bischöfe aber aus den Reihen zölibatärer Geistlicher kommen.

Nachdem die "Kultur des Zölibats" Fuß gefasst hatte, wurde sie zunehmend auch zur Norm in der Kirche, bis irgendwann verheiratete Männer, welche die Weihe anstrebten, sich an den Papst wenden mussten, um eine Sondererlaubnis zu erhalten.

Im 11. Jahrhundert verfügte der heilige Gregor VII., dass alle Priester zölibatär leben mussten und bat die Bischöfe, dies durchzusetzen. Seitdem ist der Zölibat in den Kirchen des lateinischen Ritus die Norm, auch wenn es Ausnahmen gibt - etwa für Anglikaner oder protestantische Pastoren, die sich zum Katholizismus bekehren.

Ein Zeichen des Köngreichs

Ein weiterer Grund dafür, warum der Zölibat in der Kirche hoch geschätzt wird, ist, dass er Zeugnis abgibt für etwas, das größer ist als diese Welt, erklärte Pater Selin. 

Benedikt XVI. sagte einmal Priestern, dass der Zölibat die Welt so beunruhige, weil er ein Zeichen des kommenden Königreichs sei. 

"Es ist wahr, daß für die agnostische Welt, die Welt, in der Gott keine Rolle spielt, der Zölibat etwas ist, das großen Anstoß erregt, weil gerade er zeigt, daß Gott als Wirklichkeit betrachtet und erlebt wird. Mit dem eschatologischen Leben des Zölibats tritt die zukünftige Welt Gottes in die Wirklichkeiten unserer Zeit. Und das soll beseitigt werden!"

Christus selbst sagte, dass niemand im Himmel heirate oder verheiratet werde, und deshalb ist der Zölibat ein Zeichen der Gottesschau (vgl. Mt 22,30-32).

"Das Eheleben wird vergehen, wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen, und wir alle werden Teil der Kirche als Braut", sagte Pater Selin. "Davon ist der zölibatär Lebende ein direkterer Ausdruck".

Ein weiterer Wert des Zölibats, so der Seminar-Dozent: Er ermöglicht Priestern, die imitatio besser zu leben, Gott noch näher zu kommen und es ihm gleich zu tun.

"Der Priester ist geweiht, um für andere Jesus zu sein, dass er in der Lage ist, sich mit Leib und Seele erst einmal Gott selbst zu widmen und aus dieser Einheit mit Jesus dann der Kirche dienen zu können", sagte er.

"Das können wir nicht umdrehen", betonte Selin. Aus rein finanziellen oder praktischen Gründen sei die Tradition des Zölibats nicht aufrecht zu erhalten.

"Das reicht nicht aus, und das wird auch nicht dem Kern des Zölibats gerecht, denn wer diesen lebt, sucht erst einmal die Nähe zu Gott. Der Zölibat ist zuerst einmal eine große, profunde Intimität mit Christus".

Die Perspektive eines verheirateten Priesters

Eine der Ausnahmen in Person, welche die Regel bestätigen - ein verheirateter, katholischer Priester, also - ist Douglas Grandon.

Er heiratete als Priester der amerikanischen Anglikaner. Als er und seine Familie sich vor 14 Jahren entschieden, katholisch zu werden, erhielt er von Papst Benedikt XVI. die Erlaubnis, auch ein katholischer Priester zu werden.

Trotz des Priestermangels ist für Pfarrer Grandon die Öffnung für verheiratete Priester nicht die Lösung der Ursachen des Priestermangels. 

"Aus meiner Sicht ist die Lösung des Priestermangels ein stärkeres Engagement für das, was George Weigel als Evangelikalen Katholizismus bezeichnet", so der Priester, Ehemann und Vater gegenüber CNA.

"Egal ob Du Protestant oder Katholik bist: Berufungen entspringen einer sehr starken Verpflichtung, der grundsätzlichen Anweisung Jesu zu folgen, das Evangelium zu predigen und Jünger zu machen. Wo auch immer ein starkes evangelikales Engagement ist, wo immer Priester sich dafür einsetzen, dass die Menschen ihren Glauben vertiefen zu ernsthaften Jüngern werden, da gibt es Berufungen. Das ist wirklich der Schlüssel."

Douglas Grandon sagte auch, dass er zwar dem heiligen Papst Johannes Paul II. "unendlich dankbar" sei dafür, dass er im Jahr 1980 Ausnahmen für das zölibatäre Priestertum erlaubte - so dass protestantische Pastoren wie er zu Priestern werden können; dennoch sehe er auch den Wert des zölibatären Priestertums und plädiere er nicht dafür, dieses abzuschaffen.

"Wir glauben wirklich, dass die zölibatäre Berufung etwas Wunderbares ist, dass es hoch geschätzt werden sollte, und wir wollen nicht, dass irgendetwas dies untergräbt", so der Priester.

"Jesus lebte zölibatär, Paul lebte zölibatär, einige der 12 waren zölibatär, somit ist das ein besonderes Geschenk, das Gott der katholischen Kirche geschenkt hat." 

Ein weiterer verheirateter Priester ist Joshua J. Whitfield. Er lebt in Dallas und schreibt unter anderem auch eine Kolumne für die "Dallas Morning News". Kürzlich schrieb er über seine Erfahrungen als verheirateter Priester, sagte aber auch, dass er nicht will, dass die Kirche die Norm des Zölibats ändere.

"Was wir brauchen, ist ein neues Pfingsten. So wurde der erste 'Mangel' gelöst. Die 12 warteten auf den Heiligen Geist, und er lieferte", schrieb Pater Whitfield in einem Email-Interview mit CNA.

"Das praktische ist, die Krise spirituell zu sehen. Und nur so werden wir sie richtig lösen.... Ich bin einfach nicht überzeugt, dass [die breite Einführung verheirateter Priester] ein Wachsen des Klerus oder der Kirche zur Folge haben würde".

Der Ansatz von Franziskus: Gebet und Geburtenrate

Papst Franziskus glaubt auch nicht, dass die Einführung der Ehe für Priester die Lösung des Priestermangels ist. Bevor er darüber im "Zeit"-Interview sprach, betonte er das Gebet

Als gläubiger Mensch spreche er, und deshalb sei die erste Antwort das Gebet, so Franziskus. Es werde zu wenig gebetet.

Die zweite Lösung des Priestermangels, so der Papst weiter, sei die Geburtenrate. Ohne Kinder keine Berufungen, so der Papst. 

Den Kindermangel in Deutschland, Italien und anderen europäischen Ländern hat er wiederholt angesprochen. Schlagzeilen gab es dazu in der weltlichen Presse keine.

Je mehr Eheschließungen, desto mehr Priesterweihen?

Die Ursachen für den Geburtenmangel sind also Teil der Antwort, denn eine sinkende Rate der Eheschließungen korreliert mit der sinkenden Priesterzahl, so der stellvertretende Leiter der Berufungs-Stelle der größten Diözese der USA - Los Angeles - deren Priesterrate fast doppelt so hoch ist wie die des Landesdurchschnitts.

Pater Samuel Ward ist nicht nur überzeugt vom "großen Wert des zölibatären römisch-katholischen Priestertums". Er ist auch zuversichtlich, was die Zukunft der Berufungen betrifft, denn die Zahl der Anwärter und Seminaristen ist in letzter Zeit wieder gestiegen.

Pater Ward betonte, dass die Berufung zur Ehe und die Berufung zum Priester zusammenhängen:

"Sie ergänzen einander, und hängen von einander ab. Wenn wir keine Familien haben, haben wir als Priester nichts zu tun, und Familien brauchen Priester für die Predigten und die Sakramente".

Die dritte Lösung des Papstes: Die Jugend

Nicht nur im Interview mit Medien, sondern auch direkt zu Jugendlichen hat Franziskus immer wieder betont, wie wichtig das Gespräch über Berufung ist. 

Viele Priester kamen zu ihrer Berufung durch Gespräche und Einladungen, oft eines Priesters, und das Zeugnis guter und heiliger Geistlicher, die eine wichtige Rolle in ihrem eigenen Leben gespielt haben.

"Eine ehemaliger Berufungsdirektor hat mal eine informelle Umfrage gemacht und gefragt: 'Wie bist Du auf die Idee gekommen, über eine Berufung als Priester nachzudenken?' Und fast alle antworteten, 'weil mein Pfarrer mich angesprochen hat'", so Pater Selin.

"Bei mir war es das gleiche. Wenn ein Priester seine Berufung mit großer Freude und Treue lebt, dann ist er der effektivste Berufungs-Promoter, denn dann kann sich ein junger Mann in ihm sehen".

Eine wichtige Rolle spielen hier auch gute katholische Schulen - das ist zumindest die Erfahrung der Erzdiözese St. Louis.

Deren Leiter für pastorale Planung, John Schwob, betonte CNA gegenüber, dass große, aktive Schulen, in denen der Glaube unterrichtet werde, gemeinsam mit einem diözesanen Priesterseminar und Erzbischöfen, die Berufungen als pastorale Priorität sehen, eine "Kultur der Berufungen" geschaffen habe.

Die Folge: Das Erzbistum St. Louis hat eine der höchsten Priesterraten des Landes.

In der Diözese Lincoln (Nebraska) hat man ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Generalvikar des Bistums, Monsignore Timothy Thorburn, stellt fest: 

"Wir haben keine Berufungskrise".

Das gelte für Männer wie Frauen, so der Generalvikar. Wichtig dabei: Der Kontakt mit Priestern und Ordensfrauen, so Berufungsdirektor Pater Robert Matya. 

"Das einmalige bei uns in Lincoln ist, dass der gesamte Religionsunterricht von Priestern oder Nonnen unterrichtet wird, was nicht üblicherweise der Fall ist...die Schüler haben mehr Umgang mit Priestern und Schwestern als ein Kind, dass irgendwo anders auf der High School ist".

Dabei geht es jedoch nicht nur darum, der Jugend zu zeigen, wie man Berufung freudig und treu lebt, sie "authentisch und orthodox im Glauben unterrichtet" und darauf persönlich anspricht, betonte Monsignore Thorburn weiter. 

Aus eigener Erfahrung habe er gelernt, dass es auch ums Gebet gehe.

In den späten 1990er Jahren kamen Unbeschuhte Karmeliterinnen in die Diözese und bauten dort ein neues Kloster. Gemeinsam mit den ebenfalls vertretenen Schwestern der Anbetung des Heiligen Geistes, (bekannt als die "Pink Sisters", die Rosa Schwestern), beten sie besonders für Priester und Berufungen.

"Praktisch über Nacht" entstanden in der Diözese zwei neue Priesterseminare, so Msgr. Thorburn, ein diözesanes und ein Seminar der Petrusbruderschaft.

"Gott ruft eine ausreichende Zahl an Männern in der Westlichen Kirche zu sich, denen er nach unserer Tradition das Geschenk des Zölibats mit der Berufung schenkt. Wir müssen nur Platz schaffen, damit diese Samen auf fruchtbare Erde fallen". 

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