Wien, 12 Oktober, 2017 / 8:28 AM
Was passiert, wenn moderne Medizin auf vormittelalterliche Vorstellungen prallt, das zeigt die diskriminierende Abtreibung von Mädchen. Das Phänomen hat längst Europa erreicht, warnen Experten.
Dieser "Genderzid ist als weltweites Problem international anerkannt worden, betont die österreichische Bioethik-Expertin Susanne Kummer laut "IMABE".
"Wer Abtreibung wegen des Geschlechts toleriert, forciert eine diskriminierende Sicht auf Mädchen und Frauen. Geschlechterselektion ist keine Lappalie, sondern eine Menschenrechtsverletzung, die unter allen Umständen unterbunden werden muss".
Die selektive Abtreibung von Mädchen hat auch Europa längst erreicht. Neue, unkomplizierte genetische Tests verschärfen das Problem. So kann das Geschlecht per Bluttest bereits in der 9. Schwangerschaftswoche bestimmt werden – also früher als bei einer Ultraschalluntersuchung und noch innerhalb der gesetzlichen Frist von 10 bis 12 Wochen, die in etlichen Ländern für einen Schwangerschaftsabbruch gelten.
50 Millionen fehlende Mädchen und Frauen
Zwar gelten China und Indien als Vorreiter der Geschlechterwahl vor der Geburt. Laut UNO-Bericht fehlen allein 50 Millionen Mädchen und Frauen in Indiens Bevölkerung, weil sie abgetrieben oder nach der Geburt getötet wurden. Doch das Phänomen kennt man mittlerweile auch etwa in der Schweiz: Die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) berichtete, dass das Interesse an vorgeburtlicher Geschlechterselektion steige und zitiert Daniel Surbek, Chefarzt am Inselspital Bern, demnach es in der Schweiz jährlich zu rund 100 Abtreibungen aufgrund "falschen" Geschlechts komme. Der Bundesrat arbeite nun an einem Gesetz, wonach das Geschlecht des Ungeborenen erst nach der 12. Woche mitgeteilt werden darf.
Innerhalb der Europäischen Union werden etwa in Schweden und Großbritannien diskriminierende Abtreibungen von Mädchen durchgeführt, berichtet "IMABE".
In den USA etwa bieten Internetforen verschiedene Methoden des sogenannten "Family-Balancing" an, darunter Embryoselektion oder Abtreibung. Bringt eine Frau ein Kind zur Welt, das nicht dem Wunschgeschlecht entspricht, spricht man bereits von "Gender Disappointment".
"Das sind kulturelle Wertungen, die in aufgeklärten Staaten eigentlich längst überwunden sein sollten", so Susanne Kummer.
Allerdings zeige die Debatte um den Genderzid auch innere Widersprüche. Einerseits sollten Ärzte bei Tötung eines weiblichen Babys nicht mitmachen, selbst wenn sich Eltern dadurch kulturell stigmatisiert fühlen, zugleich aber sollen sie Abtreibung von Kindern mit Down-Syndrom durchführen. Da haben wir ein Problem, das tiefer liegt: Eine Gesellschaft, die bestimmten Personen Menschenwürde zu- oder abspricht, begibt sich in eine illegitime Machtposition", betont Kummer, die eine offene Debatte über Diskriminierungstendenzen fordert.
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