Vatikanstadt, 29 März, 2018 / 10:07 PM
Am heutigen Gründonnerstag feiern die Christen das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Der Gottesdienst leitet das österliche Triduum ein, die heiligen drei Tage. In der Kirche am Campo Santo Teutonico im Vatikan feierte diesen Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen.
CNA veröffentlicht die Predigt im Wortlaut mit freundlicher Genehmigung.
In der Eucharistie verwirklicht sich Kirche in dichtester Weise.
Mit der Messe vom Letzten Abendmahl eröffnen wir die drei Österlichen Tage, das "Triduum paschale". Die Heilige Messe heute steht unter dem Vorzeichen eines dreifachen "Gedenke". Die Lesung aus dem alttestamentlichen Buch Exodus berichtet von der Feier des Paschamahles, das an die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten erinnert, und mündet ein in die Weisung: "Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest zur Ehre des Herrn. Für die kommenden Generationen macht euch diese Feier zur festen Regel" (Ex 12, 14). Im Evangelium von der Fusswaschung gibt Jesus am Ende seinen Jüngern einen ähnlichen Auftrag: "Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe" (Joh 13, 15). Vollends in der neutestamentlichen Lesung lässt Paulus Jesus im Blick auf das Letzte Abendmahl sprechen: "Das ist mein Leib. Tut dies zu meinem Gedächtnis." "Tut dies, sooft ihr aus dem Kelch trinkt, zu meinem Gedächtnis" (1 Kor 11, 25). Mit diesem dreifachen "Gedenke" feiern wir heute in besonderer Weise das "Gedächtnis unserer Erlösung", wie wir es im eucharistischen Hochgebet bekennend aussprechen.
Im Gedenken gestiftete Gemeinschaft
Zum Gedächtnis des Letzten Abendmahls Jesu sind wir zusammengekommen, um in Erinnerung an das jüdische Paschamahl das neue Pascha zu feiern, das Jesus beim Letzten Abendmahl eingesetzt hat, wie wir im Tagesgebet vor Gott tragen: "Am Abend vor seinem Leiden hat dein geliebter Sohn der Kirche das Opfer des Neuen und Ewigen Bundes anvertraut und das Gastmahl seiner Liebe gestiftet." Dieses Gebet weist darauf hin, dass wir das Gastmahl seiner Liebe und das Opfer des Neuen und Ewigen Bundes nur in Gemeinschaft feiern können und dass das "Gedenken" Gemeinschaft stiftet. Denn Jesus feierte das Letzte Abendmahl mit seinen Zwölf Jüngern, die er aus einem grösseren Kreis auserwählt hat. Damit brachte er zum Ausdruck, dass er sich selbst als der von den Propheten verheissene Hirte verstand, der die verlorenen Schafe Israels sammelt, der genauer die Zwölf Stämme Israels wieder zur Bundesgemeinschaft Gottes versammelt. In der Tradition Israels, in der das Pascha vor allem ein Fest der Familie bis auf den heutigen Tag ist, hat auch Jesus Pascha gefeiert, nämlich mit den Aposteln, die seine neue Familie geworden sind. Die Zwölf Apostel nahmen deshalb nicht einfach als Einzelpersonen, sondern als Repräsentanten dieses neu gesammelten Gottesvolkes am Letzten Abendmahl Jesu teil.
Von daher leuchtet die grundlegende Bedeutung des Letzten Abendmahls Jesu sowohl in seinem Leben als auch im Leben der Kirche auf. Die Stiftung des Gastmahls der Liebe am Abend vor seinem Leiden ist nicht einfach eine mehr oder weniger vereinzelte kultische Handlung Jesu, sondern die Begründung eines neuen Kultes, dessen Zentrum nicht mehr der Tempel aus Steinen, sondern der Leib Jesu selbst als der neue Tempel ist. Wie Israel im Tempel von Jerusalem seinen Mittelpunkt und den Bezugspunkt seiner Einheit hatte und diese Einheit in der Feier des Paschamahles vollzog, so bildet nun das Letzte Abendmahl Jesu das Band der Einheit des neuen Gottesvolkes. Der Leib des Herrn, der die Mitte des Abendmahls darstellt, ist nun der neue Tempel, der die neue Gemeinschaft zu einer noch grundlegenderen Einheit zusammenfügt, als ein steinerner Tempel es je vermöchte.
In den Einsetzungsworten Jesu bei seinem Letzten Abendmahl wird die Stiftung von Gemeinschaft und Einheit noch deutlicher. Sie verweisen zurück auf den Bundesschluss Gottes mit seinem Volk am Sinai oder auf den vom Propheten Jeremia angekündigten neuen Bund und haben deshalb immer mit dem Bundesgeschehen Gottes zu tun. Von daher ist das Letzte Abendmahl Jesu Bundesschluss und "als Bundesschluss die konkrete Gründung des neuen Volkes, das Volk wird durch sein Bundesverhältnis mit Gott"[1]. Der Bund Gottes mit Israel erhält nun in der Leibesgemeinschaft mit Jesus seine neue Mitte. Denn nur vom Leib und Blut Christi her wird das Volk des Neuen Bundes wirklich Volk; und nur von dieser Mitte her kann es wirklich Volk Gottes heissen.
In der Eucharistie gestiftete Kirche
Was beim Letzten Abendmahl Jesu sichtbar ist, gilt auch und erst recht für die Feier der Eucharistie der Kirche. Für die frühe Kirche wäre es undenkbar gewesen, in der Eucharistie allein die Begegnung des einzelnen Christen mit Christus zu sehen. Selbstverständlich geht es in der Eucharistie immer auch um den Einzelnen, der durch die Mitfeier der Eucharistie in eine tiefere persönliche Christusbeziehung hinein gerufen und hinein genommen wird; und auch und gerade in der Kommunion geht es um die persönliche Gemeinschaft und Einheit mit Christus. Diese persönliche Gemeinschaft mit Christus in der Eucharistie vollzieht sich aber immer im grösseren Zusammenhang seines Leibes, der Gemeinschaft der Kirche. Denn in der Eucharistie verwirklicht sich Kirche in dichtester Weise.
Darauf weist bereits der Name hin, den die Eucharistie in der frühen Kirche sehr bald erhalten hat. Wenn Paulus vom Herrenmahl spricht, dann beginnt er zumeist mit den Worten: "Wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt" (1 Kor 11, 18). Eucharistie feiern ist wesentlich ein Zusammenkommen. Dementsprechend heisst eine der ältesten Bezeichnungen der Eucharistie synaxis, was wiederum Zusammenkunft und Versammlung bedeutet. Auch das griechische Wort für Kirche, ekklhsia, das in alle romanischen Sprachen Eingang gefunden hat, weist auf die Eucharistie hin und bezeichnet die zum christlichen Kult und damit zur Eucharistie zusammengerufene Versammlung. Kirche ist also in ihrem wesentlichen Kern eucharistische Versammlung: "Ubi eucharistia, ibi ecclesia" – "Überall, wo Eucharistie gefeiert wird, da ist Kirche." Kirche ist überall dort, wo sich Christen zur Feier der Eucharistie um den Tisch des Herrn versammeln.
Die Kirche verstand sich von Anfang an als eucharistische Versammlung, und zwar so sehr, dass die Eucharistie nicht einfach ein Sakrament neben den anderen ist, sondern das Sakrament der Sakramente, Quelle, Mitte und Höhepunkt des Lebens der Kirche. Kirche und Eucharistie sind deshalb nicht nur identisch; vielmehr entsteht die Kirche aus der Eucharistie, wie vor allem Paulus eindringlich betont. Für ihn lässt die Teilhabe an dem einen Kelch und dem einen Brot die Eucharistie Feiernden auch teilhaben an Tod und Auferstehung Jesu Christi und verbindet sie untereinander zum einen Leib des Herrn, der die Kirche ist: "Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben Teil an dem einen Brot" (1 Kor 10. 16-17).
Paulus verwendet das Wort "Leib Christi" in einem doppelten Sinn, nämlich sowohl für die eucharistische Gabe, die wir empfangen, als auch für die kirchliche Gemeinschaft, die wir bilden. Er bringt so zum Ausdruck, dass die Eucharistie, in der Christus uns seinen Leib gibt und uns zu seinem Leib verwandelt, der immerwährende Entstehungsort der Kirche ist. Denn die Teilhabe an dem Leib Christi in der Eucharistie bewirkt zugleich die Teilhabe an dem einen Leib Christi, der die Kirche ist, und die kirchliche Gemeinschaft der Christen untereinander. Die Eucharistie ist das Sakrament der Einheit der Kirche, wie die Kirchenväter dies mit dem schönen Bild zum Ausdruck gebracht haben: "Wie das Brot auf den Bergen zerstreut war und zusammengebracht ein Brot geworden ist, so soll deine Kirche zusammengebracht werden von den Enden der Erde in dein Reich."[2] Die Eucharistie ist deshalb das Sakrament der Einheit und Band der Liebe.
Vor allem Paulus betont, dass das ganze Heilshandeln Jesu Christi auf Einigung und Einheit zielt und dass Christus durch sein Opfer am Kreuz Einheit bewirkt hat, indem er die "trennende Wand der Feindschaft" niedergerissen hat (Eph 2, 14). In unserer von der Sünde verformten Welt ist Einheit und Friede freilich nicht anders möglich als durch Vergebung. Diese Versöhnung und Wiederherstellung der zerbrochenen Einheit hat das Kreuzesopfer Jesu Christi bewirkt. Und die Eucharistie als sakramentale Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Jesu Christi begründet die Gemeinschaft an dem einen Leib, der die Kirche ist.
In der Fusswaschung gestiftete Hingabe
Auf diesen Ernst der Eucharistie macht in besonderer Weise das Evangelium von der Fusswaschung aufmerksam. Es ist kein Zufall, dass wir im Johannesevangelium keinen Einsetzungsbericht der Eucharistie finden, wohl aber den der Fusswaschung. Denn das Zeichen der Fusswaschung erschliesst die eigentliche Tiefe der Eucharistie: Indem Christus "sich herabbeugt, um die Füsse seiner Jünger zu waschen, erklärt Jesus in unmissverständlicher Weise den Sinn der Eucharistie."[3] Dieser Sinn eröffnet sich vor allem dann, wenn wir das Zeichen der Fusswaschung nicht nur vom zweiten Teil des Evangeliums her als Beispiel demütiger Liebe interpretieren, sondern vor allem vom ersten Teil her, in dem die Fusswaschung geradezu als heilsnotwendig erscheint, weil sie Anteil schenkt an der Selbsterniedrigung Jesu und an seinem Kreuzestod: "Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir" (Joh 13, 8), sagt Jesus auf den Einwand des Petrus.
Die Fusswaschung schenkt Anteil an Christus wie die Eucharistie. Denn die Fusswaschung bringt zum Ausdruck, was Eucharistie in ihrem tiefsten Kern heisst: dass Christus sich nicht bedienen lassen will, dass er vielmehr selbst zum Diener aller, zum Erzdiakon für die Menschen werden will. Und umgekehrt interpretiert die Eucharistie die Fusswaschung dahingehend, dass Jesus Christus sich uns Menschen mit seinem ganzen Leben verschenkt und uns einlädt und herausfordert, auch uns für die anderen Menschen im alltäglichen Leben hinzugeben. Denn glaubwürdig kann man das eucharistische Brot nicht teilen, wenn man nicht bereit ist, auch das alltägliche Brot miteinander zu teilen. Deshalb endet die eucharistische Versammlung mit der Sendung in die Welt hinaus: "Gehet hin in Frieden!" Die eucharistische Versammlung will ihre Fortsetzung und Bewährung in der eucharistischen Sendung im Alltag finden. Wie die Emmausjünger, nachdem sie im Brechen des Brotes den Herrn erkannt hatten, "noch in derselben Stunde" aufbrachen (Lk 24, 33), um vom Erfahrenen, Gehörten und Gesehenen zu erzählen, so weckt auch heute die Begegnung mit Jesus Christus in der Eucharistie in der Kirche und in jedem Christen die Berufung und Sendung zum Zeugnisgeben und zur Mission.
Damit erschliesst sich der tiefe Sinn, dass Johannes am Ende des heutigen Evangeliums einen Satz schreibt, der ganz analog zum eucharistischen Einsetzungsbericht formuliert ist und der anordnet, dieses Zeichen immer wieder neu zu setzen. Während es im eucharistischen Einsetzungsbericht heisst: "Tut dies zu meinem Gedächtnis", betont Jesus bei der Einsetzung der Fusswaschung: "Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe." Sowohl das Letzte Abendmahl Jesu als auch sein Zeichen der Fusswaschung stehen unter dem Vorzeichen des "Gedenke" und laden uns ein, beides zum Gedächtnis Jesu Christi zu vollziehen: heute in der Messe vom Letzten Abendmahl in besonderem Gedenken, aber auch in jeder Feier der Eucharistie, in der wir beten: "Darum, gütiger Vater, feiern wir das Gedächtnis unserer Erlösung", und in der wir die Kraft erhalten, immer glaubwürdiger als Kirche der Eucharistie und der Fusswaschung zu leben.
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[1] J. Kardinal Ratzinger, Zur Gemeinschaft gerufen. Kirche heute verstehen (Freiburg i. Br. 1991) 25.
[2] Didaskalia 9. 4.
[3] Johannes Paul II., Mane Nobiscum Domine, Nr. 28.
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