Vatikanstadt, 02 April, 2018 / 12:09 AM
Mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller als Hauptzelebrant hat am heutigen Ostermontag in der Kirche am Campo Santo Teutonico die deutschsprachige Gemeinde von Rom Abschied genommen von Kardinal Karl Lehmann. Der emeritierte Bischof von Mainz, der über Jahrzehnte einen prägenden Einfluß auf die Kirche in Deutschland hatte, war am 11. März 2018 verstorben.
Kardinäle Kurt Koch und Walter Kasper waren Konzelebranten, ebenso wie Erzbischöfe Georg Gänswein und Erwin Ender, Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und Bischof Karl-Josef Rauber bei der von Rektor des Päpstlichen Priesterkollegs am Campo Santo, Hans-Peter Fischer initiierten Feier.
CNA Deutsch dokumentiert den Wortlaut der Predigt mit freundlicher Genehmigung.
Wir sind als deutschsprachige Gemeinde von Rom versammelt, um in dieser heiligen Eucharistie unsere bleibende Verbundenheit mit Kardinal Lehmann in der Gemeinschaft der Heiligen zu feiern. Wir danken ihm für alles, was er für die Kirche und die Theologie getan hat. Es ist gewiss eine schöne Fügung, dass die Lesung des Ostermontags gerade das Thema seiner theologischen Doktorarbeit war. Der Titel lautete "Auferweckt am dritten Tag nach der Schrift. Früheste Christologie, Bekenntnisbildung und Schriftauslegung im Lichte von 1 Kor 15,3-5." Was Paulus den Korinthern als den wesentlichen Inhalt des Evangeliums von dem Heil in Christus überliefert, hatte der Apostel selbst von der Jerusalemer Urgemeinde empfangen. Und dieses Glaubensbekenntnisses bildet auch für uns und die Christen zu allen Zeiten der Grund, auf dem wir stehen. Der Osterglaube ist die Gewissheit, dass jeder einzelne seine Hoffnung im Leben und Sterben auf Gott setzen darf, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Durch Christus, den "Messias der Juden" und den "Retter der ganzen Welt" ist das Reich Gott endgültig in die Welt gekommen. Und tagtäglich beten wir im Vaterunser um dessen Kommen jetzt in dieser Zeit und um sein Erscheinen am Ende, damit die Welt in Gott vollendet werde.
Aber, was bedeutet denn diese Formulierung genau, dass Jesus, der für unser Sünden gestorben ist und begraben wurde "am dritten Tage auferweckt wurde, gemäß der Schrift"? Ich möchte in dieser Predigt natürlich nicht die wissenschaftlichen Ergebnisse der Studie Karl Lehmanns, die für die Fachleute der Bibelauslegung und der systematischen Disziplinen der Theologie im Detail und im großen Kontext interessant sind, vorstellen, sondern mich beschränken auf die Erkenntnisse, die für das Verständnis des Glaubens an Christus für alle Christen wichtig sind. Die zunächst sonderbar klingende Formulierung "am dritten Tag" meint nicht einfach die chronologische Angabe über den Ablauf des Karfreitag-Geschehens und den Karsamstag bis zum Ostersonntag, an dem seine total desorientierten Jünger vom Triumph seiner Auferstehung von den Toten überrascht und überwältigt werden.
Dass Jesus wirklich am Kreuz starb und begraben wurde, zeigt die ganze Aussichtslosigkeit, nach diesem Desaster noch an seine Sendung als Messias glauben zu können. Jesus wird gerade nicht vor dem Tode gerettet. Gott hat nicht eingegriffen, um das Schlimmste im letzten Augenblick noch zu verhüten. Jesus erfährt die Gott-Verlassenheit in ihrer abgründigen Tiefe. Sein Tod ist nicht der zwar schmerzliche Übergang in das ewige Leben, der aber doch mit der Gewissheit des sicheren Ankommens im Jenseits letztlich gelassen angenommen werden kann. Denn mit einem gewissen Galgenhumor können wir uns mit der Vorstellung vertraut machen, das alle einmal streben müssen und darum früher oder später auch die Reihe an mich kommt. Es war nicht nur das Sterben an sich, sondern das offensichtliche Scheitern seiner messianischen Sendung vom Vater, das den Glauben der Jünger an ihn zerstört hat.
Angesichts des schmählichen Todes des vermeintlichen Messias am Kreuz war aber nicht nur der Glaube der Jünger an Jesus restlos zusammengebrochen und unwiederbringlich verloren, sondern Jesus erlitt in seiner Gottverlassenheit auch die radikalste Verlorenheit der leiblichen und geistigen Existenz des Menschen, so wie kein anderer sie an sich erfahren kann. Der Tod des Sohnes Gottes "für unsere Sünden" zeigt, dass die Sünde den Menschen definitiv von Gott, dem Ursprung und Sinn des Lebens, abschneidet. Der Tod des Sohnes Gottes am Kreuz für uns offenbart die völlige Sinnlosigkeit unserer Existenz in der Sünde.
Statt der Geschichte nur eine relative Wende zu geben für diesmal, greift Gott in einem Akt, der grundlegender ist als die Schöpfung in die Welt der Sünde und des Todes ein. Er setzt ein für allemal einen neuen Anfang setzt und "bewirkt eine ewige Erlösung" (Hebr 9,12). So bringt er das Reich Gott unzerstörbar in diese Welt hinein, indem er uns zu neuen Geschöpfen macht. Er beruft uns in Christus zur "Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes" (Röm 8,21).
Durch die Auferweckung Christi von den Toten beginnt die endgültige Zeit des Heils. Das in der Ewigkeit und Transzendenz Gottes gewirkte Osterereignis wird durch die Oster-Erscheinungen des gekreuzigten Messias vor den Jüngern historisch greifbar im Zeugnis und Bekenntnis der Kirche bis ans Ende der Welt.
Die Botschaft von der Auferstehung der Toten sagt also nicht etwa in symbolischer oder mythischer Form, dass es irgendwie nach dem Tode weitergeht, sondern vielmehr, dass Gott einen radikalen Neuanfang gemacht hat, den keine Macht der Welt, nicht einmal der Teufel, die Sünde und der Tod rückgängig oder ungeschehen machen können.
Was Karl Lehmann uns heute sagen kann, ist die Mahnung, das Christsein nicht zu verharmlosen zu einer Religion bürgerlicher Seelenruhe oder es zu verfälschen in eine revolutionäres Selbsterlösungsprogramm solcher Ideologien, die selbst den neuen Menschen erschaffen wollen nach ihrem Bild und Gleichnis.
Jesus ist kein Weltverbesserer und Religionsstifter, sondern der Sohn Gottes, der im Gehorsam bis zum Tod am Kreuz den bittersten Tod gestorben ist unter dem Spott der Menschen und in der Verlassenheit von seinem Vater. Darum ist er für unsere Sünden gestorben und am dritten Tag auferweckt worden, um Herr zu sein über Lebende und Tote. Die radikale Tiefe des Todes wird deutlich und die absolute Macht der Rettung kommt allein durch Gott: "das ist unsere Botschaft und das ist unser Glaube, den ihr angenommen habt." (1Kor 15,11).
In seinem bewegenden geistlichen Testament vom 15. März 2009, bringt uns Kardinal Lehmann seinen Wahlspruch in Erinnerung: "Steht fest im Glauben." (1 Kor 16,13).
Das ist seine Frage an uns wie einst die Frage des hl. Paulus an die Korinther, ob wir den Glauben vielleicht unüberlegt angenommen haben oder ihn nur oberflächlich in unser Leben und Denken haben eindringen lasen.
Nicht in einer Verweltlichung des Glaubens und einer Politisierung der Kirche liegt ihre Zukunft, wie Karl Lehmann kritisch anmahnt. "Die Erneuerung muss tief aus Glaube, Hoffnung und Liebe kommen." Und er erwähnt zwei Dinge, unter denen er bei all seinem Einsatz für die Kirche und Theologie gelitten hat: "Unsere Erde und weithin unser Leben sind in vielem wunderbar, schön und faszinierend, aber sie sind auch abgrundtief zwiespältig, zerstörerisch und schrecklich. Schließlich ist mir die Unheimlichkeit der Macht und wie der Mensch mit ihr umgeht, immer mehr aufgegangen. Das brutale Denken und rücksichtsloses Machtstreben gehören für mich zu den schärfsten Ausdrucksformen des Unglaubens und der Sünde. Wehrt den Anfängen! Immer mehr habe ich das Jesuswort bei Lukas in den Ohren. 'Wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde (noch) Glauben vorfinden?" (Lk 18,8).
Das ist nicht eine Frage der Religionsstatistik, sondern die existentielle Frage an jeden einzelnen von uns, ob wir die Osterbotschaft im Glauben hören, annehmen und in unserm Leben fruchtbar werden lassen und ob wir im letzen Augenblick, wenn wir von Gott und den Menschen verlassen, in den alles verschlingenden Abgrund des Todes stürzen unsere Hoffnung auf den setzen, der für uns gekreuzigt worden ist und der zu unserem Heil von den Toten erweckt worden ist.
Karl Lehmann, unser Bruder im Glauben, sieht den gekreuzigten und auferstandenen Herrn sehen, an den er geglaubt und den dreifaltigen Gott von Angesicht zu Angesicht. Und sein Wahlspruch gewinnt für uns noch mehr Wirkung und Kraft: "Steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark. Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe." (1Kor 16, 13). Und ich bin mir gewiss, dass er uns vom Himmel her segnet mit dem Gruß des hl. Paulus "an alle, die den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, überall anrufen" (1 Kor 1,2): "Meine Liebe ist mit euch allen in Christus Jesus." (1Kor 16,24).
Wie kann tiefer und einfacher unser Glaube an die Auferstehung der Toten ausgedrückt werden als in seinem Abschiedswort, das er uns auch von Gott her zuruft: Auf Wiedersehen!. Und wir rufen auf dem Weg der irdischen Pilgerschaft ihm zu. Auf Wiedersehen im Himmel. Amen!
(Ergänzung 18:19 Uhr mit weiteren Informationen)
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