Vatikanstadt, 13 September, 2019 / 11:30 AM
In einem Brief, der vergangene Woche an die deutschen Bischöfe geschickt wurde, hat der Vatikan die Pläne für einen verbindlichen "Synodalen Weg" in Deutschland als "ekklesiologisch ungültig" bezeichnet.
Das berichtet die "Catholic News Agency", die englischsprachige Schwesteragentur von CNA Deutsch.
Die Pläne für einen "verbindlichen Synodalen Weg" wurden im März dieses Jahres von Kardinal Reinhard Marx, dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, erstmals angekündigt. Im Juli hatte Marx erklärt, die Kirche stehe vor einem "epochalen Wandel".
Vergangene Woche meldete CNA, dass der Satzungsentwurf für die Plenarversammlungen im August vom Ständigen Rat der deutschen Bischofskonferenz genehmigt worden seien. Eine abschließende Anhörung sollte es auf der Vollversammlung der Bischöfe Ende September geben. Kleinere Arbeitsgruppen haben zudem bereits begonnen, eine Reihe kontroverser kirchlicher Themen zu diskutieren.
In einem auf den 4. September datierten, an Kardinal Marx adressierten Brief schreibt Kardinal Marc Ouellet, Leiter der Bischofskongregation des Vatikans, dass die Pläne für eine Plenarversammlung den Erwartungen des Briefs von Papst Franziskus vom Juni entsprechen müssten. Ouellet betont, dass eine Synode in Deutschland nicht die universale Lehre oder Disziplin der Kirche ändern kann.
Ouellet schickte Marx auch ein vierseitiges kirchenrechtliches Gutachten der Entwürfe.
Sowohl das Schreiben von Kardinal Ouellet als auch das beigefügte kanonische Gutachten liegen CNA vor.
Das vom Präsidenten des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte unterzeichnete Gutachten besagt, dass die Vorhaben der deutschen Bischöfe gegen kirchenrechtliche Vorschriften verstoßen und in der Tat darauf abzielen, die universalen Vorschriften und die Lehre der Kirche zu ändern.
Erzbischof Filippo Iannone, Präsident des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte, stellt bei seiner juristischen Überprüfung der Entwürfe fest, dass die deutschen Bischöfe vier Schwerpunktthemen behandeln wollen: "Macht, Partizipation und Gewaltenteilung", "Sexualmoral", "Priesterliche Lebensform", "Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche".
"Es ist leicht zu erkennen, dass diese Themen nicht nur die Kirche in Deutschland betreffen, sondern auch die universale Kirche und – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht Gegenstand der Überlegungen oder Entscheidungen einer Partikularkirche sein können, ohne dem zu widersprechen, was der Heilige Vater in seinem Brief ausdrückt", schreibt Iannone.
In seinem Schreiben an die Kirche in Deutschland vom Juni warnte Papst Franziskus die deutschen Bischöfe, die Einheit mit der universalen Kirche zu wahren und achten.
"Sooft eine kirchliche Gemeinschaft versucht hat, alleine aus ihren Problemen herauszukommen, und lediglich auf die eigenen Kräfte, die eigenen Methoden und die eigene Intelligenz vertraute, endete das darin, die Übel, die man überwinden wollte, noch zu vermehren und aufrechtzuerhalten", so Franziskus.
Das Rechtsgutachten des Vatikans wirft eine Reihe von Bedenken hinsichtlich der vorgeschlagenen Struktur und der Teilnehmer am "Synodalen Weg" auf. Es kommt zu dem Schluss, dass die deutschen Bischöfe keine nationale Synode planen, sondern ein Partikularkonzil – was sie ohne ausdrückliche römische Zustimmung nicht durchführen können.
Aus den Artikeln des Satzungsentwurfs gehe hervor, dass die Bischofskonferenz im Sinn habe, ein Partikularkonzil gemäß Can. 439-446 abzuhalten, jedoch ohne diesen Begriff zu verwenden. Das Gutachten betont, dass für ein solches Konzil die Erlaubnis des Vatikans erforderlich ist.
Wenn die deutsche Bischofskonferenz zu der Überzeugung gelangt sei, dass ein Partikularkonzil notwendig ist, dann sollte sie die im Codex des Kanonischen Rechts auch vorgesehenen Verfahren einhalten, um eine verbindliche Beratung zu haben, so das Gutachten des Vatikans weiter.
Im Gegensatz zu einer Synode ist ein Konzil ein Treffen von Bischöfen welches befugt ist, Gesetze für die Kirche in einem bestimmten Land oder einer bestimmten Region zu erlassen, aber nur unter der direkten Autorität Roms, die definiert, welche Befugnisse im Spiel sind. Eine Synode – wie der "Synodale Weg" – sollte stattdessen eine pastorale und beratende Zusammenkunft sein, ohne die Autorität, Änderungen zu machen. Ein Konzil auf nationaler Ebene ist weitaus seltener als eine Synode, gerade weil der Heilige Stuhl dessen Tagesordnung, Tätigkeitsbereich und seine endgültigen Beschlüsse genehmigt.
Die Absicht der Bischofskonferenz, den Mitgliedern der Synode die Befugnis zu erteilen, Entscheidungen für die Kirche in Deutschland zu treffen, sei inakzeptabel, so das Schreiben des Vatikans.
Im Brief des Vatikans heißt es zudem, dass die vorgeschlagene Zusammensetzung der Plenarversammlung nicht ekklesiologisch gültig sei. Das Schreiben verweist auf die von den Bischöfen vorgeschlagene Zusammenarbeit mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken – einer Laienorganisation, die sich öffentlich gegen eine Reihe von kirchlichen Lehren ausgesprochen hat, einschließlich der Weihe von Frauen und der Sexualmoral.
Der Vatikan stellt in seinem Gutachten mit Besorgnis fest, dass das Zentralkomitee der deutschen Katholiken nur dann bereit war, in den Prozess einbezogen zu werden, wenn die Synodenversammlung verbindliche Entscheidungen für die Kirche in Detuschland treffen konnte.
Wie kann eine Teilkirche verbindlich beraten, wenn die behandelten Themen die ganze Kirche betreffen? – so Erzbischof Iannone. Die Bischofskonferenz könne die Beschlüsse nicht in Kraft setzen: Das liege außerhalb ihrer Zuständigkeit.
Das Schreiben betont: Die Synodalität in der Kirche, auf die sich Papst Franziskus oft bezieht, ist nicht gleichbedeutend mit Demokratie oder Mehrheitsentscheidungen, fügt Iannone hinzu und stellt fest, dass selbst wenn eine Bischofssynode in Rom zusammentritt, es Sache des Papstes ist, die Ergebnisse zu präsentieren.
Der synodale Prozess müsse in einer hierarchisch strukturierten Gemeinschaft stattfinden, fügt das Schreiben hinzu, und betont: alle Beschlüsse bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung des Apostolischen Stuhls.
Das Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass die deutschen Vorschläge viele Fragen offen lassen, die Aufmerksamkeit verdienten.
Hochrangige Beamte sowohl der Bischofskongregation als auch des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte bestätigten CNA, dass beide Dokumente vergangene Woche an Kardinal Marx geschickt wurden, mit der Anweisung, dass ihr Inhalt die Grundlage für weitere Diskussionen über den synodalen Prozess bilden sollte, wenn die deutschen Bischöfe nächstes Mal zu einer Vollversammlung zusammenkommen.
Es ist nicht klar, ob Brief und Gutachten bereits den deutschen Bischöfen vorliegt. Die Anweisungen scheinen tatsächlich zu fordern, dass die deutschen Bischöfe ihre Pläne völlig aufgeben.
Ein hoher Beamter der Kongregation für die Bischöfe sagte gegenüber CNA am 12. September, dass die durch die Bewertung aufgeworfenen Fragen "offensichtlich dringend" seien.
"Es gibt natürlich einen Eindruck, dass die Deutschen einfach nicht zuhören wollen. Der Papst selbst hat geschrieben und es scheint nicht angekommen zu sein", sagte der Kurienmitarbeiter.
Ein hochrangiger Mitarbeiter der Glaubenskongregation, der nicht an der Überprüfung der deutschen Vorschläge beteiligt war, sagte gegenüber CNA, dass im Vatikan ein weit verbreiteter Eindruck besteht, dass die deutschen Bischöfe unter der Leitung von Marx gegenüber den Interventionen des Vatikans weitgehend gleichgültig seien.
"Jeder weiß, was die Deutschen erreichen wollen, sie haben es mit größter Lautstärke mitgeteilt. Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass Marx nicht bis zum Konklave warten kann, um sich wie der Papst zu verhalten. Er hat entschieden, dass er weiß, was das Beste für die Kirche ist, und er wird dafür sorgen, dass es geschieht."
"Was gibt es noch zu tun, außer abzuwarten. Der Papst selbst hat bereits an die Deutschen geschrieben und sie ignorieren ihn. Wenn sie den Heiligen Vater ignorieren können, werden sie sicher jeden anderen an der Kurie ignorieren."
Auf einer Sitzung des Ständigen Rats der Bischofskonferenz im August lehnten die deutschen Bischöfe einen Vorschlag ab, der direkt die Anweisungen von Papst Franziskus an die deutsche Kirche umsetzen wollte.
Bei diesem Treffen lehnten die Vertreter der 27 Bistümer Deutschlands einen alternativen Vorschlag für einen synodalen Prozess ab, der sich auf den von Franziskus geforderten "Schwerpunkt der Evangelisierung" konzentriert hätte. Stattdessen stimmten die Oberhirten für den von Kardinal Marx vorgelegten Weg.
Das alternative Dokument spiegelt viele der Abläufe des Marx-Plans wider und schlägt eine umfassende und grundlegende geistliche Erneuerung im Einklang mit der Universalkirche und ihrem Glauben im Sinne der von Papst Franziskus geforderten Priorität der Evangelisierung vor.
Anstatt zu versuchen, sich mit Themen außerhalb der kirchenrechtlichen Autorität der Bischöfe zu befassen – wie der universalen kirchlichen Lehre über Sexualmoral, kirchliche Disziplin und Frauenordination -, hätte sie sich stattdessen auf Themen wie die Rolle der Laien in der Evangelisierung, Jugendseelsorge und Katechese, Unterstützung von Ehe und Familie, Berufungen und katechetische Anleitung zur Evangelisierung konzentriert.
"Es steht außer Frage, dass sie wissen, was der Papst von ihnen will", sagte ein hoher Beamter des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte gegenüber CNA. "Die Frage ist, ob die deutschen Bischöfe weiterhin daran interessiert sind, was der Heilige Vater sagt."
LETZTES UPDATE 13. September um 11:30 Uhr - Die deutsche Bischofskonferenz hat die Schreiben auf ihrer Website im italienischen Original und einer deutschen Übersetzung veröffentlicht - und eine erste Reaktion publiziert.
(*) Übersetzte und redigierte Fassung des Originalberichts der Catholic News Agency, der englischsprachigen Schwesteragentur von CNA Deutsch.
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