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Analyse: Der Abtritt von Becciu ist erst der Anfang

Kardinal Angelo Becciu

Es ist Donnerstag, 24. September, gegen 18 Uhr: Papst Franziskus bestellt Giovanni Angelo Becciu - den er erst vor zwei Jahren zum Kardinal gemacht hat - zum Gespräch.

Wie mehrere Quellen gegenüber CNA später bestätigen, hat der Papst soeben einen Pressebericht gelesen, der ihm vor Veröffentlichung zugespielt wurde: Der Artikel beschäftigt sich mit Becciu, dessen Umgang mit den Finanzen des Vatikans - und meldet neue Vorwürfe, dass Becciu sein Amt sowie Gelder der Kirche missbraucht haben soll, um sich und seine Familie zu bereichern.

Keine Stunde später veröffentlicht das Presse-Amt des Vatikans eine offizielle Mitteilung, dass der Papst "den Rücktritt Beccius" angenommen hat - und zwar von seinem Amt als Präfekt der Kongregation für Heiligsprechungsverfahren, als auch von seinen Rechten als Kardinal der Kirche. Ein nicht nur scharfer, sondern auch ein sehr seltener Schritt, eigentlich nur bei äußerst schweren Vergehen im Spiel.

Becciu hatte es zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht einmal in sein nahegelegenes - vor Kurzem aufwendig renoviertes - Appartement im Palazzo del Sant'Uffizio geschafft.

Werden Strafverfahren die Schuldfrage klären?


Plötzliche "Rücktritte" dieser Art sind an sich nichts Neues an der Kurie. Und Becciu saß oft auf der anderen Seite des Tisches solcher Kündigungsgespräche - zum Beispiel,als er den ersten Generalauditor des Vatikans, Libero Milone, dazu zwang, zu "kündigen". Milone wurde bekanntlich später von allen Vorwürfen freigesprochen, die Becciu gegen ihn erhob - darunter, dass der Auditor ihn und seine Finanzen "ausspionieren" wolle.

Wie Milone hat Becciu beteuert, nichts Unrechtes getan zu haben. Im Gegensatz zu Milone, dem Becciu nach eigenen Angaben mit einer Straf-Anzeige drohte, wenn er nicht stillschweigend abzieht, ist für Becciu der Rücktritt wohl eher ein Anfang als ein Ende. Denn sowohl die Staatsanwaltschaft des Vatikans als auch die italienische Guardia di Finanza wird in den kommenden Tagen Strafanzeige gegen Kardinal Becciu erstatten - so mehrere Quellen gegenüber CNA am Donnerstag.

Mit anderen Worten: Becciu wird aller Wahrscheinlichkeit nach Gelegenheit haben, ein Gericht von seiner beteuerten Unschuld überzeugen zu können.

Kardinal Pell dankt und beglückwünscht Papst Franziskus


CNA und CNA Deutsch haben in den vergangenen Jahren wiederholt recherchiert und berichtet, dass Becciu nicht nur im Mittelpunkt einer Reihe von Finanzskandalen im Vatikan stand - darunter die berüchtigte Londoner Luxusimmobilie und ein bankrottes Krankenhaus - sondern auch im Zusammenhang von Vorwürfen von Geldwäsche.

Becciu war es auch, der eine Buchprüfung und andere Transparenz- und Rechenschaftsmaßnahmen verhinderte, die Kardinal George Pell als Präfekt des Wirtschaftssekretariates angeordnet hatte. Als Sostituto des Staatssekretariates soll Becciu sich sogar erlaubt haben, den australischen Kardinal und Präfekten - also einen Vorgesetzten - zu "maßregeln", so Quellen.

Nun musste Becciu abtreten - und Kardinal Pell, der sich inzwischen erfolgreich gegen fragwürdige Vorwürfe gewehrt hat, er habe Missbrauch begangen - meldete sich mit einer Stellungnahme zu Wort. Darin dankt und beglückwünscht er dem Papst für seine Entmachtung Beccius.

Franziskus sei gewählt worden, die Finanzen des Vatikans aufzuräumen, so Pell, und fügt hinzu: "Ich hoffe, dass das Säubern der Ställe sowohl im Vatikan als auch in Victoria weitergeht."

(Es war die Polizei und Justiz im Bundesstaat Victoria, die gegen Pell jahrelang ohne Verdachtsmomente ermittelte - und damit offenbar vom Mafia-Spitzel-Skandal um "Lawyer X" ablenken wollte, wie CNA Deutsch berichtete. Erst der Oberste Gerichtshof in Canberra sprach den in Einzelhaft eingesperrten Pell letztlich frei.)

Finanznöte und Druck auf den Vatikan


Die fristlose Entlassung Beccius - denn darauf läuft sein "Rücktritt" hinaus - mag manche Medien überrascht haben. Nachdem bereits ehemalige Mitarbeiter von ihm jedoch vergangenes Jahr festgenommen worden waren, scheinen die Behörden es diesmal ernst zu meinen mit ihrem Kampf gegen Korruption.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Die Staatsanwälte des Vatikans hatten auch den "unglücklichen Vorteil", dass dem Heiligen Stuhl das Geld knapp wird - eine Tatsache die durch die Coronavirus-Pandemie verschärft wurde. Ganz zu schweigen vom Einbruch der Einnahmen der Kirchensteuer im Zuge der massiven Kirchenkrise in Deutschland.

Wenn weniger Geld vorhanden ist, wird es auch sehr viel schwieriger, fehlende Summen zu verbergen.

Gleichzeitig hat Moneyval, das Geldwäsche-Kontrollorgan der EU-Kommission, das Finanzwesen des Vatikans wiederholt inspiziert - ein weiterer Fortschrittsbericht wird in den nächsten Monaten veröffentlicht. Während Moneyval einige der unter Papst Franziskus eingeleiteten finanziellen Strukturreformen begrüßt hat, bemängelt die Behörde wiederholt die schlechte Bilanz des Vatikans bei der Verfolgung von Finanz-Kriminalität. Das erhöht den Druck auf die Ermittler, Anklage zu erheben.

Dieser Druck wird sich exponentiell erhöht haben, wenn italienische Staatsanwälte planen, selbst Anklage zu erheben: Der Vatikan kann es einfach nicht riskieren, den Anschein zu erwecken, sich davor gescheut zu haben, einen Fall vor Gericht zu bringen, wenn die italienischen Behörden eingeschaltet werden.

Becciu hat auf seiner Unschuld bestanden und gefordert, ihm die Möglichkeit zu geben, seine Unschuld zu beweisen. Zu seinem Glück kann sich sein Wunsch in diesem Fall durchaus mit dem der vatikanischen Staatsanwälte und Finanzinspektoren decken. Ein öffentlicher Prozess gegen Mitarbeiter der Kurie unter der Leitung eines Kurienkardinals: Das könnte das Letzte sein, was viele im Vatikan sehen wollten oder erwarteten. Aber genau das könnte jetzt die nächste Etappe einer Geschichte werden, die noch einen langen Weg vor sich hat.

Übersetzt und redigiert aus dem Originalder CNA Deutsch-Schwesteragentur von AC Wimmer.

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