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Bahnbrechender Bericht: Offenbar 330.000 Kinder in Frankreich missbraucht

François Devaux, Präsident von La Parole Libérée.

Hunderttausende Kinder sind in den vergangenen 70 Jahren in der katholischen Kirche in Frankreich missbraucht worden. Das hat eine unabhängige Kommission am heutigen Dienstag bekannt gegeben.

Die Unabhängige Kommission für sexuellen Missbrauch in der Kirche (CIASE) veröffentlichte ihren Abschlussbericht am 5. Oktober im Rahmen einer per Live-Stream übertragenen Präsentation in Paris.

In dem fast 2.500 Seiten starken Bericht heißt es, dass zwischen 1950 und 2020 schätzungsweise 216.000 Kinder von Priestern, Diakonen, Mönchen oder Nonnen missbraucht wurden.

Der Bericht fügte hinzu, dass die geschätzte Zahl der betroffenen Kinder für den gesamten Zeitraum auf 330.000 ansteigt, wenn auch der Missbrauch durch andere kirchliche Mitarbeiter berücksichtigt wird.

Bei der Vorstellung des Berichts sagte Jean-Marc Sauvé, Präsident des CIASE: "Während diese Gewalttaten in absoluten und relativen Zahlen bis Anfang der 1990er Jahre rückläufig waren, sind sie seitdem nicht mehr zurückgegangen."

"Die katholische Kirche ist der Ort, an dem die Prävalenz sexueller Gewalt am höchsten ist, abgesehen von den Familien- und Freundeskreisen."

"Angesichts dieser Geißel bestand die unmittelbare Reaktion der katholischen Kirche lange Zeit darin, sich selbst als Institution zu schützen, und sie hat völlige, sogar grausame Gleichgültigkeit gegenüber denjenigen gezeigt, die Missbrauch erlitten haben."

Matteo Bruni, Direktor der Pressestelle des Heiligen Stuhls, sagte am 5. Oktober, dass Papst Franziskus von den französischen Bischöfen während ihres jüngsten Ad-Limina-Besuchs in Rom über den Abschlussbericht informiert wurde.

"Seine Gedanken sind vor allem bei den Opfern, mit großem Schmerz über ihre Wunden und Dankbarkeit für ihren Mut, ihre Stimme zu erheben, und bei der Kirche Frankreichs, damit sie im Bewusstsein dieser schrecklichen Realität, vereint mit dem Leiden des Herrn für seine verletzlichsten Kinder, einen Weg der Erlösung beschreitet", sagte Bruni.

"Mit seinem Gebet vertraut der Papst dem Herrn das Volk Gottes in Frankreich an, insbesondere die Opfer, damit er ihnen Trost und Hilfe schenkt und mit der Gerechtigkeit das Wunder der Heilung geschieht."

Die von den französischen Bischöfen im November 2018 eingesetzte unabhängige Kommission untersuchte 30 Monate lang den Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche unter der Leitung von Sauvé, einem hohen Staatsbeamten.

Im Abschlussbericht heißt es, dass "die meisten Opfer noch pubertierende Jungen aus allen sozialen Schichten waren."

Die Studie schätzt, dass auf 115.000 Kleriker und Mönche "zwischen 2.900 und 3.200" Missbrauchstäter kommen, was "eine sehr hohe Zahl von Opfern pro Angreifer" bedeutet.

Die Studie legt nahe, dass "mehr als ein Drittel der sexuellen Übergriffe innerhalb der katholischen Kirche nicht von Klerikern oder Mönchen, sondern von Laien begangen wurden."

"Aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Gewissheit verzichtete die Kommission auf den Versuch, die Zahl der erwachsenen Opfer sexueller Übergriffe in der Kirche zu schätzen", heißt es in dem Bericht.

In einer offiziellen Zusammenfassung des Abschlussberichts heißt es, dass sich die Haltung der Kirche gegenüber Missbrauch erst in den 1990er Jahren zu ändern begann.

"Erst ab 2010 begann die Kirche, die Opfer anzuerkennen, als sie begann, die Fälle der Justiz zu melden, kanonische Sanktionen zu verhängen und zu akzeptieren, dass der Umgang mit den Aggressoren nicht länger eine interne Angelegenheit sein sollte", so der Bericht.

Sauvé übergab den Bericht bei der Veranstaltung in Paris offiziell an Erzbischof Éric de Moulins-Beaufort, den Vorsitzenden der französischen Bischofskonferenz (CEF), und Schwester Véronique Margron, die Vorsitzende der Konferenz der Ordensleute Frankreichs (CORREF).

Im Namen seiner Bischofskollegen sagte Moulins-Beaufort: "Denjenigen, die Opfer solcher Taten von Priestern, Ordensleuten oder anderen in der Kirche geworden sind, bringe ich meine Scham, mein Entsetzen und meine Entschlossenheit zum Ausdruck, mit ihnen zu handeln, damit die Weigerung zu sehen, die Weigerung zu hören, der Wunsch, die Tatsachen zu verbergen oder zu verschleiern, der Widerwille, sie öffentlich anzuprangern, aus der Haltung der kirchlichen Autoritäten, der Priester und der pastoralen Mitarbeiter, aller Gläubigen verschwindet."

Zu den weiteren Rednern gehörte François Devaux, Präsident von La Parole Libérée, einer Gruppe von Missbrauchsüberlebenden. Er wandte sich an die Täter und an die Bischöfe, die an der Vertuschung beteiligt waren: "Sie sind eine Schande für unsere Menschheit, Sie haben durch Ihr Verhalten die Verpflichtung des göttlichen Naturrechts, den Schutz des Lebens und der Würde der Person, mit Füßen getreten, obschon genau dies das eigentliche Wesen Ihrer Institution ist."

Der CIASE-Bericht mit dem Titel "Sexuelle Gewalt in der katholischen Kirche: Frankreich 1950-2020" enthält 45 Empfehlungen, darunter systematische Strafregisterüberprüfungen für kirchliche Mitarbeiter, die mit Kindern arbeiten, die Schaffung eines wirksamen nationalen Unterstützungssystems für Opfer, das Angebot von liturgischen Veranstaltungen, die die Auswirkungen von Missbrauch verdeutlichen, und die Einführung von Maßnahmen wie die Aufrechterhaltung eines physischen Raums zwischen dem Priester und dem Pönitenten während der Beichte."

Der Bericht forderte auch Änderungen im Kirchenrecht. Während er die jüngsten Überarbeitungen des Abschnitts des Codex des kanonischen Rechts, der sich mit strafrechtlichen Sanktionen befasst, anerkannte, forderte CIASE "eine weitreichende Überarbeitung des kanonischen Rechts in strafrechtlichen Angelegenheiten und im Umgang mit und der Sanktionierung von Vergehen".

"Dies sollte mit einer klaren Definition der Straftatbestände im Codex des kanonischen Rechts und den entsprechenden Durchführungsbestimmungen beginnen, wobei die anwendbaren Bezugsnormen durch die Festlegung einer Skala für die Schwere der Straftaten und durch die Verbreitung einer Sammlung der einschlägigen Rechtsprechung präzisiert werden sollten", hieß es.

"Zweitens muss das kanonische Strafverfahren überarbeitet und mit den grundlegenden Regeln für ein faires Verfahren in Einklang gebracht werden, wodurch den Opfern ein Platz im kanonischen Verfahren eingeräumt wird - was heute nicht der Fall ist."

Sauvé sagte: "Angesichts so vieler historischer oder aktueller Traumata ist die Kommission der Ansicht, dass von einem 'Umblättern' keine Rede sein kann."

"Die Zukunft kann nicht auf der Verleugnung oder dem Vergraben der harten Realität aufgebaut werden; Anerkennung und Verantwortung sind notwendig, um voranzukommen. Es ist von entscheidender Bedeutung, den Männern und Frauen, die an Leib und Seele unter der sexuellen Gewalt in der katholischen Kirche gelitten haben, wirklich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen."

Er fügte hinzu: "Daher muss alles getan werden, um den Schaden, der ihnen zugefügt wurde, so weit wie möglich wiedergutzumachen und ihnen zu helfen, ihr Leben wieder aufzubauen. Und um den Nährboden des Missbrauchs und die Straffreiheit der Täter zu beseitigen."

"Ein solcher Schritt nach vorn kann nicht an der Notwendigkeit vorbeigehen, dass die kirchlichen Behörden demütig ihre Verantwortung für die Fehler und Verbrechen anerkennen, die unter ihrer Schirmherrschaft begangen wurden. Dazu muss ein Weg der Reue beschritten werden, der dem Ausmaß des Leids entspricht und nicht in wenigen Tagen oder Wochen zu bewältigen ist."

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