Vatikanstadt - Montag, 9. Januar 2023, 12:35 Uhr.
Papst Franziskus hat seine diesjährige Neujahrsansprache vor den beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschaftern als „Aufruf zum Frieden in einer Welt“ charakterisiert, „in der Spaltungen und Kriege zunehmen“. Ausdrücklich sprach er sich gegen Abtreibung und Todesstrafe aus, kritisierte die zunehmende Verfolgung von Christen in der ganzen Welt, und warnte vor einem ideologischen Totalitarismus.
Der Pontifex betonte „den Wert des Friedens und der menschlichen Geschwisterlichkeit, zu deren Aufbau der Dialog seinen Beitrag leistet“. Derweil sei indes bereits „der dritte Weltkrieg in einer globalisierten Welt im Gange“, so der Papst.
In seiner Rede bezeichnete Franziskus den „Besitz von Atomwaffen“ als „unmoralisch“ und bezog sich dabei auf Papst Johannes XXIII., der jedoch nicht über den Besitz als solchen sprach, sondern festhielt: „Wenn es auch kaum glaublich ist, daß es Menschen gibt, die es wagen möchten, die Verantwortung für die Vernichtung und das Leid auf sich zu nehmen, die ein Krieg im Gefolge hat, so kann man doch nicht leugnen, daß unversehens und unerwartet ein Kriegsbrand entstehen kann.“
Blick auf verschiedene Länder
Mit Blick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine sagte der Papst: „Ich kann am heutigen Tag meinen Appell zur sofortigen Beendigung dieses sinnlosen Konflikts nur erneuern, dessen Auswirkungen im Bereich der Energie und der Nahrungsmittelproduktion auf ganze Gebiete, auch außerhalb Europas, vor allem in Afrika und im Nahen Osten, zu spüren sind.“
„Der dritte Weltkrieg in Teilen, den wir gerade erleben, veranlasst uns, einen Blick auf andere Schauplätze von Spannungen und Konflikten zu werfen“, erklärte das Oberhaupt der katholischen Kirche und sprach dann über die Situation in Syrien, den Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis sowie die Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo und im Südsudan. Jene beiden Länder werde er Ende Januar und Anfang Februar besuchen. Außerdem sprach der Papst über die Lage im Jemen, in Äthiopien, in Westafrika – besonders Burkina Faso, Mali und Nigeria –, in Myanmar (Burma) und Korea.
Papst Franziskus plädierte für eine weltweite umfassende Abrüstung, „da kein Frieden möglich ist, wenn die Werkzeuge des Todes so weit verbreitet sind“.
Friede im Lichte der Wahrheit
Im zweiten Teil widmete sich der Pontifex einer Analyse der Enzyklika Pacem in terris von Johannes XXIII. aus dem Jahr 1963 und stellte fest, dass „Friede nur im Lichte von vier grundlegenden Gütern“ möglich sei, nämlich „Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit“.
„Frieden in Wahrheit zu schaffen, bedeutet zuallererst, die menschliche Person in ihrem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu respektieren, für die die Freiheit bei der Suche nach der Wahrheit, bei der Äußerung von Meinungen und bei deren Verbreitung garantiert werden muss“, begann der Papst.
Abtreibung
In diesem Zusammenhang sprach er sich deutlich gegen Abtreibung aus und erklärte: „Frieden verlangt zuallererst, dass das Leben verteidigt wird, ein Gut, das heute nicht nur durch Konflikte, Hunger und Krankheiten gefährdet ist, sondern allzu oft schon im Mutterleib, indem ein angebliches „Recht auf Abtreibung“ geltend gemacht wird. Niemand kann jedoch ein Recht auf das Leben eines anderen Menschen beanspruchen, schon gar nicht, wenn er wehrlos ist und somit keine Möglichkeit hat sich zu verteidigen.“
„Ich appelliere daher an das Gewissen der Männer und Frauen guten Willens, insbesondere derjenigen, die politische Verantwortung tragen, sich für den Schutz der Rechte der Schwächsten einzusetzen und die Wegwerfkultur zu überwinden, die leider auch Kranke, Behinderte und ältere Menschen betrifft“, sagte der Papst weiter. „Die Staaten tragen die Hauptverantwortung dafür, die Betreuung der Bürger in jeder Phase des menschlichen Lebens bis hin zum natürlichen Tod zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass sich jeder Mensch auch in den schwierigsten Momenten seines Lebens begleitet und betreut fühlt.“
Todesstrafe
Ebenso sprach sich der Papst gegen die Todesstrafe aus, die gewöhnlich als Teil des Naturrechts angesehen wird: „Die Todesstrafe kann nicht für eine angebliche staatliche Gerechtigkeit herhalten, da sie weder abschreckt noch den Opfern Gerechtigkeit verschafft, sondern nur den Durst nach Rache schürt. Ich fordere daher, dass die Todesstrafe, die immer unzulässig ist, weil sie die Unverletzlichkeit und Würde der Person angreift, in der Gesetzgebung aller Länder der Welt abgeschafft wird.“
Religionsfreiheit
Es gelte, die Religionsfreiheit in der ganzen Welt anzuerkennen, sagte der Pontifex. Unter Berufung auf „Statistiken“ erklärte er, dass „jeder siebte Christ verfolgt wird“. Dabei nehme „Gewalt und Diskriminierung gegen Christen auch in Ländern“ zu, „in denen sie keine Minderheit sind“.
„Die Religionsfreiheit ist auch dort gefährdet, wo im Namen eines falsch verstandenen Inklusionsverständnisses für die Glaubenden die Möglichkeit eingeschränkt wird, ihre Überzeugungen im gesellschaftlichen Leben zum Ausdruck zu bringen“, sagte der Papst. „Die Religionsfreiheit, die nicht auf die bloße Freiheit der Religionsausübung reduziert werden kann, ist eine der Mindestvoraussetzungen für ein Leben in Würde, und die Regierungen haben die Pflicht, sie zu schützen und jedem Menschen im Einklang mit dem Gemeinwohl die Möglichkeit zu garantieren, auch im öffentlichen Leben und bei der Berufsausübung nach seinem Gewissen handeln zu können.“
Friede im Lichte der Gerechtigkeit
Mit Blick auf den Ansatz eines Friedens im Lichte der Gerechtigkeit sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche, man müsse „das multilaterale System“ reformieren, damit die entsprechenden Organe „wirklich die Bedürfnisse und Anliegen aller Völker repräsentieren und Abläufe vermieden werden, die einigen zum Nachteil anderer mehr Gewicht verleihen. Es geht also nicht darum, Blöcke von Allianzen zu bilden, sondern darum, Gelegenheiten für einen Dialog aller zu schaffen.“
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In letzter Zeit seine „die verschiedenen internationalen Foren“ durch „zunehmende Polarisierung und den Versuch gekennzeichnet, ein Einheitsdenken aufzuerlegen, das den Dialog verhindert und Andersdenkende ausgrenzt. Es besteht die Gefahr eines Abdriftens, welches immer mehr das Gesicht eines ideologischen Totalitarismus annimmt.“
Friede im Lichte der Solidarität
Zum Thema Friede im Lichte der Solidarität hielt Papst Franziskus fest, es gebe drei Bereiche, „in denen die Verflechtung, die die Menschheit heute verbindet, besonders deutlich zutage tritt und in denen mehr Solidarität besonders vordringlich ist“, nämlich die Migration, die Wirtschaft bzw. Arbeit sowie das Klima.
Migration
„Migration ist ein Thema, bei dem ein ‚unkoordiniertes Vorgehen‘ nicht zulässig ist“, warnte Franziskus. „Um dies zu verstehen, muss man nur einen Blick auf das Mittelmeer werfen, das zu einem großen Grab geworden ist. Diese untergegangenen Leben stehen sinnbildlich für den Schiffbruch unserer Zivilisation, wie ich auf meiner Reise nach Malta im vergangenen Frühjahr in Erinnerung rufen konnte.“
„In Europa ist es dringend erforderlich, den rechtlichen Rahmen durch die Verabschiedung des Neuen Pakts zu Migration und Asyl zu stärken, damit angemessene Maßnahmen zur Aufnahme, Begleitung, Förderung und Integration von Migranten durchgeführt werden können“, forderte der Papst. „Gleichzeitig verlangt die Solidarität, dass die pflichtgemäßen Hilfs- und Betreuungseinsätze für Schiffbrüchige nicht gänzlich auf der Bevölkerung der Hauptlandestellen lasten.“
Wirtschaft und Arbeit
Die Krisen der letzten Jahre hätten „die Grenzen eines Wirtschaftssystems aufgezeigt“, so der Pontifex, „das mehr auf die Schaffung von Profiten für einige wenige als auf Wohlstandschancen für viele ausgerichtet ist; eine Wirtschaft, die mehr auf Geld als auf die Produktion nützlicher Güter abzielt.“ So sei es zu „höchst ungerechten Arbeitsmärkten“ gekommen.
„Die Würde des Unternehmens und der Arbeit muss wiederhergestellt werden, indem alle Formen der Ausbeutung bekämpft werden, die dazu führen, dass die Arbeitnehmer als Ware behandelt werden, denn ‚ohne eine würdige und gut bezahlte Arbeit werden junge Menschen nicht wirklich erwachsen, [und] die Ungleichheiten nehmen zu‘“, betonte der Papst.
Klima
Die Welt sei inzwischen „ständig mit den Auswirkungen des Klimawandels und deren schwerwiegenden Folgen für das Leben ganzer Bevölkerungen konfrontiert“, beklagte Franziskus. „Es ist zu hoffen, dass die auf der COP27 mit der Verabschiedung des Sharm el-Sheikh Implementation Plan unternommenen Schritte, auch wenn sie ihre Grenzen haben, das Bewusstsein der gesamten Menschheit für ein dringendes Problem schärfen werden, dem man nicht länger ausweichen kann.“
Friede im Lichte der Freiheit
Schließlich betonte der Papst die Bedeutung der Freiheit für die Schaffung von Frieden: „Die Schwächung der Demokratie in vielen Teilen der Welt und der Möglichkeit der Freiheit, die sie bietet, wenn auch mit allen Begrenztheiten eines menschlichen Systems, ist ein Grund zur Sorge.“
„In vielen Bereichen ist ein Zeichen für die Schwächung der Demokratie die zunehmende politische und soziale Polarisierung, die nicht dazu beiträgt, die dringenden Probleme der Bürger zu lösen“, konstatierte Franziskus. Es gelte stattdessen, „die parteipolitische Logik zu überwinden und sich für das Gemeinwohl einzusetzen“.
Diplomatische Beziehungen des Heiligen Stuhls
Derzeit unterhalten 183 Staaten diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl, außerdem die Europäische Union und der Souveräne Malteserorden. In Rom befinden sich 91 beim Heiligen Stuhl akkreditierte Botschaften sowie akkreditierte Büros der Liga der Arabischen Staaten, der Internationalen Organisation für Migration und des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen.
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