Iskenderun - Dienstag, 6. Februar 2024, 16:10 Uhr.
Ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben im Südosten der Türkei und im Nordwesten Syriens hat der katholische Weihbischof des Apostolischen Vikariats von Anatolien, Antuan Ilgit SJ, auf die Ereignisse jener Nacht zurückgeblickt, als am 6. Februar 2023 um 4:17 Uhr Ortszeit die Erde zu beben begann und dabei unter anderem auch die Kathedrale von Iskenderun zerstört wurde. Ilgit, der 1972 in Deutschland geboren wurde und später vom Islam zum Christentum konvertierte, sprach letzte Woche mit EWTN News.
Im Interview mit EWTN-Reporter Colm Flynn sagte der Weihbischof, dass er zunächst nur kurz aufgeschreckt sei, als die Erde zu beben begann. „Es war nicht sehr stark am Anfang, also blieb ich im Bett liegen. Als es vorbei war, schien nichts passiert zu sein. Ich lebe in einem kleinen Haus, nicht einmal eines meiner Bücher ist auf den Boden gefallen.“
Doch dann seien die Schwestern des kontemplativen Ordens, der die Gemeinde betreut, in sein Zimmer gestürmt und hätten gerufen: „Die Kathedrale ist nicht mehr da.“ Als Ilgit sich dorthin auf den Weg machte, musste er mit Entsetzen feststellen, dass bis auf ein paar wenige Mauern nichts mehr vom Kirchengebäude übrig war. „Ich kletterte auf die Trümmer, um die Stadt sehen zu können“, berichtete der Weihbischof. „Das erste, was ich sah, war die Statue der Madonna, die unversehrt war. Auf der anderen Seite stand die Statue des Heiligen Antonius von Padua, der mein Schutzpatron ist. Das waren Zeichen der Hoffnung für mich.“
Teile der Apsis waren ebenfalls noch intakt, sie drohte jedoch zu kollabieren und den Tabernakel unter sich zu begraben. Gemeinsam mit den Schwestern holte er das Altarsakrament aus dem Tabernakel. „Wenn ich jetzt daran zurückdenke, dann ist mir, als hätte der Herr auf uns gewartet, damit ich ihn gemeinsam mit den Schwestern rette.“
Angst habe er in diesem Moment keine gehabt, sagte Weihbischof Antuan Ilgit gegenüber Colm Flynn und EWTN (eine ausführliche Reportage über die Recherche-Reise von EWTN lesen Sie hier). Er berichtete: „Vielleicht standen wir unter Schock und dachten deshalb nicht darüber nach, was gerade passiert war. Innerhalb weniger Minuten kamen dann 100 bis 120 Gemeindemitglieder hierher. Sie kletterten auf die Trümmer und brachten Decken; einige weinten und sagten mir: ‚Vater, wir haben unser Zuhause verloren'.“ Auch viele Muslime aus der Umgebung strömten zum Trümmerfeld, auf der Suche nach Trost.
„Wenn wir Erfahrungen wie Erdbeben, Kriege oder andere Herausforderungen durchmachen, ist der Herr immer bei uns und lässt uns nie im Stich“, ist sich der Weihbischof auch ein Jahr nach dem Erdbeben sicher. Er fügte an: „Wir brauchen greifbare Zeichen. Mit diesen kleinen Dingen, wie der unversehrten Statue, seiner Gegenwart, die im Tabernakel blieb, hat er uns versichert: Ich bin hier, ich bin bei euch.“
Schwer sei es dennoch, in diesem Moment der noch immer andauernden Katastrophe von der Hoffnung zu predigen, wie Ilgit einräumte. Über diesen Umstand habe er auch mit Papst Franziskus bei einem persönlichen Treffen vor einigen Monaten gesprochen. „Papst Franziskus sagte zu mir: ‚Es wird schwierig sein, vor Ihrer Gemeinde zu predigen und über Hoffnung zu sprechen‘. Ich gestand ihm, dass es in der Tat schwierig sei, aber es waren genau diese Menschen, die Hoffnung erfahren haben. Sie wurden zu Zeugen der Gegenwart des Herrn. Es gibt diese innere Stärke, tief in einem jeden Menschen drin, der Herr selbst hat sie in uns verankert: Es ist die Hoffnung!“
Für ihn selbst sei diese Erfahrung allerdings auch eine Art „Erweckungserlebnis“ hinsichtlich der eigenen Berufung gewesen, wie Antuan Ilgit feststellte: „Ich glaube, das ist nun meine wahre Mission, der Grund, warum der Herr mich ausgerechnet jetzt hierhin geschickt hat: Um bei den Menschen zu sein, um ihnen mitten in dieser Tragödie Kraft zu spenden.“