Wochenkolumne: Schlammschlachten und Zwei-Staatenlösungen

Der Petersdom
CNA/Petrik Bohumil

Mehrere Erdbeben haben diese Woche wieder Mittel-Italien erschüttert. Besonders tragisch ist der Fall eines Lawinen-Niedergangs im Gran Sasso-Gebirge, der mehreren Menschen das Leben kostete. Auslöser waren vermutlich die Erdstösse, mehrere von der Stärke 5 auf der Richter-Skala, die auch im Vatikan deutlich zu spüren waren.

Schwere Erschütterungen gab es diese Woche auch anderer Art im Vatikan.

Da ist einmal der andauernde Streit zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Souveränen Malteser-Orden; dann ist da ein neues Buch von Emiliano Fittipaldi – dem Journalisten, der beim jüngsten Vatileaks II-Prozess auf der Anklagebank saß. Statt über die vatikanischen Finanzen schreibt er diesmal über Sexuellen Missbrauch und Vertuschung: Unter dem Titel "Lussuria" – was soviel wie Fleischeslust, Unzucht heißt – kritisiert der Autor den Umgang mit Missbrauch im Pontifikat von Papst Franziskus. Der Vorwurf: Ausser Lippenbekenntnissen des Papstes zu einer "Null-Toleranz-Strategie" sei zu wenig geschehen. Dabei wiederholt Fittipaldi auch bereits bekannte Vertuschungsvorwürfe gegen drei enge Berater von Franziskus: Die Kardinäle George Pell, Oscar Rodriguez Maradiaga und Francisco Javier Errazuriz Ossa. Die beiden südamerikanischen Purpurträger, der Nicaraguaner Maradiaga und der Chilene Errazuriz, sind Mitglieder im Kardinalsrat, dem Beratungsgremium des Papstes. Der Australier Pell ist Präfekt des neuen Wirtschaftssekretariats im Vatikan – und eine Speerspitze der Kurienreform.

"Schlampig und veraltet"

Pell hat gewohnt deutlich auf die Vorwürfe reagiert: Der ehemalige Erzbischof von Melbourne und später Sydney hat bereits mehrfach öffentlich jedwede Beteiligung an sexuellem Missbrauch oder der Vertuschung desselben in seiner Zeit als Bischof von 1987 bis 2014 in Australien abgestritten. Dabei übte der robuste Angelsachse, der das Gespräch mit Missbrauchten gesucht hat, durchaus Selbstkritik an der Art, wie er und die Kirche früher mit Opfern von Missbrauch umgegangen seien. Doch in einer Stellungnahme seines Büros hieß es zu Fittipaldis Wiederholung der Vorwürfe, diese seien ein weiterer Versuch, die Kurien-Reform des Papstes auszubremsen.

"Nun, da sich der die Wirtschaftsreformen des Heiligen Vaters in ihrer Gesamtwirkung bemerkbar machen, sind Artikel, die den Heiligen Vater und jene diskreditieren wollen, welche die Reformen anführen, leider zu erwarten. Und als solche sollten sie auch erkannt werden." Fittipaldis Arbeit sei eine "besonders schlampige und veraltete" Leistung, hieß es weiter.

Ähnlich deutlich kritisierte der anerkannte Missbrauchs-Experte und deutsche Jesuitenpater Hans Zollner andere Aspekte des Fittipaldi-Buches: Im Interview mit der KNA sagte der Vize-Rektor der Gregoriana, der auch Mitglied der Kinderschutzkommission des Papstes ist, das Werk "wimmelt von Fehlern, Ungenauigkeiten und Vermutungen".

Sicher sei an dem Buch nur eins, kommentierte denn auch der "Tagespost"-Vatikanist Guido Horst trocken – dass dem Vatikan Ärger ins Haus stehe. Horst warnt vor einer Schlammschlacht um die Tatsache, dass eben "die Pest des Missbrauchs noch nicht ausgeheilt" sei.

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Widersprüchliche Leitlinien

Der Journalist Horst war es auch, der diese Woche mit Blick auf eine andere Problematik, die kräftige Erschütterungen verursacht, vor einem "Faktischen Schisma" der Kirche gewarnt hat: Der Umsetzung von Amoris Laetitia (AL).

Nach den AL-Leitlinien der Bischöfe Maltas, denen zufolge jeder Katholik subjektiv selber entscheiden sollte, ob er oder sie "im Frieden mit Gott" ist, und daher auch, ob der würdige Empfang der Kommunion möglich ist, folgte wenig später ein Hirtenbrief, der genau das Gegenteil verordnet: Der Diözesanbischof der US-Anglikaner, die zur katholischen Kirche zurückgekehrt sind, bekräftigt vielmehr die bisherige Lehre der Kirche, auch im Umgang mit der Heiligen Kommunion.

Bischof Steven Lopes vom Personalordinariat "Kathedra Petri" wiederholt in seinem Hirtenbrief, der an alle 42 Pfarreien und Gemeinden des Ordinariates in den USA geschickt wurde, die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe und der Päpste, darunter des heiligen Johannes Paul II. und Benedikts XVI.

Das 16-seitige Dokument trägt den Titel A Pledged Troth, zu Deutsch "Geschwörte [ewige] Treue".

Erst am vergangenen Freitag hatten ja die Bischöfe Maltas ihre Leitlinien zu Amoris Laetitia vorgelegt, in denen unter anderem argumentiert wird, wiederverheiratete Menschen könnten eine enthaltsame Partnerschaft für "unmöglich" befinden, und deshalb trotzdem zur Kommunion gehen, wenn sie sich "im Frieden mit Gott" fühlten.

Im Gegensatz zu dieser Interpretation schreibt Bischof Lopes nun wiederum, dass Katholiken im Stand der Gnade sein müssen, bevor sie zur Kommunion gehen. Schwere Sünden – etwa Ehebruch – müssten daher zuerst gebeichtet werden und die feste Absicht gefasst, nicht mehr weiter diese Sünde zu verüben.

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Dies gelte auch für geschiedene Wiederverheiratete, so der Hirtenbrief:

"Ein staatlich wiederverheiratetes Paar, welches sich fest vornimmt, vollkommen keusch zu leben, entschliesst sich also, nicht weiter zu sündigen. Das ist ein grundsätzlicher Unterschied zu einem staatlich wiederverheirateten Paar, das nicht den Vorsatz fasst, keusch zu leben, egal wie viel Trauer sie über das Scheitern ihrer ersten Ehe empfinden mögen. In dieser Situation erkennen sie entweder nicht an, dass ihre Unkeuschheit, die Ehebruch darstellt, eine schwere Verfehlung ist, oder sie beabsichtigen nicht ernsthaft, Sünde zu vermeiden".

Dabei betont der Bischof wiederholt, dass und wie eine Lösung möglich sei, auch wenn sie sich als schwierig darstelle. Unter anderem werden Empfehlungen einer guten Begleitung gegeben und betroffene Paare ermutigt, neben der Keuschheit auch eine Prüfung der ersten Ehe zu unternehmen, und ob diese ohne annuliert gehöre. Gott "lässt uns nicht in unserer Schwäche und Bedürftigkeit allein", betont der Hirtenbrief.

Dies bedeute jedoch nicht, dass einem das Gewissen ermögliche, "Ausnahmen" zu machen: "Das Wort Gottes und die maßgebliche Lehre der Kirche liefern die bleibende Wahrheit zur Gewissensbildung", so Bischof Lopes in seinem Hirtenbrief, der wiederholt Familiaris Consortio und den Katechismus der katholischen Kirche zitiert.

Noch vor Erscheinen hatte Guido Horst kommentiert: "Der Graben wird tiefer. Florenz gegen Rom, Polen gegen Argentinien, Malta gegen Mailand. Das nennt man ein faktisches Schisma."

Egal ob man dieser Einschätzung zustimmt, oder nicht: Tatsache ist, dass sich eine Spaltung der Kirche auf diese Weise niemand wünschen würde, dem die Kirche Jesu Christi am Herzen liegt.

Eine Zwei-Staaten-Lösung, wie sie katholische Bischöfe zum Abschluss ihres internationalen Treffens im Heiligen Land gefordert haben, kann es für die Kirche nicht geben – und gerade solche Trennungen zu überwinden ist ja eines der Grundanliegen des Pontifikates von Papst Franziskus.

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