Vatikanstadt - Mittwoch, 22. Mai 2024, 9:16 Uhr.
Papst Franziskus hat das erste Konzil der katholischen Kirche in China vor 100 Jahren als „authentische synodale Reise“ gewürdigt, die der Kirche in China den Weg geebnet habe, „immer mehr ein chinesisches Gesicht anzunehmen“.
In einer Videobotschaft an eine Konferenz in Rom über die katholische Kirche in China erinnerte der Papst daran, dass die chinesischen Katholiken im vergangenen Jahrhundert „Zeiten der Geduld und der Prüfung“ überstanden hätten.
„Der Herr in China hat den Glauben des Gottesvolkes auf seinem Weg beschützt. Und der Glaube des Gottesvolkes war der Kompass, der den Weg durch diese Zeit gezeigt hat“, sagte Papst Franziskus in seiner Ansprache am 21. Mai.
Bild: Fabio Gonnella / EWTN
Als Beispiel für einen Moment, in dem „die Gemeinschaft zwischen dem Heiligen Stuhl und der Kirche in China Früchte getragen hat, Früchte des Guten für das ganze chinesische Volk“, nannte der Papst ein Kirchenkonzil, das 25 Jahre vor der kommunistischen Revolution in China in Shanghai stattfand.
Das Konzil von 1924, das sogenannte Primum Concilium Sinense, brachte 105 katholische Missionare, Bischöfe und chinesische Katholiken zusammen, um den Rahmen für eine einheimische chinesische Hierarchie zu schaffen.
„Die im Concilium Sinense versammelten Väter haben eine authentische synodale Erfahrung gemacht und gemeinsam wichtige Entscheidungen getroffen“, sagte Papst Franziskus.
„Die Erinnerung an das Konzil von Shanghai kann auch heute der ganzen Kirche neue Wege weisen und Wege öffnen, die mutig beschritten werden müssen, um das Evangelium in der Gegenwart zu verkünden und zu bezeugen“, fügte er hinzu.
Unter den Zuhörern der Videobotschaft des Papstes waren auch Vertreter der Volksrepublik China, darunter Bischof Shen Bin von Shanghai, der im April 2023 von den chinesischen Behörden einseitig und ohne päpstliches Mandat zum Bischof von Shanghai ernannt wurde und damit gegen die Vereinbarung zwischen dem Vatikan und China verstieß. Papst Franziskus bestätigte die Ernennung im Juli 2023.
Der Heilige Stuhl hatte mit Peking erstmals 2018 ein vorläufiges Zweijahresabkommen über die Ernennung von Bischöfen geschlossen, das seither zweimal verlängert wurde und in diesem Herbst erneut erneuert werden soll.
Papst Franziskus ging in seiner Botschaft nicht auf die diplomatischen Bemühungen des Vatikans mit Peking oder die Religionsfreiheit in China ein, sondern sagte, dass die chinesischen Katholiken heute „ihren Glauben durch Werke der Barmherzigkeit und Nächstenliebe bezeugen und durch ihr Zeugnis einen echten Beitrag zur Harmonie des gesellschaftlichen Zusammenlebens leisten“.
Eine große Statue der Muttergottes von Sheshan stand während der Ansprache auf dem Schreibtisch des Papstes. Der Papst wies darauf hin, dass im Monat Mai viele chinesische Katholiken zum Marienwallfahrtsort Sheshan in der Nähe von Shanghai pilgern.
„Auch ich besteige im Idealfall den Sheshan-Hügel und gemeinsam wollen wir Maria, der Helferin der Christen, unsere Brüder und Schwestern im Glauben in China, das ganze chinesische Volk und unsere ganze arme Welt anvertrauen und sie um ihre Fürsprache bitten, damit der Friede immer und überall siege“, so Papst Franziskus.
Im Anschluss an die Botschaft des Papstes hielt Bischof Shen Bin vor dem voll besetzten Auditorium der Päpstlichen Universität auf dem Janiculum-Hügel mit Blick auf den Petersdom eine 15-minütige Ansprache in chinesischer Sprache.
In seiner Ansprache gab der chinesische Bischof eine andere Interpretation des Konzils von 1924 als der Papst. Er sagte, dass „das Konzil von Shanghai nicht zu einer sofortigen und radikalen Veränderung der Kirche in China geführt hat“ und fügte hinzu, dass bis zur kommunistischen Revolution 1949 „nur 29 der 137 Diözesen Chinas chinesische Bischöfe hatten und nur drei der 20 Erzbischöfe Chinesen waren“.
„Die katholische Kirche in China hatte sich noch nicht wirklich von ausländischen Mächten befreit, um eine von chinesischen Christen geführte Organisation zu werden, und es war ihr noch nicht gelungen, das Etikett einer ‚ausländischen Religion‘ abzulegen“, sagte er.
Shen Bin, der führende Positionen in der Chinesischen Katholischen Patriotischen Vereinigung innehatte, die von der Kommunistischen Partei Chinas gegründet wurde und der Abteilung für Einheitsfrontarbeit untersteht, verteidigte Pekings Religionsfreiheit und betonte, dass die Kirche in China einen „Weg der Sinisierung“ gehen müsse.
„Die von der chinesischen Regierung verfolgte Politik der Religionsfreiheit hat kein Interesse daran, den katholischen Glauben zu verändern, sondern hofft nur, dass der katholische Klerus und die Gläubigen die Interessen des chinesischen Volkes verteidigen und sich von der Kontrolle ausländischer Mächte befreien“, sagte Shen Bin in seiner Ansprache.
„Heute erlebt das chinesische Volk die große Wiedergeburt der chinesischen Nation auf globaler Ebene mit einer Modernisierung im chinesischen Stil, und die katholische Kirche in China muss in die gleiche Richtung gehen und einen Weg der Sinisierung einschlagen, der der heutigen chinesischen Gesellschaft und Kultur entspricht“, fügte der Bischof von Shanghai hinzu.
Die Konferenz mit dem Titel „100 Jahre Concilium Sinense: Zwischen Geschichte und Gegenwart“ fand in chinesischer und italienischer Sprache in der Aula der Päpstlichen Universität Urban statt. Die Pastoralkommission für China und Agenzia Fides, der Informationsdienst der Päpstlichen Missionswerke, organisierten die Konferenz, bei der Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und Kardinal Luis Antonio Tagle sprachen.
In einem Gespräch mit Journalisten am Rande der Konferenz sagte Parolin, der Heilige Stuhl wolle seine Kontakte zu China ausbauen und vertiefen.
„Wir hoffen schon lange auf eine stabile Präsenz in China, auch wenn diese zunächst nicht die Form einer päpstlichen Vertretung einer Apostolischen Nuntiatur annehmen mag“, so Parolin.
Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.