Vatikanstadt - Montag, 16. Juni 2025, 12:30 Uhr.
Erzbischof Georg Gänswein und Papst Franziskus haben sich versöhnt, noch bevor der frühere Pontifex am 21. April 2025 in Rom verstarb. In einem exklusiven Interview mit EWTN News räumte Gänswein ein, dass es zwischen ihm und Papst Franziskus zwar „bestimmte Schwierigkeiten, bestimmte Spannungen“ gegeben habe, allerdings könne man nicht von einem „Zerwürfnis“ sprechen. „Nicht alles war so, wie die Presse das berichtet hat“, so der frühere Privatsekretär von Papst Benedikt XVI.
Die Versöhnung habe bereits im Januar 2024 stattgefunden, nachdem der deutsche Kirchenmann anlässlich des ersten Todestages von Papst Benedikt XVI. am 31. Dezember 2023 bei der Jahrgedächtnisfeier im Petersdom gepredigt hatte. Zwei Tage später hatte Gänswein eine Audienz bei Papst Franziskus. „Das war der Moment des Entspannungsprozesses“, so der Erzbischof. „Dass ich dann nachher zum Nuntius in den baltischen Ländern ernannt wurde, ist sicherlich eine Frucht davon.“
Wie CNA Deutsch berichtete, war Gänswein Anfang 2020 von seinem Posten als Präfekt des Päpstlichen Hauses „beurlaubt“ worden. Nach dem Tod von Papst Benedikt im Dezember 2022 schickte Papst Franziskus ihn zurück in seine Heimatdiözese nach Freiburg, allerdings ohne eine spezifische Aufgabe. Knapp ein Jahr später, im Juni 2024, wurde Gänswein vom damaligen Pontifex zum Apostolischen Nuntius von Litauen, Lettland und Estland ernannt.
„Es war nicht so, dass wir im Streit auseinandergegangen sind“, bekräftigte Gänswein im am Montag veröffentlichten Interview mit EWTN-Romkorrespondent Rudolf Gehrig. Auch seine erste Audienz als Nuntius im vergangenen November sei „sehr herzlich“ gewesen. Rückblickend seien die Begegnungen mit Papst Franziskus im Januar 2024, die Ernennung zum Nuntius im Juni 2024 und die Audienz im November 2024 ein „Dreischritt“ gewesen, der ihm „den inneren Frieden wieder geschenkt“ habe. In den vergangenen Tagen habe er außerdem auch das Grab von Papst Franziskus besucht und dort für den verstorbenen Papst gebetet. „Und das hat die Versöhnung dann auch vollendet“, so der Erzbischof.
Gänswein über „atmosphärische Präsenz des Krieges“ im Baltikum
Gänswein ging im Gespräch mit EWTN News auch auf die aktuelle Lage in den baltischen Staaten ein. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sei in der Gesellschaft besonders präsent, berichtete der Erzbischof. Vilnius, die Hauptstadt von Litauen, in der Gänswein im vergangenen Jahr seinen Amtssitz in der Nuntiatur bezogen hat, liegt nur 600 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Hauptstadt Kiew entfernt.
Insgesamt sei in der Bevölkerung durchaus ein „Misstrauen gegenüber den Russen, vor allem gegenüber Putin“ zu spüren. Dies gehe noch auf den Einfluss der kommunistischen Diktatur zu Zeiten des „Eisernen Vorhangs“ zurück. „Es ist eine atmosphärische Präsenz des Krieges da“, sagte Gänswein. „Es ist wichtig, dass man die Realität sieht, an-, aber auch ernstnimmt. Wir müssen das Leben normal weiterleben. Und als Christen haben wir das große Geschenk, dass wir im Glauben hier klare Hoffnung haben und auch eine klare Botschaft.“
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Während Litauen zu 80 Prozent katholisch ist, sind die Kräfteverhältnisse zwischen Katholiken und orthodoxen Christen in Lettland mit jeweils 20 Prozent fast gleichmäßig verteilt. In Estland dagegen sei sogar ein Fünftel der Bevölkerung russischstämmig, dieser Einfluss sei „spürbar“.
Ökumene in Zeiten des „Bruderkrieges“
Durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sei auch die Ökumene mit den orthodoxen Kirchen schwieriger geworden, erklärte Gänswein. Die orthodoxen Kirchen in den baltischen Ländern, die zunächst unter dem Patriarchat von Moskau standen, wandten sich vom russisch-orthdoxen Patriarchen Kyrill I. ab, der den Krieg gar religiös zu legitimieren versuchte. „Wie kann der Patriarch den Krieg – es ist eigentlich ein Bruderkrieg, also orthodox bekämpft orthodox – wie kann er das unterstützen?“, fragte Gänswein. „Das ist ein neuer Zankapfel, da gilt es sozusagen die Fäden – das sind keine Brücke mehr – die Fäden nicht zu kappen, sondern zu halten.“
Kurz nach Beginn der russischen Invasion hatten sich Kyrill und Papst Franziskus auf Wunsch des Patriarchen am 16. März 2022 zu einem Videotelefonat getroffen (CNA Deutsch berichtete). Der Schweizer Kardinal Kurt Koch, der beim Treffen dabei war, berichtete später in einem Interview mit EWTN News: „Da hat der Papst sehr deutlich gesprochen, als er zum Patriarchen sagt: ‚Wir sind keine Staatskleriker, sondern wir sind Hirten des Volkes. Und deshalb muss es unsere Aufgabe sein, diesen Krieg wieder zu beenden.‘“
Gänswein unterstrich derweil, dass der Vatikan in der Rolle als Vermittler weiterhin gebraucht werde. Es gehe bei diesem Krieg nicht nur um Russland und die Ukraine, wie der Nuntius anfügte, „da spielen die Großmächte eine große Rolle“. Aktuell seien die Menschen in den baltischen Staaten daher „etwas enttäuscht über die Haltung der jetzigen US-Regierung, die haben da anderes erwartet“. Nun müsse man lernen, mit den „Fakten“ umzugehen und sich „neu zu justieren“.
Das komplette EWTN-Interview mit Erzbischof Georg Gänswein im Video: