Papst Franziskus spricht bei Kurzbesuch auf Korsika über Bedeutung der Volksfrömmigkeit

Papst Franziskus am 15. Dezember 2024 auf Korsika
Daniel Ibáñez / EWTN News

Papst Franziskus befindet sich heute in Ajaccio auf Korsika, um dort an einem Kongress zur Volksfrömmigkeit im Mittelmeerraum teilzunehmen, sich mit der Geistlichkeit der zu Frankreich gehörenden Insel zu treffen und schließlich eine Messe zu feiern.

Beim Kongress erinnerte der Pontifex daran, dass „eine ganz besondere religiöse Erfahrung“ zwischen dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten „ihren Ursprung“ habe, „die mit dem Gott Israels verbunden ist, der sich den Menschen offenbart und einen unaufhörlichen Dialog mit seinem Volk begonnen hat, der seinen Höhepunkt in der einzigartigen Gegenwart Jesu, des Sohnes Gottes, findet, der das Antlitz des Vaters, seines und unseres Vaters, in endgültiger Weise offenbart hat und der den Bund zwischen Gott und der Menschheit zur Vollendung geführt hat“.

In den vergangenen 2000 Jahren habe das Christentum „das Leben der Völker und deren politische Institutionen geprägt“. Besonders „in den europäischen Ländern“ scheine heute indes „die Frage nach Gott zu verklingen“. Man stehe „seiner Gegenwart und seinem Wort immer gleichgültiger gegenüber“. Dennoch dürfe man „nicht voreiligen Betrachtungen und ideologischen Urteilen“ verfallen, „die manchmal heute noch die christliche Kultur und die säkulare Kultur einander entgegensetzen“.

Es gelte, „eine gegenseitige Offenheit zwischen diesen beiden Horizonten zu erkennen: die Gläubigen öffnen sich zunehmend gelassen für die Möglichkeit, ihren Glauben zu leben, ohne ihn anderen aufzudrängen, wie ein Sauerteig im Teig der Welt und des Umfeldes, in dem sie leben. Nichtgläubigen oder Menschen, die sich von der religiösen Praxis distanziert haben, ist die Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Solidarität nicht fremd, und oft haben sie, auch wenn sie keiner Religion angehören, in ihrem Herzen ein größeres Verlangen, eine Sehnsucht nach Sinn, die sie dazu führt, nach dem Geheimnis des Lebens zu fragen und nach grundlegenden Werten für das Gemeinwohl zu suchen.“

Hierbei könne die Volksfrömmigkeit eine wichtige Rolle spielen: „Einerseits erinnert sie uns an die Inkarnation als Grundlage des christlichen Glaubens, der immer in der Kultur, der Geschichte und den Sprachen eines Volkes zum Ausdruck kommt und durch die Symbole, Bräuche, Riten und Traditionen einer lebendigen Gemeinschaft weitergegeben wird. Andererseits zieht die Praxis der Volksfrömmigkeit auch Menschen an und bezieht sie mit ein, die an der Schwelle zum Glauben stehen, die ihn nicht eifrig praktizieren und in ihm dennoch die eigenen Wurzeln und Neigungen sowie Ideale und Werte erleben, die sie für ihr eigenes Leben und für die Gesellschaft für nützlich halten.“

„Indem sie den Glauben mit einfachen Gesten und symbolischen Sprachformen zum Ausdruck bringt, die in der Kultur des Volkes verwurzelt sind, offenbart die Volksfrömmigkeit die Gegenwart Gottes im lebendigen Fleisch der Geschichte“, erläuterte Franziskus. „Sie stärkt die Beziehung zur Kirche und wird oft zu einem Anlass zur Begegnung, zum kulturellen Austausch und zum Feiern. In diesem Sinne verleihen ihre Praktiken der Beziehung zum Herrn und den Inhalten des Glaubens Gestalt und ermöglichen, dass dieser im Leben und in der Geschichte wirklich Fleisch annimmt.“

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Der Papst warnte gleichzeitig vor der Gefahr, „dass sich die Erscheinungsformen der Volksfrömmigkeit auf äußerliche oder folkloristische Aspekte beschränken, ohne zu einer Begegnung mit Christus zu führen, oder dass sie von ‚Schicksalsgläubigkeit oder Aberglaube‘ und deren Aspekten kontaminiert werden“. Auch könne es geschehen, „dass die Volksfrömmigkeit von Gruppierungen genutzt und instrumentalisiert wird, die ihre eigene Identität auf polemische Weise stärken wollen, indem sie Partikularismen, Entgegensetzung und ausgrenzende Haltungen fördern“.

Insgesamt aber gelte: „Wenn es der Volksfrömmigkeit gelingt, den christlichen Glauben und die kulturellen Werte eines Volkes zu vermitteln, indem sie die Herzen vereint und zu einer Gemeinschaft zusammenschließt, dann geht daraus eine wichtige Frucht hervor, die auf die Gesellschaft als Ganzes und auch auf die Beziehungen zwischen den zivilen und politischen Institutionen und der Kirche zurückwirkt.“

Mehr in Europa

Der Einfluss der Volksfrömmigkeit auf die Gesellschaft, etwa durch „karitative Aktivitäten von Bruderschaften“, könne dazu führen, dass sich die Gläubigen „auf einem gemeinsamen Weg auch mit den säkularen Institutionen – zivilen und politischen – zusammenfinden, um sich gemeinsam im Dienste aller, angefangen bei den Letzten, für ein ganzheitliches menschliches Wachstum“ einzusetzen.

„Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, ein Konzept von Säkularität zu entwickeln, das nicht statisch und steif ist, sondern entwicklungsfähig und dynamisch, das in der Lage ist, sich an unterschiedliche oder unvorhergesehene Situationen anzupassen und eine beständige Zusammenarbeit zwischen zivilen und kirchlichen Instanzen zum Wohle aller zu fördern, wobei ein jeder im Rahmen der eigenen Zuständigkeiten und des eigenen Bereichs bleibt“, betonte Papst Franziskus.

„Liebe Freunde, die Volksfrömmigkeit, die hier auf Korsika sehr tief verwurzelt ist, lässt die Werte des Glaubens hervortreten und bringt zugleich die Gestalt, die Geschichte und die Kultur der Völker zum Ausdruck. In dieser Verflochtenheit – ohne Vermischung – nimmt der beständige Dialog zwischen dem religiösen und dem säkularen Bereich, zwischen der Kirche und den zivilen und politischen Institutionen, Gestalt an. In dieser Frage seid ihr schon lange unterwegs und ihr seid ein virtuoses Beispiel in Europa. Macht weiter so!“, sagte Franziskus abschließend.