Der Stern von Bethlehem – ein astronomischer Fakt?

Die Sterndeuter folgen dem Stern von Bethlehem
José Luiz Bernardes Ribeiro / CC BY-SA 4.0

Handelt es sich bei dem Bericht des Evangelisten Matthäus über die Reise der Sternendeuter aus dem Morgenland nach Bethlehem um eine frei gestaltete Nacherzählung mündlicher Überlieferung oder um einen authentischen Bericht, der auf astronomischen Fakten beruht?

Seit langem wird in Fachkreisen die Hypothese vertreten, dass es sich bei der langandauernden Begegnung des Planeten Jupiter mit Saturn im Herbst des Jahres 7 v. Chr. um den Messias-Stern handelt, der von Sternenkundigen aus dem damaligen Zentrum der Astronomie in Babylon lange im Voraus errechnet worden war.

Diese Annahme hat durch das Buch des Lehrbeauftragten und Vorstandes des Instituts für Theoretische Astronomie in Wien, Konradin Ferrari, neue Bekanntheit erhalten. Bevor er 23 Jahre als Astronomie-Professor wirkte, war er auch Leiter der Urania-Sternwarte in Wien. Sein Buch trägt den Titel: „Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht – Legende oder Tatsache?“ Wer zum Beispiel am heutigen 6. Januar 2025 im Planetarium Stuttgart die ausverkaufte Vorführung „Der Weihnachtsstern“ besucht, wird genau mit dieser Sichtweise konfrontiert.

Aus astronomischer Wissenschaft gibt es eine schlüssige Untermauerung des Berichtes im Matthäus-Evangelium, der schlicht lautet: „Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. […] Nach den Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. […] Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. […] Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten […] denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.“

Kann ein solcher Bericht mit den Erkenntnissen der modernen Astronomie in Übereinstimmung gebracht werden? Der renommierte Wissenschaftler Konradin Ferrari ist davon überzeugt und geht sogar noch einen Schritt weiter: „Der vergleichsweise sehr ausführliche Bericht über den Stern und die Magier bei Matthäus kann von seinem gesamten Inhalt nach eigentlich nur von diesen selbst herrühren.“

Unsere heutige Sichtweise über das Erscheinen der Magier aus dem Morgenland ist eher vom Brauchtum der Volksfrömmigkeit geprägt als vom Wortlaut des Evangeliums. Erwähnt werden die Magier allein im Matthäus-Evangelium. Der eigentliche Bericht über die Geburt Jesu wird allerdings vom Evangelisten Lukas geschildert. In den Krippen-Darstellungen stehen meist die Figuren der „Heiligen drei Könige“ schon bereit, um am 6. Januar ergänzend an die Krippe gestellt zu werden. Aber stimmt diese zeitlich enge Abfolge?

In den Evangelien wird nichts davon erwähnt. Der Matthäus-Text enthält weder Namen noch Angaben über die Zahl der Besucher aus der Ferne. Unterschiede gibt es bereits in den Übersetzungen. Die wortgetreue Übersetzung spricht von „Magiern von den Aufgängen“. Das wurde zunächst mit „Weisen aus dem Morgenland“ wiedergegeben; heute heißt es korrekt „Sterndeuter aus dem Osten“. Von drei Königen ist nie die Rede.

Die Vorstellung, dass mit den „Magiern“, die Jesus huldigten, Könige gemeint waren, kam erst im Westen des Römerreiches auf, berichtet Konradin Ferrari. Ob es daran lag, dass man derart wertvolle Geschenke nur Königen zutraute?

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Welche Menschen machten sich nun auf die monatelange, beschwerliche Reise aus Mesopotamien bis nach Jerusalem und Bethlehem? Die Blütezeit der antiken Weltstadt Babylon lag zwischen 1800 und 140 v. Chr. Um 600 v. Chr. eroberte Nebukadnezar II. Jerusalem und veranlasste die Umsiedelung von Teilen der Bevölkerung, vor allem der Oberschicht, nach Babylon. Dadurch kam es zu einer Begegnung beider Kulturen.

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Babylon blieb bis in die Zeit nach der Geburt Jesu „nach heutiger Kenntnis das einzige bedeutende Zentrum wissenschaftlicher Sternkunde von Palästina aus in östlicher Richtung“, stellt Konradin Ferrari fest.

Noch heute sind uns die Grundlagenforschungen der Babylonier vertraut. Sie kannten die Bahnen der Planeten am Himmel und beschrieben uns heute bekannte Tierkreiszeichen. Ihr Kalender umfasste bereits 365 Tage. Sie entwickelten die 60er Zeit-Einheiten, die uns heute durch Sekunden und Minuten vertraut sind. Sie nutzten Wasser- und Sanduhren. Nach Ansicht von Konradin Ferrari bestand die erstaunlichste Leistung der babylonischen Astronomen darin, die Sonnen- und Mondfinsternisse fast auf die Uhrzeit genau vorauszuberechnen, obwohl ihnen die gewaltigen Entfernungen der beiden Himmelskörper unbekannt sein mussten.

Jede Berechnung zukünftiger Himmelserscheinungen erfordert eine hinlängliche Menge vorausgegangener und genau aufgeschriebener Beobachtungen. Jupiter durchkreuzt in 427 Jahren 36 Mal den ganzen Tierkreis, Saturn in 265 Jahren neun Mal.

Dass die Sternendeuter aus der Ferne anreisten, wird an ihrer fehlenden Einschätzung von König Herodes deutlich, den sie zuerst aufsuchten. Dieser befand sich bereits im Seniorenalter – ein eigenes Baby war eher unwahrscheinlich. Vielmehr verfügte er bereits über Söhne und Enkel. Mariamne, seine erste von insgesamt fünf Ehefrauen, ließ er hinrichten und zwei Söhne zum Tode verurteilen. Er war krankhaft argwöhnisch und fürchtete mögliche Rivalen um die Macht. Die Sterndeuter wussten nichts von alledem und suchten zuerst bei ihm Rat auf ihrer Suche nach dem neu geborenen König.

Ferrari geht davon aus, dass die Reisegruppe ihre babylonische Heimat Mitte September des Jahres 7 v. Chr. verließ und sich vermutlich einer Handelskarawane anschloss. Entlang des Euphrats ging es dann wohl wochenlang durch die syrische Wüste über Palmyra zunächst bis nach Damaskus.

Was hatte die Sternendeuter zu dieser anstrengenden, dreitausend Kilometer weiten Reise veranlasst? Musste es nicht ungewöhnliche Gründe geben? Es war tatsächlich die Voraussage eines „Jahrtausendereignisses“! Die Berechnungen kündigten eine derart außergewöhnliche Himmelskonstellation an, die zuletzt 854 Jahre zuvor im Sternzeichen der Fische übereinstimmend stattgefunden hatte, und zwar ausgerechnet im Geburtsjahr des jüdischen Ahnherrn und Königs David! Und jetzt erwarteten die Sterndeuter erneut die Erfüllung messianischer Weissagungen. Im glanzvollen Abendaufgang Jupiters mit Saturn meinten sie, das Himmelszeichen für die Geburt des erwarteten Messias erkannt zu haben. Beide Planeten kamen einander außergewöhnlich nahe, wobei Jupiter 15-mal stärker leuchtete als Saturn. Das Datum des 15. September im Jahr 7 v. Chr. als Beginn der besonderen Sternenkonstellation ist auch auf einem babylonischen Tontafelkalender dokumentiert, dessen Keilschrift vor einigen Jahrzehnten entziffert werden konnte. Das Datum sei nicht mit dem tatsächlichen Geburtsdatum Jesu gleichzusetzen, erklärt Konradin Ferrari. Alte Überlieferungen deuten auf den 6. Januar als Geburtstermin an.

Am 12. November 7 v. Chr. machen sich – so Astronom und Buchautor Ferrari – die Sterndeuter noch vor Sonnenuntergang in Jerusalem auf den Weg von Norden ins zehn Kilometer entfernte Bethlehem. In der Dämmerung entdeckten sie 50 Grad über dem Horizont fast genau in der Richtung ihres Weges den hell leuchtenden Jupiter und dicht daneben den kleineren Saturn im Sternbild der Fische. Es sah aus, als zöge der Königsstern vor ihnen her. Davon ausgehend leuchtete das Zodiakallicht, ein unscharf begrenzter Lichtkegel, wie ein ferner Scheinwerfer auf den vor ihnen liegenden Ort. Es schien ein Lichtstrom von den Planeten auszugehen. Und das von den Sterndeutern errechnete Stehenbleiben der Planeten traf ein. Nur an diesem Tag, so der Astronom Ferrari, war dieses Himmelsphänomen in dieser Himmelsrichtung bis gegen 21 Uhr Ortszeit zu sehen!

Der Evangelist Matthäus hat den Stern von Bethlehem nicht selbst gesehen. Er war auch kein Astronom mit Fachwissen. Aber er beschrieb die Umstände wissenschaftlich korrekt. Ferrari schreibt in seinem Buch „Der Stern von Bethlehem“, dass die Aussagen des Evangeliums über den Stern „eigenes Wissen der Magier“ enthalten und dieser Bericht „auf deren unmittelbares Erleben“ zurückgeht. Der Stern von damals bildete nach Einschätzung des Astronomen kein spektakuläres Himmelsereignis wie das Erscheinen eines Kometen, sondern sei in seiner Besonderheit und Einmaligkeit nur von speziell gebildeten Fachleuten erkannt worden. Der Bericht des Evangelisten über das „Stehenbleiben“ des Sterns sei keine legendenhafte Übertreibung, sondern physikalisch durch die Laufbahn der Planeten zu erklären.