500 katholische Gelehrte weisen Kritik an "Humanae Vitae" zurück

Der Petersdom.
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Fast fünzig Jahre nach Erscheinen des "prophetischen" Schreibens Humanae Vitae hat eine Gruppe katholischer Intellektueller der landläufigen Kritik an dem Dokument widersprochen und die Lehre des Katholizismus bestätigt, dass künstliche Verhütung dem Menschen schade. 

"Wir vertreten die Ansicht, dass die katholische Lehre die wahre Würde der menschlichen Person achtet und dem Lebensglück dienlich ist", teilen die katholischen Gelehrten in einer Stellungnahme mit, die am gestrigen Dienstag, 20. September, veröffentlicht wurde. 

"Humanae Vitae widerspricht der verzerrten Wahrnehmung menschlicher Sexualität und intimer Beziehungen, die viele in der modernen Welt befördern." Humana Vitae habe viele der Übel vorausgesagt, die durch den weitverbreiteten Gebrauch von Verhütungsmitteln entstanden, so der Text weiter.

Über 500 katholische Gelehrte, darunter Doktoren der Theologie, Medizin, Jurisprudenz und anderer Disziplinen unterzeichneten das Dokument, das den Titel "Bekräftigung der Lehre der katholischen Kirche über das Geschenk der Sexualität" trägt. 

Unterzeichner sind etwa der Theologe des päpstlichen Haushalts, Pater Wojciech Giertych O.P.; der Präsident der Katholischen Universität von Amerika, John H. Garvey; die Dekanin des Instituts Johannes Paul II. für Ehe und Familie in Melbourne, Australien, Professorin Tracey Rowland; die Philosophie-Professorin am St. Johannes Vianney Priesterseminar in Denver; der Studiendekan der Päostlichen Fakultät der Unbefleckten Empfängis am Studienhaus der Dominikaner in Washington, Pater Thomas Petri, O.P. sowie die Juria-Professorin Helen M. Alvaré, der George Mason Universität.

Die Stellungnahme geht auch auf ein neues Memorandum aus Großbritannien ein, das "nichts neues zu Debatten über die Sittlichkeit von Verhütung" beitrage – im Gegenteil: "Es wiederholt die Argumente, welche die Kirche widerlegt hat und die zahllose Gelehrte seit 1968 angegriffen und widerlegt haben". 

Tatsächlich behauptet das derart zurechtgewiesene Memorandum des britischen Wijngaards Institutes, dass es "keine Gründe" für die katholische Lehre gegen Verhütung gebe. Außerdem stellt es den Zusammenhang von Offenheit für das Leben und die Bedeutung des Geschlechtsverkehrs in Frage. Und es behauptet, dass "die Entscheidung, Verhütungsmittel zu verwenden aus Gründen der Familienplanung wie zu Verhütungszwecken eine verantwortliche und ethisch vertretbare Entscheidung sein kann, und bisweilen eine ethische Notwendigkeit".

Das Wijngards-Dokument geht noch weiter: Auch wenn Abtreibung verursachende Verhütungsmethoden "normalerweise zu vermeiden" seien, so seien diese akzeptable "wenn es einen angemessenen Grund" dafür gebe. Darüber hinaus, so das kritisierte Memorandum, hätte der Zugang zu Verhütungsmitteln "einen beträchtlichen Beitrag geleistet für die Bildung von Frauen und zum allgemeinen Wohl"; außerdem hätten Verhütungsmittel folgende Vorteile: die Familienplanung werde dadurch einfacher, sie reduzierten die Erkrankungsrate und Sterblichkeit von Müttern wie Kindern, sowie die Zahl der Abtreibungen.  

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All diese Thesen des Wijngaards Statement sollten bei einem – von den Vereinten Nationen organisierten – Treffen vorgetragen werden, das am 20. September stattfindet; mit dem erklärten Ziel, "die katholische Hierarchie zu ermutigen, ihre Haltung gegen sogenannte 'künstliche' Verhütungsmittel rückgängig zu machen", so das Institut.

Organisatoren des Wijngaard Statements sagten, sie würden für ihre Forderungen werben bei Kirchenvertretern, gewöhnlichen Katholiken und "Meinungsführern"; darunter: Bischöfe, Priester, Schwestern, Manager und Mediziner katholischer Krankenhäuser und Pflege-Einrichtungen, katholische Sozialarbeiter und katholische Journalisten.

Aber auch "alle UN Einrichtungen und Hilfsagenturen, die das Verhältnis zwischen religiösem Glauben und Gesundheit der Frau navigieren auf dem Weg zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen", so das Wijngaards Institut, sollten mit seinen Forderungen und diese unterstüztende Materialien versorgt werden. 

Das Wijnhaards Institut wurde 1983 von dem katholischen Priester John N. M. Wijngaards gegründet, der später laisiert wurde. Die Schriften des 1935 geborenen Niederländers stellen unter anderem die katholische Lehre über Masturbation, Homosexualität und Abtreibung in Frage. Er schrieb auch einen Roman, der verspreche, einen "von der überholten katholischen Sexuallehre zu befreien". 

Neben Wijngaards haben 138 Katholiken das Memorandum unterzeichnet, darunter die ehemalige irische Präsidentin, Mary McAleese; der ehemalige New York Times-Kommentator und Gründungs-Kodirektor des Fordham Zentrums für Religion und Kultur, Peter Steinfels; Georgetown Universitätsprofessor für Religion und Internationale Beziehungen, John Esposito und sein Kollege Professor Peter Phan, Gelehrter für katholische Soziallehre; Professor für Religionswissenschaften Professor Paul Lakeland von der Fairfield Universität, der emeritierte Weihbischof von Sydney, Geoffrey Robinson sowie Freiherrin Helena Kennedy, die im britischen Oberhaus sitzt.

Ein weiterer Unterzeichner ist Professor Charles E. Curran, eine ehemaliger Professor für Theologie an der Katholischen Universität Amerikas, der eine Schlüsselrolle in der Kritik an Humanae Vitae spielt. 

Die 1968 vom seligen Papst Paul VI. vorgelegte Enzyklika Humanae Vitae bestätigte die traditionelle Ablehnung der Kirche von Verhütung und schloss darin die Anti-Baby-Pille ein. Nicht nur in deutschsprachigen Ländern reagierten nicht-katholische Stimmen mit scharfer Kritik auf dieses Schreiben – aber auch einige Katholiken. 

Jeder Versuch, durch künstliche Verhütung die beiden Aspekte menschlicher Sexualität, wie sie die katholische Kirche lehrt, nämlich Vereinigung und Zeugung, von einander zu entkoppeln, ist mit der Lehre nicht vereinbar.

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Wenn ein verheiratetes Ehepaar einen legitimen Grund hat, eine Schwangerschaft zu vermeiden, empfiehlt die katholische Kirche die Methode der Natürlichen Familienplanung. Diese berücksichtigt den Zyklus der Fruchtbarkeit der Frau – und empfiehlt während ihrer fruchtbaren Tage dem Paar, enthaltsam zu sein.

Die 500 katholischen Gelehrten weisen in ihrem Gegenschrift zum Wijngards-Memorandum darauf hin, dass die Lehre der Kirche "wahr und vertretbar" sei, auf Grundlage der Heiligen Schrift und der Vernunft. Sie beschreiben das Opfer Jesu Christi am Kreuz als "die endgültige und gänzliche Selbsthingabe", verknüpft mit dem biblischen Ehebild von Christus und seiner Kirche. 

Sie werfen den Wijngaards-Autoren vor, die Arbeit des heiligen Papstes Johannes Pauls II. und seiner Theologie des Leibes "nahezu ignorieren". 

"Darin zeigt er, dass unsere eigenen Körper selber eine Sprache haben, und eine 'eheliche Bedeutung' – die der Wahrheit Ausdruck verleiht, dass wir bestimmt sind, in einer liebevollen und fruchtbaren Beziehung mit anderen zu sein", so die katholischen Gelehrten in ihrem Statement.

Sexuelle Beziehungen zwischen Menschen erfüllen nur dann Gottes Absicht, wenn sie "die schöpferische Bedeutung des sexuellen Aktes achten", und als "vollkommene Selbsthingabe" in der Ehe geschehen, heißt es weiter.

Die Kirche bitte die Gläubigen, ihre Beziehung zu Gott zu vertiefen, offen zu sein für die Anweisung des Heiligen Geistes, und Jesus Christus zu bitten, für die Gnade zu sorgen, in Einklang mit Gottes Willen für ihre Ehe zu leben, einschließlich der schwierigen moralischen Wahrheiten, so die Autoren.

Der weitverbreitete Gebrauch von Verhütungsmitteln habe offenbar zum Anstieg außerehelichen Geschlechtsverkehrs geführt, einem Anstieg außerehelicher Schwangerschaften, Abtreibung, alleinerziehender Elternschaft, Kohabitation, Scheidung, Armut, die Ausbeutung von Frauen, sinkende Eheschließungsraten sowie das sinkende Bevölkerungswachstum in vielen Teilen der Welt, so das katholische Dokument.

Auf das Wijngaards-Memorandum werde zudem noch eine detailliertere Antwort folgen: Ein Dokument namens "Selbsthingabe: Das Herz von Humanae Vitae". 

Die 1968er Revolte gegen Humanae Vitae erfolgte nach jahrelanger, globaler Lobby-Arbeit wohlhabender Stiftungen, die sich für Empfängnigsverhütung andere Formen von Geburtenkontrolle einsetzen.

So beschreibt Donald T. Critchlow in seinem 1999 bei der Oxford University Press erschienenen Buch Intended Consequences: Birth Control, Abortion, and the Federal Government in Modern America ("Gewünschte Folgen: Empfängnisverhütung, Abtreibung und die Bundesregierung im modernen Amerika"), wie der reiche Erbe John D. Rockefeller III und andere Stiftungsinhaber die Haltung der katholischen Kirche zu Empfängnisverhütung zu ändern beabsichtigten.

Eine Reihe von Treffen an der Universität von Notre Dame zwischen 1963 und 1967 ermöglichte den Schulterschluß mit katholischen Entscheidern, die einen Meinungsumschwung in der katholischen Hierarchie herbeiführen wollten, so der Historiker Critchlow: Die Treffen wurden von der Rockefeller Stiftung und der Ford Stiftung gesponsort – und brachte eine Auswahl katholischer Persönlichkeiten mit der Planned Parenthood und der Population Council zusammen.

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