Lissabon - Mittwoch, 2. August 2023, 19:30 Uhr.
Papst Franziskus hat seine Freude darüber zum Ausdruck gebracht, am Weltjugendtag in Lissabon teilnehmen zu können. „Ich freue mich, unter euch zu sein, um den Weltjugendtag gemeinsam mit so vielen jungen Menschen zu erleben, aber auch, um euren Weg in der Kirche, eure Mühen und eure Hoffnungen zu teilen“, sagte er am Mittwochabend bei einer Vesper mit Bischöfen, Priestern, Diakonen, Personen des geweihten Lebens, Seminaristen und Mitarbeitern in der Pastoral.
In seiner Predigt konzentrierte sich der Pontifex auf die Berufung der ersten Jünger im Evangelium.
„Wir bemerken sofort einen Gegensatz“, erklärte Franziskus. „Auf der einen Seite steigen die Fischer aus dem Boot, um ihre Netze zu waschen, d. h. um sie zu säubern, sie gut aufzubewahren und um nach Hause zurückzukehren; auf der anderen Seite steigt Jesus in das Boot und lädt sie ein, ihre Netze wieder zum Fischen auszuwerfen. Die Unterschiede fallen auf: die Jünger steigen aus, Jesus steigt ein; sie wollen die Netze aufbewahren, er will, dass sie sie zum Fischen wieder in den See werfen.“
„Manchmal können wir auf unserem Weg als Kirche eine ähnliche Müdigkeit verspüren, wenn es uns scheint, nur leere Netze in den Händen zu halten“, räumte der Papst ein. „Es ist ein Gefühl, das in Ländern mit alter christlicher Tradition weit verbreitet ist, die viele soziale und kulturelle Veränderungen durchmachen und zunehmend von Säkularismus, Gleichgültigkeit gegenüber Gott und einer zunehmenden Abkehr von der Glaubenspraxis geprägt sind. Und dies wird oft noch verstärkt durch die Enttäuschung und den Zorn, den manche gegenüber der Kirche empfinden, manchmal wegen unseres schlechten Zeugnisses und der Skandale, die ihr Antlitz entstellt haben und die zu einer demütigen und beständigen Läuterung aufrufen, ausgehend vom Schmerzensschrei der Opfer, die immer aufgenommen und gehört werden müssen.“
„Wenn man sich aber entmutigt fühlt, besteht die Gefahr, dass man aus dem Boot steigt und in den Netzen der Resignation und des Pessimismus hängenbleibt“, so der Papst, der sogleich forderte: „Stattdessen müssen wir die Mühen und Tränen zum Herrn bringen, um dann die pastoralen und spirituellen Situationen mit offenem Herzen anzugehen und gemeinsam manch neuen Weg zu erproben, im Vertrauen darauf, dass Jesus seine geliebte Braut stets an die Hand nimmt und wiederaufrichtet.“
Das Handeln Jesu lasse sich so beschreiben: „Er sucht uns in unserer Einsamkeit und in unseren Krisen auf, um uns zu helfen, einen Neuanfang zu machen.“
Das Kirchenoberhaupt erläuterte: „Brüder und Schwestern, was wir erleben, ist sicher eine schwierige Zeit, aber der Herr fragt diese Kirche heute: ‚Willst du aus dem Boot aussteigen und in Enttäuschung versinken, oder mich einsteigen lassen und erlauben, dass noch einmal die Neuheit meines Wortes das Steuer in die Hand nimmt? Willst du nur an der Vergangenheit festhalten, die hinter dir liegt, oder deine Netze erneut mit Begeisterung zum Fischen auswerfen?‘“
„Die Netze wieder auswerfen und die Welt mit der Hoffnung des Evangeliums umfassen: Dazu sind wir aufgerufen!“, mahnte Franziskus. „Es ist nicht die Zeit, anzuhalten und aufzugeben, das Boot am Ufer festzumachen oder zurückzublicken; wir dürfen nicht vor dieser Zeit fliehen, weil sie uns ängstigt, und uns in Formen und Stile der Vergangenheit flüchten. Nein, dies ist die Zeit der Gnade, die der Herr uns schenkt, damit wir auf das Meer der Evangelisierung und Mission hinausfahren können.“
Entscheidungen treffen
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Papst Franziskus forderte dazu auf, Entscheidungen zu treffen, und ging auf drei Punkte näher ein.
„An erster Stelle, aufs Meer hinausfahren“, begann er. „Um die Netze wieder auszuwerfen, muss man das Ufer der Enttäuschungen und der Unbeweglichkeit verlassen, sich von jener süßlichen Traurigkeit und jenem ironischen Zynismus distanzieren, die uns angesichts von Schwierigkeiten überkommen.“
„Nur in der Anbetung, nur vor dem Herrn, entdeckt man den Geschmack und die Leidenschaft für die Evangelisierung wieder“, betonte der Pontifex. „Dann überwindet man die Versuchung, eine ‚Pastoral der Nostalgie und des Nachtrauerns‘ zu betreiben und hat den Mut, ohne Ideologien und ohne Weltlichkeit aufs Meer hinauszufahren, angetrieben von einem einzigen Wunsch: dass das Evangelium alle erreichen möge.“
Zweitens gelte es, gemeinsam die Seelsorge voranzubringen: „Die Kirche ist synodal, sie ist Gemeinschaft, gegenseitige Hilfe, gemeinsames Unterwegssein.“ In der Kirche müsse „Platz für alle sein“, denn alle Getauften seien aufgerufen, „die Netze auszuwerfen und sich persönlich für die Verkündigung des Evangeliums einzusetzen“.
Dies sei „eine große Herausforderung, vor allem bei den Umständen, in denen Priester und Gottgeweihte ermüdet sind, weil sie immer weniger werden, während die pastoralen Erfordernisse steigen. Wir können diese Situation jedoch als Chance betrachten, die Laien mit geschwisterlichem Elan und gesunder pastoraler Kreativität einzubinden. Die Netze der ersten Jünger werden dann zu einem Bild der Kirche, die ein ‚Beziehungsnetz‘ menschlicher, geistlicher und pastoraler Art ist.“
„Wenn es keinen Dialog, keine Mitverantwortung und keine Beteiligung gibt, altert die Kirche“, warnte Papst Franziskus. „Ich möchte es so ausdrücken: Ein Bischof darf nie ohne sein Presbyterium und das Volk Gottes sein; ein Priester darf nie ohne sein Mitbrüder sein; und alle zusammen, Priester, Ordensleute und gläubige Laien dürfen als Kirche nie ohne die anderen, ohne die Welt leben.“
Schließlich rief der Papst die Gläubigen auf, zu Menschenfischern zu werden. „Es gibt so viel Dunkelheit in der heutigen Gesellschaft, auch hier in Portugal“, konstatierte Franziskus. „Wir haben das Gefühl, dass es an Begeisterung mangelt, an Mut zum Träumen, an Kraft, sich den Herausforderungen zu stellen, an Vertrauen in die Zukunft. Und währenddessen befahren wir Wasser der Ungewissheit, der wirtschaftlichen Unsicherheit, der Armut an sozialer Freundschaft, des Mangels an Hoffnung.“
Vor diesem Hintergrund sei die Kirche „mit der Aufgabe betraut, uns in die Gewässer dieses Meeres zu begeben und das Netz des Evangeliums auszuwerfen, ohne dass wir dabei mit dem Finger auf andere zeigen, sondern indem wir den Menschen unserer Zeit einen neuen Lebensentwurf, nämlich den von Jesus, bringen: die Aufnahmebereitschaft des Evangeliums in eine multikulturelle Gesellschaft bringen; die Nähe des Vaters in Situationen der wirtschaftlichen Unsicherheit und der Armut hineintragen, die vor allem unter den jungen Menschen zunehmen; die Liebe Christi dorthin bringen, wo die Familie zerbrechlich ist und die Beziehungen verletzt sind; die Freude des Geistes dort vermitteln, wo Entmutigung und Fatalismus herrschen.“
„Träumen wir von der Kirche in Portugal als ‚sicherem Hafen‘ für alle, die sich den Überfahrten, Schiffbrüchen und Stürmen des Lebens stellen!“, rief der Papst die Gläubigen auf.