Klima-Schreiben: Papst Franziskus verurteilt „unverantwortlichen“ westlichen Lebensstil

Papst Franziskus
Vatican Media

Nachdrücklich hat Papst Franziskus einen „unverantwortlichen“ Lebensstil verurteilt, „der mit dem westlichen Modell verbunden ist“. Der Pontifex forderte in seinem am Mittwoch veröffentlichten Apostolischen Schreiben „Laudate Deum“ zur „Klimakrise“ eine „umfassende Veränderung“. Das Schreiben wurde rund acht Jahre nach der Umwelt-Enzyklika „Laudato si’“ publiziert und nimmt häufig darauf Bezug.

Der Titel des neuen Apostolischen Schreibens, „Laudate Deum“, spielt an auf den heiligen Franz von Assisi, dessen Fest die Kirche jährlich am 4. Oktober feiert. „Lobt Gott für all seine Geschöpfe“, habe der Heilige „mit seinem Leben, seinen Liedern, seinen Taten“ zum Ausdruck gebracht, so der Papst.

Papst Franziskus spricht in dem Schreiben ausdrücklich die „Schwestern und Brüdern auf unserem leidenden Planeten“ an. Es bestehe „kein Zweifel daran, dass die Auswirkungen des Klimawandels das Leben vieler Menschen und Familien zunehmend beeinträchtigen werden“, zeigte sich der Papst überzeugt. „Wir werden seine Folgen unter anderem in den Bereichen der Gesundheit, der Arbeitsplätze, des Zugangs zu den Ressourcen, des Wohnraums und der Zwangsmigration spüren.“

Später äußerte er sich ähnlich: „Der menschliche – ‚anthropogene‘ – Ursprung des Klimawandels kann nicht mehr bezweifelt werden.“

„Wie sehr man auch versuchen mag, sie zu leugnen, zu verstecken, zu verhehlen oder zu relativieren, die Anzeichen des Klimawandels sind da und treten immer deutlicher hervor“, betonte Franziskus. „Niemand kann ignorieren, dass wir in den vergangenen Jahren Zeugen von extremen Phänomenen, häufigen Perioden ungewöhnlicher Hitze, Dürre und anderem Wehklagen der Erde geworden sind, die nur einige greifbare Ausprägungen einer stillen Krankheit sind, die uns alle betrifft. Es stimmt, dass nicht jede einzelne Katastrophe automatisch auf den globalen Klimawandel zurückgeführt werden kann. Es ist jedoch nachweisbar, dass bestimmte von der Menschheit verursachte Veränderungen des Klimas die Wahrscheinlichkeit immer häufigerer und intensiverer Extremereignisse deutlich erhöhen.“

„Wenn wir über den Klimawandel sprechen, beziehen wir uns auf eine globale Wirklichkeit – mit ständigen lokalen Abweichungen –, die über mehrere Jahrzehnte anhält“, erläuterte der Pontifex, der das Thema Klima damit von bloßen Wettervorhersagen abgrenzte.

Es sei eine Tatsache, „dass ein kleiner Prozentsatz der Reichsten auf der Erde die Umwelt mehr verschmutzt als die ärmsten 50% der gesamten Weltbevölkerung und dass die Pro-Kopf-Emissionen der reichsten Länder um ein Vielfaches höher sind als die der ärmsten“. Ebenso sei es wahr, „dass Millionen von Menschen aufgrund der verschiedenen Folgen des Klimawandels ihren Arbeitsplatz verlieren“.

„Das Einhergehen dieser globalen Klimaphänomene mit dem beschleunigten Anstieg der Treibhausgasemissionen, insbesondere seit Mitte des 20. Jahrhunderts, lässt sich nicht verbergen“, so Franziskus mit Nachdruck. „Eine überwältigende Mehrheit der Klimawissenschaftler vertritt diese Korrelation und nur ein winziger Prozentsatz von ihnen versucht, diese Evidenz zu bestreiten. Bedauerlicherweise ist die Klimakrise nicht gerade eine Angelegenheit, die die großen Wirtschaftsmächte interessiert, die sich um den höchstmöglichen Profit zu den geringstmöglichen Kosten und in der kürzestmöglichen Zeit bemühen.“

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Ausdrücklich betonte der Papst, er sehe sich „gezwungen, diese Klarstellungen, die offenkundig erscheinen mögen, aufgrund bestimmter abschätziger und wenig vernünftiger Meinungen vorzunehmen, die ich selbst innerhalb der katholischen Kirche vorfinde“. Dann bemühte er erneut den Begriff des Zweifels: „Aber wir können nicht mehr daran zweifeln, dass der Grund für die ungewöhnliche Geschwindigkeit dieser gefährlichen Veränderungen eine unbestreitbare Tatsache ist.“

Papst Franziskus sprach von einer „Besessenheit“ der Gegenwart: „Die menschliche Macht über alles Vorstellbare hinaus zu steigern, für die die nicht-menschliche Wirklichkeit nur eine Ressource zu ihren Diensten ist. Alles, was existiert, hört auf, ein Geschenk zu sein, das man würdigt, schätzt und pflegt, und wird zum Sklaven, zum Opfer einer beliebigen Laune des menschlichen Geistes und seiner Fähigkeiten.“

Eine „gesunde Umwelt“ sei „auch das Ergebnis der Interaktion zwischen Mensch und Umwelt, wie es in den indigenen Kulturen der Fall ist und wie es über Jahrhunderte in verschiedenen Regionen der Erde geschehen ist“, erläuterte das Kirchenoberhaupt. Aber „das technokratische Paradigma“ habe „diese gesunde und harmonische Beziehung zerstört“.

Deutliche Kritik übte der Papst an der Wirtschaft. „Die Logik des maximalen Profits zu den niedrigsten Kosten, verschleiert als Rationalität, als Fortschritt und durch illusorische Versprechen, macht jede aufrichtige Sorge um das gemeinsame Haus und jede Sorge um die Förderung der Ausgestoßenen der Gesellschaft unmöglich“, sagte er. „Es gibt falsche Vorstellungen von der so genannten ‚Leistungsgesellschaft‘, die zu einer ‚verdienten‘ menschlichen Macht geworden ist, der sich alles unterordnen muss, zu einer Herrschaft derer, die unter besseren Entwicklungsbedingungen geboren wurden.“

Man müsse sich fragen: „Welchen Sinn hat mein Leben, was ist der Sinn meines Erdendaseins, was ist letztlich der Sinn meiner Arbeit und meiner Mühe?“

Papst Franziskus forderte internationale bzw. globale Bemühungen, die „Klimakrise“ zu überwinden. „Es ist nicht angemessen, den Multilateralismus mit einer Weltautorität zu verwechseln, die in einer Person oder einer Elite mit übermäßiger Macht konzentriert ist“, merkte er in diesem Zusammenhang an. Jedenfalls sei es „bedauerlich, dass man globale Krisen verstreichen lässt, wo sie doch die Chance bieten würden, heilsame Veränderungen herbeizuführen“.

Der Pontifex wünschte sich „ein neues Verfahren der Entscheidungsfindung und der Legitimierung“ von Beschlüssen, „weil das vor mehreren Jahrzehnten eingerichtete Verfahren nicht ausreicht und nicht effektiv zu sein scheint. In diesem Kontext sind notwendigerweise Räume des Gesprächs, der Konsultation, der Schlichtung, der Konfliktlösung und der Supervision, letztendlich also eine Art größere ‚Demokratisierung‘ auf Weltebene erforderlich, damit die verschiedenen Situationen wahrgenommen und einbezogen werden können. Es wird nicht mehr hilfreich sein, Institutionen aufrechtzuerhalten, die die Rechte der Stärksten wahren, ohne sich um die Rechte aller zu kümmern.“

In zwei Abschnitten seines Apostolischen Schreibens blickte Franziskus zunächst zurück auf „Fortschritte und Misserfolge“ bisheriger Klimakonferenzen, um dann einen Blick voraus auf die als „COP28“ betitelte, Ende November und Anfang Dezember in Dubai stattfindende, Veranstaltung zu werfen: „Wenn wir auf die Fähigkeit des Menschen vertrauen, über seine kleinen Interessen hinauszugehen und im Großen zu denken, können wir nur hoffen, dass die COP28 zu einer deutlichen Beschleunigung der Energiewende mit wirksamen Verpflichtungen führt, die einer dauerhaften Überwachung unterliegen. Diese Konferenz kann ein Wendepunkt sein, der beweist, dass alles, was seit 1992 getan wurde, ernsthaft war und sich gelohnt hat, andernfalls wird sie eine große Enttäuschung sein und all das Gute, das bisher erreicht werden konnte, in Gefahr bringen.“

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„Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, ‚Grünes‘, Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird“, erklärte der Pontifex. „Geben wir endlich zu, dass es sich um ein in vielerlei Hinsicht menschliches und soziales Problem handelt. Deshalb bedarf es einer Beteiligung von allen. Auf Klimakonferenzen ziehen die Aktionen von sogenannten ‚radikalisierten‘ Gruppen oft die Aufmerksamkeit auf sich. In Wirklichkeit füllen sie jedoch eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer, die einen gesunden ‚Druck‘ ausüben müsste, denn es liegt an jeder Familie, zu bedenken, dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht.“

Erst gegen Ende seines Schreibens ging Papst Franziskus auf Beweggründe ein, die sich aus dem katholischen Glauben ergeben – konkret handelte es sich um wenig mehr als eine Aneinanderreihung von Zitaten aus der Enzyklika „Laudato si’“.

„Ich lade einen jeden ein, diesen Weg der Versöhnung mit der Welt, die uns beherbergt, zu begleiten und ihn mit einem eigenen Beitrag zu bereichern, denn unser Engagement hat mit der persönlichen Würde und den großen Werten zu tun“, erklärte der Papst. „Ich kann jedoch nicht bestreiten, dass es notwendig ist, aufrichtig zu sein und anzuerkennen, dass die wirksamsten Lösungen nicht allein von individuellen Bemühungen, sondern vor allem von bedeutenden Entscheidungen in der nationalen und internationalen Politik kommen werden.“