Papst Franziskus fordert in Motuproprio „Wende“ und „Paradigmenwechsel“ für Theologie

Papst Franziskus
Vatican Media

In einem neuen Motuproprio, das am Mittwoch um 12:30 Uhr veröffentlicht wurde, hat Papst Franziskus die Theologie „zu einer Wende, zu einem Paradigmenwechsel, zu einer ‚mutigen Kulturrevolution‘ (Enzyklika ‚Laudato si’‘, 114) aufgerufen“.

Das Dokument mit dem lateinischen Titel „Ad theologiam promovendam“ liegt, wie es im Pontifikat von Papst Franziskus üblich ist, nur in italienischer Sprache vor. Anlass für das Motuproprio war die Bestätigung der neuen Statuten der Päpstlichen Akademie für Theologie.

„Kontextuelle Theologie“

Die Theologie sei, so der Papst, „vor allem dazu verpflichtet, eine grundlegend kontextuelle Theologie zu sein, die fähig ist, das Evangelium unter den Bedingungen zu lesen und zu interpretieren, unter denen Männer und Frauen täglich leben, in verschiedenen geografischen, sozialen und kulturellen Umgebungen, und die als Vorbild die Menschwerdung des ewigen Logos hat, indem sie in die Kultur, die Weltsicht und die religiöse Tradition eines Volkes eintritt“.

So könne sich „die Theologie nur zu einer Kultur des Dialogs und der Begegnung zwischen den verschiedenen Traditionen und dem unterschiedlichen Wissen, zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen und den verschiedenen Religionen entwickeln, wobei sie allen, den Gläubigen wie den Nicht-Gläubigen, offen gegenübertritt. Die Notwendigkeit des Dialogs ist in der Tat dem Menschen und der gesamten Schöpfung inhärent, und es ist die besondere Aufgabe der Theologie, ‚die trinitarische Prägung zu entdecken, die den Kosmos, in dem wir leben, zu einem ‚Netz von Beziehungen‘ macht, in dem es ‚jedem Lebewesen eigen ist, auf ein anderes zuzugehen‘‘ (Apostolische Konstitution ‚Veritatis gaudium‘, 4a).“

„Aufgeschlossene“ Theologie

Gleich zu Beginn erklärte der Pontifex: „Die Förderung der Theologie in der Zukunft kann sich nicht darauf beschränken, abstrakt Formeln und Schemata aus der Vergangenheit neu zu formulieren. Die Theologie ist dazu berufen, die Gegenwart prophetisch zu deuten und im Licht der Offenbarung neue Wege für die Zukunft zu finden, und muss sich dabei mit den tiefgreifenden kulturellen Veränderungen auseinandersetzen, in dem Bewusstsein: ‚Was wir erleben, ist nicht nur ein Zeitalter des Wandels, sondern ein Epochenwechsel‘ (Ansprache an die Römische Kurie, 21. Dezember 2013).“

„Eine synodale, missionarische und ‚aufgeschlossene‘ Kirche kann nur einer ‚aufgeschlossenen‘ Theologie entsprechen“, so Papst Franziskus. „Die Offenheit für die Welt, für den Menschen in der Konkretheit seiner existenziellen Situation, mit seinen Problemen, seinen Wunden, seinen Herausforderungen, seinen Möglichkeiten, kann jedoch nicht auf eine ‚taktische‘ Haltung reduziert werden, welche die inzwischen kristallisierten Inhalte von außen an neue Situationen anpasst, sondern muss die Theologie zu einem erkenntnistheoretischen und methodologischen Umdenken drängen, wie es in der Einleitung der Apostolischen Konstitution ‚Veritatis gaudium‘ angedeutet wird.“

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Franziskus rief die Theologie auf, „sich als eingebettet in ein Netz von Beziehungen zu verstehen, vor allem zu anderen Disziplinen und anderem Wissen“. Dies sei der Ansatz der Transdisziplinarität, nicht der Multidisziplinarität, die einen Untersuchungsgegenstand lediglich aus verschiedenen Perspektiven betrachte. „Transdisziplinarität ist vielmehr ‚als Zusammenführung und Gärung aller Erkenntnisse im Raum des Lichts und des Lebens zu verstehen, den die Weisheit bietet, die von der Offenbarung Gottes ausgeht‘ (Apostolische Konstitution ‚Veritatis gaudium‘, 4c).“

Vor diesem Hintergrund ergebe sich „die schwierige Aufgabe für die Theologie, sich neuer Kategorien zu bedienen, die von anderen Wissenschaften entwickelt wurden, um die Glaubenswahrheiten zu durchdringen und mitzuteilen und die Lehre Jesu in den Sprachen von heute mit Originalität und kritischem Bewusstsein zu vermitteln“.

Pastoraler „Stempel“

„Die wissenschaftliche Vernunft muss ihre Grenzen in Richtung auf die Weisheit erweitern“, forderte der Papst, „damit sie nicht entmenschlicht und verarmt wird. Auf diese Weise kann die Theologie einen Beitrag zur gegenwärtigen Debatte über das ‚Umdenken‘ leisten, indem sie sich als wahres kritisches Wissen erweist, das nicht abstrakt und ideologisch, sondern spirituell ist, das auf den Knien erarbeitet wird und von Anbetung und Gebet getragen ist; ein transzendentes Wissen, das gleichzeitig auf die Stimme des Volkes achtet, also eine ‚volkstümliche‘ Theologie, die sich barmherzig den offenen Wunden der Menschheit und der Schöpfung zuwendet und sich in die Falten der menschlichen Geschichte einfügt, denen sie die Hoffnung auf eine endgültige Erfüllung prophezeit.“

Die Theologie müsse einen pastoralen „Stempel“ haben, sei also „dazu angehalten, sich mit einer induktiven Methode zu entwickeln, die von den verschiedenen Kontexten und konkreten Situationen ausgeht, in welche die Menschen eingebettet sind, und sich von der Realität ernsthaft herausfordern lässt, um in der Verkündigung des Heilsgeschehens Gottes […] zur Unterscheidung der ‚Zeichen der Zeit‘ zu werden.“

„Deshalb muss die Kenntnis des gesunden Menschenverstandes, der in der Tat der theologische Ort ist, an dem so viele Gottesbilder wohnen, die oft nicht dem christlichen Antlitz Gottes entsprechen, der nur und immer Liebe ist, zuallererst privilegiert werden“, betonte der Papst. „Die Theologie steht im Dienst der Evangelisierung der Kirche und der Weitergabe des Glaubens, damit der Glaube zur Kultur wird, also zum weisen Ethos des Gottesvolkes, zu einem Vorschlag von menschlicher und humanisierender Schönheit für alle.“

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