Vatikan: Berufungsgericht verurteilt Priester wegen sexuellen Missbrauchs

Die Statue des Heiligen Petrus blickt über den Petersplatz im Vatikan am 3. Juni 2016.
CNA/Martha Calderon (Bild digital bearbeitet).

Das Berufungsgericht des Vatikans hat am 23. Januar einen italienischen Priester wegen „Verführung Minderjähriger“ im Kontext des sexuellen Missbrauchs eines Mitschülers an einer Schule für päpstliche Ministranten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Der Fall wird als historisch bezeichnet, da es das erste Urteil dieser Art für sexuelle Gewalt ist, die auf vatikanischem Hoheitsgebiet verübt wurde.

Pfarrer Gabriele Martinelli wurde beschuldigt, den ehemaligen Messdiener, der als L.G. identifiziert wurde, zwischen 2007 und 2012 zu sexuellen Handlungen mit ihm gezwungen zu haben, als sie Schüler am Vorseminar St. Pius X. waren.

Martinelli wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (etwa 1.089,78 Dollar) verurteilt, um die Kosten des Verfahrens zu decken, berichtete Vatican News.

Der 31-jährige Martinelli wurde 2017 zum Priester geweiht und ist Priester in der Diözese Como in Norditalien und Mitglied der „Opera don Folci“, einer religiösen Vereinigung, die sich auf die Ausbildung von Priestern konzentriert.

Das Priesterseminar St. Pius X, in dem Martinelli eingeschrieben war, bietet eine Ausbildung in den liturgischen Funktionen des Petersdoms, einschließlich der päpstlichen Messen, für Jungen der Mittel- und Oberstufe an, die eine Berufung zum Priestertum in Betracht ziehen.

Das Institut befand sich früher im Palazzo San Carlo an der Piazza Santa Marta im Vatikan, nur wenige Schritte von der offiziellen Residenz von Papst Franziskus, der Casa Santa Marta, entfernt. Angesichts der Kontroverse um die Vertuschung des Missbrauchs und den Prozess gegen Martinelli gab Papst Franziskus jedoch die Entscheidung bekannt, das Priesterseminar 2021 an einen neuen Standort außerhalb der Vatikanstadt zu verlegen.

Die Anschuldigungen gegen den Priester wurden erstmals 2017 von italienischen Journalisten und 2018 von der Associated Press berichtet. Zu dieser Zeit war der Vatikan nicht in der Lage, ein Verfahren gegen Martinelli einzuleiten, da die Vorwürfe gegen ihn außerhalb der einjährigen Verjährungsfrist erhoben wurden.

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Der Prozess gegen Martinelli begann im Oktober 2020, doch am 6. Oktober 2021 sprach das untere Gericht des Vatikans Martinelli von den Vorwürfen gegen den jüngeren Kollegen frei, da die Beweise nicht ausreichten.

Die Anklage wegen „Beihilfe“ wurde auch gegen Pfarrer Enrico Radice, den ehemaligen Rektor des Priesterseminars, fallen gelassen.

Das Berufungsgericht des Vatikans hob mit seiner Entscheidung vom 23. Januar die Entscheidung der Vorinstanz aus dem Jahr 2021 teilweise auf, da es Beweise dafür gefunden hatte, dass Martinelli des „Verbrechens der Verführung von Minderjährigen“ schuldig war.

Das Urteil des Berufungsgerichts, so berichtet das italienische Mediennetzwerk ANSA, stellte fest, dass Martinelli „nicht strafbar ist, beschränkt auf die bis zum 2. August 2008 angefochtenen Tatsachen, da er unter 16 Jahre alt“ gewesen sei — und spricht ihn „von den ihm vorgeworfenen Verbrechen in Bezug auf den Zeitraum nach dem 9. August 2008 aufgrund unzureichender Beweise“ frei, bestätigt aber „die Neueinstufung der angefochtenen Tatsachen als Zusatz zum Verbrechen der Verführung Minderjähriger, vorgesehen und bestraft durch Artikel 335, Strafgesetzbuch, beschränkt auf den Zeitraum vom 9. August 2008 bis zum 19. März 2009.“

Die Verurteilung kann noch beim höchsten Gericht des Vatikans, dem Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatura, angefochten werden.

In einem Gespräch mit der Washington Post, das unter Wahrung der Anonymität geführt wurde, äußerte sich das Opfer des Missbrauchs durch Martinelli nach der Verurteilung.

„Das erste Gefühl, das ich hatte, war Folgendes: Jahrelang wurde mir gesagt, ich sei ein Perverser, ein Schwindler, ein Lügner, ein Verrückter, der das für seine Zwecke ausnutzt“, erklärte das Opfer gegenüber der Washington Post.

„Aber all diese Jahre des Schmerzes und der Erschöpfung haben jetzt einen Sinn. Es kommt eine gewisse Leichtigkeit auf“, sagte das Opfer.

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Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur