Würzburg - Donnerstag, 21. März 2024, 15:30 Uhr.
Kardinal Gerhard Müller, der einstige Präfekt der Glaubenskongregation, hat die Haltung von Papst Franziskus im Ukraine-Krieg kritisiert. Es sei „falsch, die Opfer und den Aggressor diplomatisch auf eine Stufe zu stellen“, sagte Müller im Gespräch mit der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ (aktuelle Ausgabe).
Das Problem liege in „dieser diplomatischen Haltung des Papstes, nach beiden Seiten hin offen zu sein, nur die Opfer zu beklagen und nicht die Täter zu benennen, die verantwortlich sind für all dieses Unheil, für die vergewaltigten Frauen, die ermordeten Männer, die verschleppten Kinder, die zerbombten Häuser, die kaputte Infrastruktur, die zerstörten Lebenspläne vieler Menschen, die Familien, die auseinandergerissen worden sind“.
„Hier würde man sich vom Papst und von Rom doch ganz klare Stellungnahmen und mehr Solidarität wünschen“, sagte Müller, der selber kürzlich im ukrainischen Lemberg weilte.
„Ich bin sehr davon überzeugt, dass Papst Franziskus es gut meint“, betonte der Kardinal. „Aber manchmal sind die Worte nicht so ausgewogen gesetzt. Er ist Lateinamerikaner. Wir in Europa zeigen ganz andere Empfindlichkeiten, wenn es um Krieg geht und um die Auseinandersetzung zwischen Ost und West. Deshalb wäre es wichtig, wenn man im Vatikan diese heiklen Fragen vorher gut miteinander berät und alles nicht einfach nur diplomatisch abschwächt. Der gute Hirte muss sich vor die Herde stellen, wenn er den Wolf kommen sieht.“
Es sei „eigentlich immer ein bisschen fragwürdig, wenn die höchste Autorität der Kirche sich in Interviews äußert. Das ist kein günstiges Format für das höchste kirchliche Lehramt. Auch wenn es sich hier nicht um eine dogmatische Thematik handelt, hat der Papst aber zu Recht auch eine moralische Autorität, vielleicht die höchste moralische Autorität in dieser Welt. Da muss man sich in dieser Schlangengrube der Politik sehr klug benehmen, aber auch sehr eindeutig sein und klar unterscheiden zwischen Tätern und Opfern.“
Müller sprach auch über die Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zur AfD: „Als Kirche müssen wir vorsichtig sein, uns nicht sozusagen mit lehramtlicher und moralischer Autorität unmittelbar in den Kampf der Parteien einzumischen. Die Deutsche Bischofskonferenz darf nicht als Wahlhelfer der ‚Ampel‘ auftreten und soll gegenüber der weltlichen Macht eine prophetische Distanz bewahren. Man muss davon ausgehen, dass alle Bürger in Deutschland – Katholiken und Nicht-Katholiken – mündige Bürger sind und auch wissen, was sie zu wählen haben.“
„Man kann für die Wahlentscheidung geistige und moralische Kriterien formulieren, auch von unserem christlichen Menschenbild aus“, erläuterte er. „Etwa, was die Abtreibung angeht, die ja ein blutiger Krieg ist gegen unschuldige Menschen, die im geschützten Raum ihres Leibes der Liebe ihrer Mütter von Gott anvertraut sind. Solche Themen sollte man parteiübergreifend ansprechen und für die Wahlentscheidung Prüfsteine vorlegen.“