Vatikanstadt - Mittwoch, 8. Januar 2025, 7:00 Uhr.
Papst Franziskus hat am Montag mit der Ernennung einer Ordensfrau zur Präfektin und eines Kardinals zum Pro-Präfekten eine beispiellose Führungsstruktur im Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens geschaffen, die bei Beobachtern im Vatikan für Aufsehen sorgte – eine Regelung, die juristische und theologische Klarheit verlangt.
Die ungewöhnliche Entscheidung, Schwester Simona Brambilla MC zur Präfektin und Kardinal Ángel Fernández Artime SDB zum Pro-Präfekten zu ernennen, hat eine Diskussion über die Schnittmenge zwischen der traditionellen Kirchenhierarchie und der Reformvision von Papst Franziskus ausgelöst.
Zum Verständnis der Rolle des Pro-Präfekten
Das Amt des Pro-Präfekten des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens ist in der Konstitution Praedicate Evangelium, welche die Aufgaben der römischen Kurie regelt, nicht vorgesehen.
Papst Franziskus hat das Amt jedoch ad hoc eingerichtet, als er den Kardinal zum Pro-Präfekten und die Ordensfrau – die bisherige Sekretärin der Behörde – zur Präfektin des Dikasteriums ernannte.
Wie das Machtgleichgewicht zwischen der neuen Präfektin und dem Pro-Präfekten aussehen wird, ist nicht bekanntgegeben worden. Von einem Kardinal zu sprechen, welcher der Präfektin „im Rang untergeordnet“ wäre, scheint jedoch nicht die richtige Lesart zu sein. Was ist die Logik, die Papst Franziskus zu dieser Entscheidung bewogen hat?
Macht und Autorität in der Kirche
Im Laufe der Geschichte hat es eine breite, komplexe und manchmal kontroverse Reflexion über die Beziehung zwischen der Weihevollmacht, die man mit der Ordination erhält und die einen befähigt, bestimmte Sakramente zu spenden – dazu zählt etwa der Vorsitz bei der Eucharistie –, und der Leitungsvollmacht, die Autorität über einen Teil des Volkes Gottes verleiht, wie beispielsweise eine Diözese, einen Orden oder auch eine Gemeinde, gegeben.
Lange Zeit glaubte man, dass die beiden Gewalten getrennt sind und getrennt ausgeübt werden können – auch der heilige Thomas von Aquin teilte diese Auffassung.
Was die römische Kurie betrifft, so glaubte man, dass alle, die dort ihren Dienst verrichteten, ihre Befugnisse direkt vom Papst erhielten, der sie unabhängig davon, ob sie geweiht waren oder nicht, mit Autorität ausstattete. Dies galt auch für die Kardinäle, deren Autorität sich aus der päpstlichen Ernennung ergab – die Kardinalswürde ist nämlich kein Sakrament. Der Papst wählt die Kardinäle als seine Mitarbeiter und Berater bei der Leitung der Kirche aus.
Dieser Ansatz hat die Geschichte der Kirche lange Zeit geprägt, und zwar so sehr, dass es Kardinäle gab, die keine Priester waren – zum Beispiel Kardinal Giacomo Antonelli, der vatikanische Staatssekretär von 1848 bis 1876, der zum Diakon geweiht wurde, aber kein Priester war. Weiter zurück in der Geschichte gab es Kardinäle, die in jungen Jahren ernannt wurden und erst nach langer Zeit die Weihen erhielten, und sogar Päpste, die zum Zeitpunkt ihrer Wahl auf den päpstlichen Thron nur Diakone waren.
In der Vergangenheit gab es Äbte, die nicht einmal zu Priestern geweiht waren und trotzdem einen Kirchenbezirk leiteten, oder es gab Figuren, die uns seltsam erscheinen, aber dieser Logik entsprachen, wie die so genannten Wahlbischöfe, die Diözesen leiteten, ohne die Bischofsweihe zu erhalten, dies aber aufgrund ihrer Wahl taten. Andere Beispiele sind die so genannten Äbtissinnen, „Frauen mit dem Hirtenstab“, die ihre Autorität über ein Gebiet und die Gläubigen ausübten.
Auswirkungen des Zweiten Vatikanums
Im Laufe der Zeit hat sich jedoch ein anderer Ansatz herausgebildet, der auf die Kirche des ersten Jahrtausends zurückgeht: Die Leitungsvollmacht ist eng mit dem Weihesakrament verbunden, so dass es nicht möglich ist, das eine ohne das andere auszuüben, es sei denn innerhalb bestimmter Grenzen, die recht eng sind.
Daher beschloss Papst Johannes XXIII. 1962 mit dem Motuproprio Cum Gravissima, dass alle Kardinäle zu Erzbischöfen geweiht werden sollten.
Dies ist der Ansatz des Zweiten Vatikanischen Konzils, der sich zum Beispiel in Lumen Gentium 21, in der Erläuterung in Lumen Gentium 2 und in den beiden Gesetzbüchern des kanonischen Rechts, dem lateinischen und dem östlichen, findet.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat in verbindlicher Weise bekräftigt, dass das Bischofsamt ein Sakrament ist und dass man durch die Bischofsweihe Teil des Bischofskollegiums wird, das zusammen mit dem Papst und unter dessen Autorität die oberste Gewalt über die gesamte Kirche ausübt.
Diesem Ansatz folgten die beiden Kurienreformen, die auf das Zweite Vatikanische Konzil folgten: Die Konstitution Regimini Ecclesiae Universae von Papst Paul VI. von 1967 und die Konstituion Pastor Bonus von Papst Johannes Paul II. von 1988. Johannes Paul II. gliederte die Kurie in Kongregationen und päpstliche Räte, die man laienhaft als „Ministerien mit Geschäftsbereich“ und „Ministerien ohne Geschäftsbereich“ bezeichnen könnte.
Die Kongregationen mussten von Kardinälen geleitet werden, da sie mit dem Papst an den Entscheidungen der Weltkirche beteiligt waren und ihre Leiter daher den Rang von ersten Beratern des Papstes haben mussten. Die päpstlichen Räte hingegen konnten auch von Erzbischöfen geleitet werden, aber in jedem Fall von geweihten Geistlichen, da sie weiterhin in Kollegialität mit dem Bischof von Rom – also dem Papst – stehen mussten.
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Kurienreform von Franziskus
Die Apostolische Konstitution Praedicate Evangelium, mit der Papst Franziskus im Jahr 2022 die Kurie reformierte, wich von diesem Ansatz ab. Es gab keine Unterscheidung mehr zwischen Kongregationen und päpstlichen Räten, die alle als Dikasterien definiert wurden. Daher gab es auch keinen Unterschied mehr in der Frage, wer der Leiter des Dikasteriums sein konnte. Das Amt kann grundsätzlich auch von einem Laien ausgeübt werden.
Bei der Vorstellung der Kurienreform am 21. März 2022 erklärte der damalige Pater Gianfranco Ghirlanda SJ, der von Papst Franziskus im Konsistorium vom 27. August 2022 zum Kardinal ernannt wurde, dass es immer noch einige Dikasterien gebe, in denen ein Kardinal die Leitung übernehmen sollte, und wies darauf hin, dass die „Verfassung den Codex des kanonischen Rechts nicht aufhebt, der festlegt, dass in Angelegenheiten, die Kleriker betreffen, Kleriker die Urteile fällen müssen“.
In der Praxis wurde der kirchliche Auftrag nicht mehr durch einen Befehl, sondern durch die Entscheidung des Papstes erteilt. Aus diesem Grund konnte ein Laie wie Paolo Ruffini an der Spitze des vatikanischen Dikasteriums für Kommunikation stehen.
Dies ist der Kern der Debatte: Gibt es Ämter, die durch bloße päpstliche Ernennung ausgeübt werden können, und gibt es Ämter, die trotz päpstlicher Ernennung nur ausgeübt werden können, wenn man geweiht ist?
Die Frage stellt sich, wenn ein Pro-Präfekt Schwester Brambilla unterstützt. Das Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens hat verschiedene Zuständigkeiten, aber alle Zuständigkeiten sind allgemeine Amtshandlungen, die auch ohne Priesterweihe ausgeübt werden können. Es gibt jedoch Situationen, in denen Kleriker ein Urteil fällen müssen, und wahrscheinlich war man der Meinung, dass diese Entscheidungen ohne Priesterweihe nicht zu handhaben sind.
So wurde die Position des Pro-Präfekten geschaffen. Die Definition des Pro-Präfekten scheint jedoch nicht korrekt verwendet worden zu sein. Das Dokument Praedicate Evangelium beschreibt zwei Pro-Präfekten, die die beiden Abteilungen des Dikasteriums für die Evangelisierung leiten. Das liegt daran, dass diese beiden Pro-Präfekten die Abteilungen des Dikasteriums „anstelle“ (daher: Pro-) des Papstes leiten, der als Präfekt des Dikasteriums gilt.
In anderen Fällen wurde ein Geistlicher, der noch nicht den für das Amt erforderlichen Rang innehatte, zum Pro-Präfekten ernannt. Als Angelo Sodano beispielsweise am 1. Dezember 1990 zum vatikanischen Staatssekretär ernannt wurde, war er noch Erzbischof. Er wurde also zum Pro-Staatssekretär ernannt, weil die Apostolische Konstitution Pastor Bonus vorsah, dass der Staatssekretär immer ein Kardinal sein sollte. Sodano behielt den Titel des Pro-Staatssekretärs bis zum Konsistorium vom 28. Juni 1991, als er zum Kardinal ernannt wurde und ab dem 1. Juli 1991 formell den Titel des Staatssekretärs übernahm.
Pro-Präfekt Artime ist jedoch bereits Kardinal und übt die Gerichtsbarkeit nicht anstelle des Papstes aus. Wenn überhaupt arbeitet er mit der Präfektin, Schwester Brambilla, zusammen. Seine Rolle ist eher die eines Ko-Präfekten, und es bleibt abzuwarten, ob der Papst einen Sekretär für das Dikasterium ernennen wird, um das Organigramm zu verstehen.
Ein jesuitisches Modell für die Leitung der Kirche?
Die Entscheidung, der Präfektin einen Geistlichen zur Seite zu stellen, erinnert an einige Ordensgemeinschaften, die „Brüder“ (gottgeweihte Laien) an ihrer Spitze haben, die jedoch neben Personen mit sakramentaler Autorität ernannt werden.
Papst Franziskus hätte sich also für einen Weg entschieden, den die Ordensgemeinschaften bei der Leitung der Kirche bereits beschritten haben. Dies ist nicht neu. Papst Franziskus hat zum Beispiel auch in die Führungskrise des Malteserordens eingegriffen. Dabei hat er den Orden so behandelt, als wäre er nur eine religiöse und klösterliche Einrichtung, indem er im September 2022 die neuen Konstitutionen autoritativ durchgesetzt hat und festgelegt hat, dass der Pontifex die Wahl des Großmeisters des Ordens bestätigen muss.
Auch der Kardinalsrat, der von Papst Franziskus zu Beginn seines Pontifikats im Jahr 2013 eingesetzt wurde, ähnelt dem Generalrat, der die Regierung des Jesuitengenerals unterstützt.
Viele dieser Rahmenbedingungen stammen vom wichtigsten Rechtsberater des Papstes, Kardinal Ghirlanda, ebenfalls ein Jesuit, der die Reform des Malteserordens und die Reform der Kurie – sowie verschiedene andere Reformen, darunter jene der Statuten der Legionäre Christi – persönlich begleitet hat.
Blick in die Zukunft: Auswirkungen und Fragen
Papst Franziskus hat eine Neuerung in der römischen Kurie eingeführt, ohne sie mit einem präzisen Gesetz zu umreißen, und die Verwaltung der Kompetenzen späteren Entscheidungen überlassen, wobei er nicht die Kriterien der Kurienleitung, sondern die der Ordensgemeinschaften anwendet. Das scheint Insider-Wissen zu sein.
Es spricht jedoch von einer kleinen Revolution – oder möglicherweise von einem Missbrauch von Begriffen, der in Zukunft für Verwirrung sorgen könnte.
Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.