Dominikaner Johannes Zabel spricht über Verhältnis von Krieg und Menschenwürde

Pater Johannes Zabel OP
Pater Johannes Zabel OP
Martin Grünewald
Andrzej Kuciński
Andrzej Kuciński
Martin Grünewald
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Die Kirche bekräftigt in der Erklärung Dignitas infinita das „unveräußerliche Recht auf Selbstverteidigung“, auch wenn die Kirche den Krieg an sich ablehnt. Darauf hat Pater Johannes Zabel OP bei der Tagung der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) und der Joseph-Höffner-Gesellschaft für Christliche Soziallehre über die „katholische Begründung der Menschenwürde“ hingewiesen, die in Köln stattfand.

Bei aller Skepsis zur Theorie des gerechten Krieges vor dem Hintergrund der neuen atomaren, biologischen und chemischen (ABC-)Waffen stehe die Kirche auf der Seite der Opfer und müsse ihnen auch ein Selbstverteidigungsrecht zubilligen, erklärte Zabel. Es werde aber ein Dilemma deutlich, nämlich sich für die Opfer einsetzen zu wollen und gleichzeitig den Krieg „an sich“ abzulehnen.

„Die Klage über einen Krieg ersetzt noch nicht seine intellektuelle Durchdringung“, betonte der Dominikaner, der sich um eine redliche Aussage bemühte und dabei auf das Dilemma hinwies. Der „Krieg“ sei ein „heißer Brei“, um den herumgeredet werde. Zwar ließe sich das Dilemma kaum auflösen, es müsse aber wenigstens aufgedeckt und verdeutlicht werden, sagte er.

Einen ähnlichen Zielkonflikt kenne die Bibel beim Gleichnis vom „verlorenen Sohn“ bzw. „barmherzigen Vater“. Einerseits wolle der Vater barmherzig gegenüber dem jüngeren Sohn sein, gleichzeitig wolle er den älteren Bruder nicht ungerecht behandeln. Die Reaktion des älteren Sohnes werde nicht mehr geschildert, und damit erfahre dieses Gleichnis auch ein offenes Ende. Entsprechend gelte: „Wer vom Krieg an sich spricht, kann die Zielkonflikte und Dilemmata in unserer Welt nicht ausklammern.“

Dazu zitierte er Thomas von Aquin: „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist grausam, Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung.“ Absolute Gerechtigkeit könne grausam sein, absolute Barmherzigkeit ein Chaos verursachen. Bei einer Gerichtsverhandlung bitte der Täter um Gnade und das Opfer verlange Gerechtigkeit. Der Täter bittet um Vermeidung der Konsequenzen, das Opfer verlange Schadensersatz.

Der Ruf nach Gerechtigkeit sei ein Verlangen, weil Gerechtigkeit einem zustehe. Der Ruf nach Barmherzigkeit dagegen sei ein Bitten, worauf eigentlich kein Anspruch bestehe. Während Barmherzigkeit im persönlichen Verhältnis durch Vergebung zum Frieden führen könne, sei ein Weg im gesellschaftlichen Kontext deutlich schwieriger.

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„Sowohl Krieg als auch Frieden sind so komplex, dass einfache Antworten unzureichend bleiben“, sagte Zabel. Wenn die Kirche auf der Seite der Opfer stehen wolle, könne sie nicht von Gerechtigkeit schweigen und damit auch nicht von einem gerechten Krieg, der zu einem Frieden führen soll. Deshalb sei die Absicht einer Handlung zu würdigen: Ist sie auf Frieden und Befreiung aus Not gerichtet?

Nachdenklichkeit und keine einfachen Antworten erlebten die Tagungsteilnehmer auch beim Theologen Andrzej Kuciński (Rom). „Es wird schwerer in einer Gesellschaft gemeinsam zu leben, in der per Gesetz grundsätzlich das Recht festgelegt ist, unschuldige Menschen zu töten“, sagte er und fragte, ob das Wort „Menschenrecht“ mittlerweile nicht dermaßen „kontaminiert“ sei, dass man es nicht mehr unbefangen verwenden könne.

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Als Beispiel nannte er den „fatale April“ letzten Jahres, als „innerhalb von wenigen Tagen in Europa mehrere zivilisatorische Schwellen überschritten wurden“: Am 4. April nahm Frankreich das Recht auf Abtreibung in die eigene Verfassung auf, am 11. April verabschiedete das Europaparlament die Entschließung, Abtreibung in die EU-Grundrechte-Charta aufzunehmen, am gleichen Tag debattierte das polnische Parlament über Beschlussentwürfe zur Liberalisierung eines der letzten Lebensschutzgesetze in Europa, und am 15. April empfahl eine Expertenkommission der Bundesregierung die generelle Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen innerhalb der ersten zwölf Wochen.

Die pränatale sei heute die gefährlichste Lebensphase des Menschen, so Kuciński, der fragte: „Wie kann man also den Schatten, welche den Glanz der Menschenwürde verdunkeln, entgegenwirken?“ Die katholische Kirche könnte in dieser Situation verstärkt zur Anwältin für die Rückkehr zur Vernunft werden, empfahl er. Es gelte zu verdeutlichen, dass die Menschenwürde kein Selbstläufer sei, sondern dass sie von weltanschaulichen Grundbedingungen abhänge. Notwendig bleibe außerdem der Mut, solche Fragen zu stellen und Antworten zu geben.

Kuciński forderte dazu auf, wachsam zu sein: „Man darf nichts annehmen, was Abstriche an den Kernelementen christlicher Doktrin verlangen würde.“