Redaktion - Donnerstag, 27. März 2025, 10:00 Uhr.
Das Kölner Landgericht hat in einem aktuellen Schmerzensgeldprozess entschieden, dass das Erzbistum Köln für sexualisierte Gewalt durch ehrenamtliche Messdiener-Gruppenleiter haftbar sein kann, wie das Domradio berichtete. Die Richter begründeten dies damit, dass der beschuldigte Gruppenleiter als „verlängerter Arm des Bistums“ agierte und seine Tätigkeit den Kernbereich der Gemeindearbeit betraf.
Eine heute 38-jährige Frau forderte 830.000 Euro Entschädigung, da sie in den 1990er Jahren über vier bis fünf Jahre hinweg nahezu wöchentlich von ihrem damaligen Messdienerleiter missbraucht worden sein soll, wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete. Der Täter war bereits 1998 wegen Übergriffen an acht Mädchen verurteilt worden, darunter zwei Vorfälle im kirchlichen Umfeld. Das Erzbistum bestritt die Haftung mit dem Argument, der Ehrenamtliche habe kein offizielles Kirchenamt bekleidet.
Als Grundlage diente dem Gericht der Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG, der normalerweise für Beamte gilt. Es wertete die Leitung von Ministrantengruppen als „Ausübung eines öffentlichen Amtes“, da sie dem seelsorgerischen Auftrag der Kirche diene. Auch Ehrenamtliche seien als „Verwaltungshelfer“ einzustufen, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – weisungsgebunden handeln. Der zuständige Richter verglich die Funktion mit einer Pausenaufsicht in der Schule.
Das Gericht betonte weiter, dass das Erzbistum nur für Taten haftet, die im Rahmen kirchlicher Aktivitäten begangen wurden. Missbrauchshandlungen im Privatbereich des Opfers – etwa im Elternhaus – schließen also die Amtshaftung aus. Zudem wies das Gericht auf eine „strenge Beweispflicht“ hin. Konkret heißt das: Obwohl der Täter bereits verurteilt ist, müssen die konkreten Vorwürfe der Klägerin einzeln nachgewiesen werden.
Diese Rechtsprechung könnte Präzedenzwirkung entfalten, da sie erstmals ehrenamtliche Mitarbeiter der Amtshaftung unterwirft. Das Erzbistum Köln sieht dadurch möglicherweise hundert weitere Verfahren auf sich zukommen, wie der WDR berichtete.
In einem parallel verhandelten Fall zur Haftung für priesterliche Missbrauchstaten signalisierte das Gericht, dass Geistliche nicht pauschal als „ständig im Dienst“ gelten, wie die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) berichtete.
Beim nächsten Verhandlungstermin am 29. April 2025 soll die Höhe des Schmerzensgeldes geklärt werden. Die Klägerin forderte 830.000 Euro, während das Erzbistum beantragte, die Klage abzuweisen.