Vatikan veröffentlicht neue Regeln für die Meldung von Missbrauch

Petrus mit dem Schlüssel
Petrus mit dem Schlüssel
ewaniek / Pixabay (CC0)
Priester, Bischöfe und Kardinäle auf dem Petersplatz am 19. Oktober 2015.
Priester, Bischöfe und Kardinäle auf dem Petersplatz am 19. Oktober 2015.
CNA/Daniel Ibanez

Die Einführung einer Meldepflicht für Missbrauch in allen Bistümern der Kirche bis zum Jahr 2020 sowie eine klare juristische Einordnung sexueller Gewalt gegen Seminaristen oder Ordensfrauen durch Kardinäle, Bischöfe und andere Amtsträger: Das sind nur zwei der Vorschriften in Vos estis Lux Mundi, einem am heutigen Donnerstag vorgestellten Motu Proprio zum Umgang mit sexueller Gewalt und Missbrauch in der Kirche.

Das Regelwerk geht auch gegen einen weiteren schweren Missbrauch von Autorität vor, der im Zuge der Kirchenkrise als weltweites Problem publik wurde: Die systematische Vertuschung sexueller Gewalt.

Papst Franziskus hat die Laufzeit der Regeln von Vos estis erst einmal auf drei Jahre beschränkt, um diese gegebenfalls zu korrigieren oder nachzubessern. Sie treten mit Wirkung zum 1. Juni 2019 in Kraft.

"Ihr seid das Licht der Welt", wie das Schreiben in deutscher Übersetzung heißt, sei ein Ergebnis des Krisengipfels im Februar, teilte der Vatikan am 9. Mai mit.

Im Mittelpunkt des Motu Proprio steht der Schutz Minderjähriger sowie aller Schutzbedürftiger. Dazu gehören auch Personen, die direkt der Autorität eines kirchlichen Vorgesetzten unterstellt sind, etwa Seminaristen und junge Priester.

"Die Verbrechen sexuellen Missbrauchs beleidigen unseren Herrn, verursachen physische, psychische und spirituelle Schäden bei den Opfern und verletzten die Gemeinschaft der Gläubigen", heißt es im Vorwort des Schreibens. 

Um sexuelles Fehlverhalten zu beenden sei "eine ständige und tiefe Umkehr der Herzen" erforderlich, die jedoch auch "durch konkrete und wirksame Handlungen bezeugt sind", fährt das Schreiben fort (Volltext siehe unten anbei).

Der Anwendungsbereich des Motu Proprio bezieht sich sowohl auf Straftaten gegen das Sechste Gebot - zu denen sexuelle Gewalt und Missbrauch in allen Formen gehört, bis hin zum Besitz oder der Verbreitung kinderpornografischer Bilder - sowie der Verdeckung und Vertuschung solcher Verbrechen.

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Jeder Geistlicher ist in Zukunft verpflichtet, schwerwiegende Verdachtsfälle oder Vorwürfe sexueller Gewalt umgehend zu melden. Dabei muss der Schutz der meldenden Person gewährleistet sein.

Betroffenen und ihren Familien wird neben dem Schutz der Privatsphäre umfangreiche Hilfe, Unterstützung und Annahme zugesagt. 

Was das Verfahren betrifft, wird bei Vorwürfen gegen einen Bischof in Zukunft der Erzbischof der Metropolie ermitteln - in Abstimmung mit dem Vatikan. 

Gleichzeitig ändert sich weder das bereits im Kirchenrecht festgeschriebene Strafmaß für solche Verbrechen - noch die Unschuldsvermutung für Verdächtige. Diese sind bei formell eingeleiteten Verfahren auch zwingend zu informieren.

CNA Deutsch dokumentiert den vollen Wortlaut in deutscher Übersetzung, wie ihn der Vatikan veröffentlicht hat.

APOSTOLISCHES SCHREIBEN 
IN FORM EINES «MOTU PROPRIO»

VON PAPST
FRANZISKUS

"VOS ESTIS LUX MUNDI"

 

»Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben« (Mt 5,14). Unser Herr Jesus Christus ruft jeden Gläubigen, ein leuchtendes Vorbild an Tugend, Integrität und Heiligkeit zu sein. Wir alle sind nämlich berufen, in unserem Leben und insbesondere in unserer Beziehung zum Nächsten konkretes Zeugnis für den Glauben an Christus zu geben.

Die Verbrechen sexuellen Missbrauchs beleidigen unseren Herrn, verursachen physische, psychische und spirituelle Schäden bei den Opfern und verletzten die Gemeinschaft der Gläubigen. Damit solche Phänomene in all ihren Formen nicht mehr geschehen, braucht es eine ständige und tiefe Umkehr der Herzen, die durch konkrete und wirksame Handlungen bezeugt wird; diese beziehen alle in der Kirche mit ein, sodass die persönliche Heiligkeit und der moralische Einsatz dazu beitragen können, die volle Glaubwürdigkeit der Verkündigung des Evangeliums und die Wirksamkeit der Sendung der Kirche zu fördern. Dies wird nur mit der Gnade des Heiligen Geistes, der in die Herzen ausgegossen ist, möglich, denn wir müssen immer des Wortes Jesu eingedenk sein: »Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15,5). Auch wenn schon vieles getan wurde, müssen wir weiter aus den bitteren Lektionen der Vergangenheit lernen, um hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken.

Diese Verantwortung fällt in erster Linie auf die Nachfolger der Apostel, denen Gott die pastorale Leitung seine Volkes anvertraut hat, und fordert von ihnen den Einsatz, den Spuren des Göttlichen Meisters nahe zu folgen. Aufgrund ihres Dienstamtes nämlich leiten sie »die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht, die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen, eingedenk, dass der Größere werden soll wie der Geringere und der Vorsteher wie der Diener« (Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 27). Was die Nachfolger der Apostel dringender betrifft, geht auch alle an, die auf verschiedene Weise Dienste in der Kirche übernehmen, die evangelischen Räte leben oder gerufen sind, dem christlichen Volk zu dienen. Daher ist es gut, auf universalkirchlicher Ebene Verfahrensweisen anzuwenden, um diesen Straftaten, die das Vertrauen der Gläubigen verraten, vorzubeugen und entgegenzuwirken.  

Mein Wunsch ist es, dass dieser Einsatz in völlig kirchlicher Weise ausgeführt wird und demnach Ausdruck der Gemeinschaft ist, die uns vereint, im gegenseitigen und offenen Hören auf die Beiträge derer, denen dieser Prozess der Umkehr am Herzen liegt.

Deshalb verfüge ich:

 

TITEL 1    
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

 

Art. 1 – Anwendungsbereich

§ 1. Die vorliegenden Normen finden Anwendung im Fall von Meldungen in Bezug auf Kleriker oder auf Angehörige von Instituten des geweihten Lebens oder Gesellschaften des apostolischen Lebens, die Folgendes betreffen:

a)       Straftaten gegen das sechste Gebot des Dekalogs, nämlich:

I.        unter Gewalt oder Drohung oder durch Amtsmissbrauch erfolgter Zwang, sexuelle Handlungen zu vollziehen oder zu erleiden;

II.       der Vollzug sexueller Handlungen mit einer minderjährigen oder mit einer schutzbedürftigen Person;

III.      die Herstellung, die Darbietung, der Besitz oder die Verbreitung von kinderpornographischem Material auch auf telematischem Weg sowie die Anwerbung oder Verleitung einer minderjährigen oder schutzbedürftigen Person, an pornographischen Darbietungen teilzunehmen.

b)       die Verhaltensweisen, die von den in Artikel 6 genannten Personen verwirklicht werden und in Handlungen oder Unterlassungen bestehen, die darauf gerichtet sind, die zivilen Untersuchungen oder kirchenrechtlichen Untersuchungen verwaltungsmäßiger oder strafrechtlicher Natur gegenüber einem Kleriker oder einer Ordensperson bezüglich der unter dem Buchstaben a) dieses Paragraphen genannten Vergehen zu beeinflussen oder zu umgehen.

§ 2. Bezüglich der vorliegenden Normen versteht man unter:

a)       »minderjährig«: jede Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder ihr vom Gesetz gleichgestellt wird;

b)       »schutzbedürftige Person«: jede Person im Zustand von Krankheit, von physischer oder psychischer Beeinträchtigung oder von Freiheitsentzug, wodurch faktisch, auch gelegentlich, ihre Fähigkeit zu verstehen und zu wollen eingeschränkt ist, zumindest aber die Fähigkeit, der Schädigung Widerstand zu leisten.

c)        »kinderpornographisches Material«: jede Darstellung einer minderjährigen Person, die unabhängig vom verwendeten Mittel in explizite sexuelle Handlungen, seien sie real oder simuliert, verwickelt ist, oder jede Darstellung der Geschlechtsorgane von Minderjährigen zu vorwiegend sexuellen Zwecken.

 

Art. 2 – Annahme der Meldungen und Datenschutz

§ 1. Unter Berücksichtigung der Weisungen, die eventuell von den jeweiligen Bischofskonferenzen, Synoden der Bischöfe der Patriarchatskirchen und der großerzbischöflichen Kirchen oder von den Hierarchenräten der Metropolitankirchen sui iuris in Kraft gesetzt wurden, müssen die Diözesen oder Eparchien – einzeln oder gemeinsam – innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der vorliegenden Normen ein oder mehrere feste Systeme bestimmen, die der Öffentlichkeit leicht zugänglich sind, um Meldungen einzureichen. Dies kann auch durch die Errichtung einer eigenen kirchlichen Behörde geschehen. Die Diözesen und Eparchien informieren den Päpstlichen Vertreter über die Einrichtung der in diesem Paragraphen genannten Systeme.

§ 2. Die Informationen, von denen in diesem Artikel die Rede ist, werden so geschützt und behandelt, dass die Sicherheit, die Unversehrtheit und die Vertraulichkeit gemäß can. 471, 2° CIC und can. 244 § 2, 2° CCEO gewährleistet ist.

§ 3. Vorbehaltlich der Bestimmung in Artikel 3 § 3 leitet der Ordinarius, der die Meldung erhalten hat, diese unverzüglich an den Ordinarius des Ortes, wo die Taten stattgefunden haben sollen, sowie an den eigenen Ordinarius der angezeigten Person weiter. Beide werden nach Maßgabe des Rechts entsprechend dem, was für den spezifischen Fall vorgesehen ist, vorgehen.

§ 4. Im Sinne dieses Titels sind die Eparchien den Diözesen gleichgestellt und der Hierarch dem Ordinarius.

 

Art. 3 – Meldung

§ 1. Vorbehaltlich der in can. 1548 § 2 CIC und can. 1229 § 2 CCEO vorgesehenen Fälle hat ein Kleriker oder ein Angehöriger eines Instituts des geweihten Lebens oder einer Gesellschaft des apostolischen Lebens jedes Mal, wenn er Nachricht darüber hat oder triftige Gründe zur Annahme hat, dass eine der Taten nach Artikel 1 begangen wurde, die Pflicht, die Tatsache beizeiten dem Ordinarius des Ortes, wo die Taten stattgefunden haben sollen, oder einem anderen Ordinarius gemäß can. 134 CIC und can. 984 CCEO zu melden, unter Vorbehalt der Bestimmung des § 3 dieses Artikels.

§ 2. Jeder kann eine Meldung machen im Hinblick auf die Verhaltensweisen nach Artikel 1, indem er von den Bestimmungen nach dem voranstehenden Artikel oder von jeder anderen geeigneten Art und Weise Gebrauch macht.

§ 3. Wenn die Meldung eine der in Artikel 6 genannten Personen betrifft, wird diese der Autorität gemacht, die auf Grundlage der Artikel 8 und 9 festgestellt wurde. Die Meldung kann immer direkt oder über den Päpstlichen Vertreter an den Heiligen Stuhl gerichtet werden.

§ 4. Die Meldung enthält möglichst alle erforderlichen Umstände, wie Angaben zu Zeit und Ort der Taten, der beteiligten oder informierten Personen, sowie jede andere Gegebenheit, die hilfreich sein kann, um eine genaue Beurteilung der Taten zu gewährleisten.

§ 5. Die Nachrichten können auch ex officio erworben worden sein.

 

Art. 4 – Schutz dessen, der die Meldung macht

§ 1. Die Tatsache, eine Meldung gemäß Art. 3 zu erstatten, stellt keine Verletzung des Amtsgeheimnisses dar.

§ 2. Unbeschadet dessen, was in can. 1390 CIC und cann. 1452 und 1454 CCEO vorgesehen ist, sind Beeinträchtigungen, Vergeltung oder Diskriminierungen aufgrund der Tatsache, Meldung gemacht zu haben, verboten und können die Verhaltensweisen nach Artikel 1 § 1, Buchstabe b) ergänzen.

§ 3. Wer eine Meldung erstattet, dem kann kein Schweigegebot hinsichtlich ihres Inhalts auferlegt werden.

 

Art. 5 – Sorge für die Personen

§ 1. Die kirchlichen Autoritäten setzen sich dafür ein, dass diejenigen, die sagen, verletzt worden zu sein, zusammen mit ihren Familien mit Würde und Respekt behandelt werden; sie bieten ihnen im Besonderen:

a)       Annahme, Gehör und Begleitung, auch mittels spezifischer Dienste;

b)       spirituelle Betreuung;

c)        medizinische, therapeutische und psychologische Betreuung entsprechend dem spezifischen Fall;

§ 2. Das Bild und die Privatsphäre der betroffenen Personen sind genauso geschützt wie die Vertraulichkeit der persönlichen Daten.

 

TITEL 2    
BESTIMMUNGEN HINSICHTLICH DER BISCHÖFE 
UND GLEICHGESTELLTEN

 

Art. 6 – Subjektsbezogener Anwendungsbereich

Die Verfahrensnormen des vorliegenden Titels betreffen die unter Artikel 1 aufgeführten Verhaltensweisen folgender Personen:

a)       Kardinäle, Patriarchen, Bischöfe und Gesandte des Papstes;

b)       Kleriker, die die pastorale Leitung einer Teilkirche oder einer ihr gleichgestellten lateinischen oder ostkirchlichen Struktur, einschließlich der der Personalordinariate, innehaben oder innehatten, für während der Amtszeit (durante munere) begangene Taten;

c)        Kleriker, die die pastorale Leitung einer Personalprälatur innehatten oder innehaben, für während der Amtszeit (durante munere) begangene Taten;

d)       diejenigen, die oberste Leiter (moderator supremus) von Instituten des geweihten Lebens oder Gesellschaften des apostolischen Lebens päpstlichen Rechts wie auch von Klöstern sui iuris sind oder waren, für während der Amtszeit (durante munere) begangene Taten.

 

Art. 7 – Zuständiges Dikasterium

§ 1. Im Sinne des vorliegenden Titels sind unter »zuständiges Dikasterium« die Kongregation für die Glaubenslehre hinsichtlich der ihr von den geltenden Normen reservierten Straftaten zu verstehen. Hinzu kommen in allen anderen Fällen, je nach Zuständigkeit aufgrund des Eigenrechts der Römischen Kurie:

-            die Kongregation für die Ostkirchen;

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-            die Kongregation für die Bischöfe;

-            die Kongregation für die Evangelisierung der Völker;

-            die Kongregation für den Klerus;

-            die Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens.

§ 2. Zur Gewährleistung der besseren Abstimmung informiert das zuständige Dikasterium über die Meldung und den Ausgang der Untersuchung das Staatssekretariat und die anderen unmittelbar betroffenen Dikasterien.

§ 3. Die in diesem Titel erwähnten Mitteilungen zwischen Metropoliten und dem Heiligen Stuhl erfolgen über den Päpstlichen Vertreter.

 

Art. 8 – Verfahren, das im Fall einer Meldung über einen Bischof der Lateinischen Kirche anzuwenden ist

§ 1. Die Autorität, die eine Meldung erhält, leitet diese sowohl an den Heiligen Stuhl als auch an den Metropoliten der Kirchenprovinz weiter, in der die gemeldete Person ihren Wohnsitz hat.

§ 2. Wenn die Meldung den Metropoliten betreffen oder der Metropolitansitz vakant sein sollte, wird diese sowohl an den Heiligen Stuhl als auch an den dienstältesten Suffraganbischof weitergeleitet, für den in diesem Fall die folgenden Bestimmungen hinsichtlich des Metropoliten anzuwenden sind.

§ 3. Falls die Meldung einen Päpstlichen Gesandten betrifft, wird diese direkt dem Staatssekretariat übermittelt.

 

Art. 9 – Verfahren, das gegenüber Bischöfen der Ostkirchen anzuwenden ist

§ 1. Im Fall von Meldungen über einen Bischof einer Patriarchatskirche, einer großerzbischöflichen Kirche oder einer Metropolitankirche sui iuris werden diese an den jeweiligen Patriarchen, Großerzbischof oder Metropoliten der Kirche sui iurisweitergeleitet.

§ 2. Falls die Meldung einen Metropoliten einer Patriarchatskirche oder großerzbischöflichen Kirche betrifft, der sein Amt innerhalb des Territoriums dieser Kirchen ausübt, wird diese an den jeweiligen Patriarchen oder Großerzbischof weitergeleitet. 

§ 3. In den oben genannten Fällen leitet die Autorität, die die Meldung erhalten hat, diese auch an den Heiligen Stuhl weiter.

§ 4. Falls die gemeldete Person ein Bischof oder Metropolit außerhalb des Territoriums der Patriarchatskirche, der großerzbischöflichen Kirche oder Metropolitankirche sui iurissein sollte, wird die Meldung an den Heiligen Stuhl weitergeleitet.

§ 5. Falls die Meldung einen Patriarchen, einen Großerzbischof oder einen Metropoliten einer Kirche sui iuris oder einen Bischof der anderen Ostkirchen sui iuris betrifft, wird diese an den Heiligen Stuhl weitergeleitet.

§ 6. Die folgenden Bestimmungen bezüglich des Metropoliten finden Anwendungen auf die kirchliche Autorität, an die die Meldung auf Grundlage des vorliegenden Artikels ergeht.

 

Art. 10 – Anfängliche Pflichten des Metropoliten

§ 1. Ausgenommen den Fall, dass die Meldung offenkundig haltlos ist, bittet der Metropolit das zuständige Dikasterium umgehend um den Auftrag, die Untersuchung einzuleiten. Sofern der Metropolit die Meldung für offenkundig haltlos erachtet, informiert er den Päpstlichen Vertreter darüber.

§ 2. Das Dikasterium trifft unverzüglich Vorkehrungen, jedenfalls innerhalb von dreißig Tagen nach Erhalt der ersten Meldung seitens des Päpstlichen Vertreters oder der Bitte um Beauftragung seitens des Metropoliten, indem es angemessene Anweisungen bezüglich der Vorgehensweise im konkreten Fall gibt.

 

Art. 11 – Übertragung der Untersuchung an eine andere Person als den Metropoliten

§ 1. Sollte das zuständige Dikasterium es für angebracht halten, die Untersuchung einer anderen Person als dem Metropoliten zu übertragen, so wird dieser informiert. Der Metropolit übergibt alle relevanten Informationen und Dokumente an die vom Dikasterium beauftrage Person.

§ 2. In dem im vorhergehenden Paragraphen behandelten Fall sind die folgenden Bestimmungen bezüglich des Metropoliten auf die mit der Durchführung der Untersuchung beauftragten Person anzuwenden.

 

Art. 12 – Durchführung der Untersuchung

§ 1. Nach Erhalt des Auftrags durch das zuständige Dikasterium und unter Beachtung der erhaltenen Anweisungen wird der Metropolit persönlich oder mittels einer oder mehrerer geeigneter Personen:

a)     die bezüglich der Taten relevanten Informationen sammeln;

b)    die für die Untersuchung notwendigen Informationen und Dokumente, die in den Archiven der kirchlichen Behörden aufbewahrt sind, einsehen;

c)     die Mitarbeit anderer Ordinarien oder Hierarchen, wo erforderlich, erhalten;

d)    die Personen und Einrichtungen, auch auf ziviler Seite, die für die Untersuchung nützliche Informationen liefern können, um Auskunft bitten.

§ 2 Wenn es erforderlich sein sollte, eine minderjährige oder schutzbedürftige Person anzuhören, wird der Metropolit dies auf eine angemessene Art und Weise tun, die deren Lage Rechnung trägt.

§ 3. Falls es triftige Gründe zur Annahme gibt, dass die Untersuchung betreffende Informationen oder Dokumente unterschlagen oder vernichtet werden könnten, trifft der Metropolit die für ihre Bewahrung notwendigen Maßnahmen.

§ 4. Auch wenn er auf andere Personen zurückgreift, bleibt der Metropolit dennoch für die Leitung und Durchführung der Untersuchungen wie auch für den genauen Vollzug der im Artikel 10 § 2 enthaltenen Anweisungen verantwortlich.

§ 5. Dem Metropoliten steht ein gemäß can. 483 § 2 CIC und can. 253 § 2 CCEO frei gewählter Notar zur Seite.

§ 6. Der Metropolit ist gehalten, unparteiisch und frei von Interessenskonflikten zu handeln. Falls er meint, sich in einem Interessenskonflikt zu befinden oder nicht imstande zu sein, die notwendige Unparteilichkeit zur Gewährleistung der Integrität der Untersuchung zu bewahren, ist er verpflichtet, sich zu enthalten und den Umstand dem zuständigen Dikasterium zu melden.

§ 7. Für die Person, gegen die ermittelt wird, gilt die Unschuldsvermutung.

§ 8. Sofern es vom zuständigen Dikasterium gefordert wurde, informiert der Metropolit die Person über die Untersuchung zu ihren Lasten, hört sie hinsichtlich der Tatsachen an und lädt sie dazu sein, einen Schriftsatz zur Verteidigung einzureichen. In diesen Fällen kann die Person, gegen die ermittelt wird, von einem Prokurator Gebrauch machen.

§ 9. Alle dreißig Tage übermittelt der Metropolit dem zuständigen Dikasterium ein Informationsschreiben über den Stand der Untersuchungen.

 

Art 13. – Einbeziehung qualifizierter Personen

§ 1. In Übereinstimmung mit den allfälligen Leitlinien der Bischofskonferenz, der Synode der Bischöfe oder des Hierarchenrats über die Art und Weise, dem Metropoliten bei seinen Untersuchungen zu helfen, können die Bischöfe der jeweiligen Provinz einzeln oder gemeinsam Verzeichnisse qualifizierter Personen erstellen, aus denen der Metropolit die geeignetsten auswählen kann, um ihm, den Erfordernissen des Falls entsprechend, in der Untersuchung zu unterstützen, insbesondere unter Beachtung der Mitwirkung, die gemäß can. 228 CIC und can. 408 CCEO von Laien geleistet werden kann.

§ 2. Dem Metropoliten steht es in jedem Fall frei, andere gleichermaßen qualifizierte Personen zu wählen.

§ 3. Jeder, der den Metropoliten in der Untersuchung unterstützt, ist gehalten, unparteiisch und frei von Interessenskonflikten zu handeln. Falls er meint, sich in einem Interessenskonflikt zu befinden oder nicht imstande zu sein, die notwendige Unparteilichkeit zur Gewährleistung der Integrität der Untersuchung zu bewahren, ist er verpflichtet, sich zu enthalten und den Umstand dem Metropoliten zu melden.

§ 4. Die Personen, die den Metropoliten unterstützen, leisten den Eid, den Auftrag angemessen und treu zu erfüllen.

 

Art. 14 – Dauer der Untersuchung

§ 1. Die Untersuchungen müssen innerhalb der Frist von neunzig Tagen oder innerhalb der in den Anweisungen von Artikel 10 § 2 angegebenen Frist abgeschlossen werden.

§ 2. Bei Vorliegen gerechter Gründe kann der Metropolit das zuständige Dikasterium um Fristverlängerung bitten.

 

Art. 15 – Vorbeugende Maßnahmen

Falls die Tatsachen oder die Umstände es erfordern, schlägt der Metropolit dem zuständigen Dikasterium die Anwendung von vorbeugenden Vorkehrungen oder Maßnahmen vor, die gegenüber der Person, gegen die ermittelt wird, angemessen sind.

 

Art. 16 – Einrichtung eines Fonds

§ 1. Die Kirchenprovinzen, die Bischofskonferenzen, die Synoden der Bischöfe und die Hierarchenräte können einen Fond einrichten, der für die Bestreitung der Untersuchungskosten bestimmt ist. Dieser wird nach Vorschrift der cann. 116 und 1303 § 1, 1° CIC und des can. 1047 CCEO eingerichtet und entsprechend den Normen des kanonischen Rechts verwaltet.

§ 2. Auf Antrag des beauftragten Metropoliten werden ihm die für die Untersuchung notwendigen Summen vom Verwalter des Fonds zur Verfügung gestellt, unbeschadet der Verpflichtung, ihm eine Rechnungslegung beim Abschluss der Untersuchung vorzulegen.

 

Art. 17 – Übermittlung der Akten und des Votums

§ 1. Nach Beendigung der Untersuchung übermittelt der Metropolit dem zuständigen Dikasterium die Akten zusammen mit seinem Votum über die Untersuchungsergebnisse und als Antwort auf die allenfalls ergangenen Anweisungen gemäß Art. 10 § 2.

§ 2. Unbeschadet anschließender Anweisungen des zuständigen Dikasteriums erlöschen die Vollmachten des Metropoliten mit der Beendigung der Untersuchung. 

§ 3. Unter Beachtung der Anweisungen des zuständigen Dikasteriums informiert der Metropolit die Person, die angibt, geschädigt worden zu sein, oder ihre gesetzlichen Vertreter auf Anfrage über den Ausgang der Untersuchung.

 

Art. 18 – Anschließende Maßnahmen

Das zuständige Dikasterium verfährt nach Maßgabe des Rechts entsprechend dem, was für den spezifischen Fall vorgesehen ist, außer es verfügt eine zusätzliche Untersuchung.

 

Art. 19 – Einhaltung der staatlichen Gesetze

Die vorliegenden Normen finden Anwendung, ohne die jeweils von den staatlichen Gesetzen festgelegten Rechte und Pflichten zu beeinträchtigen, insbesondere diejenigen in Bezug auf allfällige Meldepflichten an die zuständigen zivilen Behörden.

Die vorliegenden Normen sind für drei Jahre ad experimentum approbiert.

Ich lege fest, dass das vorliegende Apostolische Schreiben in Form eines Motu propriodurch Veröffentlichung im L’Osservatore Romano promulgiert wird, am 1. Juni 2019 in Kraft tritt und dann in den Acta Apostolicae Sedis publiziert wird.

Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 7. Mai 2019, dem siebten des Pontifikats.