Papst Franziskus: "Meine Intuitionen, Wahrnehmungen und Spiritualität kommen vom Konzil"

Papst Franziskus vor der soeben geschlossenen Pforte der Barmherzigkeit von St. Peter am 20. November 2016.
CNA/Daniel Ibanez

Der Eindruck, dass Papst Franziskus entscheidend von den kirchlichen und theologischen Entwicklungen der 1970er Jahre sowie dem Leben als junger Jesuit in Lateinamerika entscheiden geprägt worden ist: Diesen Eindruck bestätigt und erklärt der amtierendende Papst aus Argentinien in einem neuen Text. 

Die "Anregungen" des Zweiten Vatikanischen Konzils hätten sein Leben und seine Spiritualität stark beeinflusst, schreibt Papst Franziskus in einem Buchvorwort, das am Dienstag veröffentlicht wurde.

Wie die "Catholic News Agency" (CNA) berichtet, erklärt darin der Papst, dass für ihn und andere junge Jesuitenpatres in Lateinamerika der Eindruck des Zweite Vatikanischen Konzils eingeflossen sei "in unsere Art, Christen zu sein und Kirche zu sein". 

"Im Laufe meines Lebens wurden meine Intuitionen, meine Wahrnehmungen und meine Spiritualität auf natürliche Weise von den Anregungen der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils geprägt", so der Pontifex wörtlich, um auch noch fortzufahren: "Es war nicht so sehr nötig, die Texte des Konzils zu zitieren".

Diese neuen Aussagen des Papstes über die Anregungen und Eindrücke der 1970er Jahre sind in dem Werk "Brüderlichkeit – Zeichen der Zeit" zu lesen. Das Buch in italienischer Sprache wurde vom kanadischen Jesuiten und Kardinal Michael Czerny – der Franziskus  nahestehen soll – sowie dem italienischen Priester Christian Barone verfasst und wird am 30. September vom vatikanischen Verlagshaus veröffentlicht.

In seinem Vorwort sagt der Papst, er sei Czerny und Barone "dankbar", dass sie ein Buch über die Brüderlichkeit und seine Enzyklika über Brüderlichkeit – "Fratelli Tutti" – geschrieben haben.

Das Buch versuche, "die tiefe Verbindung zwischen dem gegenwärtigen Soziallehramt und den Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils ans Licht zu bringen und deutlich zu machen", so Franziskus. Ein Zusammenhang sei nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, denn "in der Geschichte Lateinamerikas, in die ich zunächst als junger Jesuitenstudent und dann in der Ausübung des Amtes eingetaucht bin, haben wir eine kirchliche Atmosphäre geatmet, die mit Begeisterung die theologischen, kirchlichen und spirituellen Einsichten des Konzils aufgesogen und sich zu eigen gemacht, sie inkulturiert und umgesetzt hat."

Das Zweite Vatikanische Konzil, das von Oktober 1963 bis Dezember 1965 stattfand, war ein Ökumenisches Konzil der katholischen Kirche, das von Papst Johannes XXIII. einberufen wurde. Der heutige Papst Franziskus war zu der Zeit, als das Zweite Vatikanische Konzil stattfand, ein junger Mann in seinen späten 20ern. 

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Für ihn und andere in seinem Alter sei das Zweite Vatikanische Konzil zu einem "kirchlichen und pastoralen Ökosystem" geworden, so der heutige Papst – oder zumindest die eigene Wahrnehmung des Konzils: Denn, wie Franziskus selber schreibt, hätte man sich "nicht angewöhnt", die eigentlichen Aussagen der Konzilsdekrete oft zu zitieren oder tiefgreifend zu reflektieren.

Der Papst schreibt weiter, dass seines Erachtens heute, "nach Jahrzehnten des Wandels in der Welt und in der Kirche", die Schlüsselbegriffe des Konzils und die Aussagen "deutlicher gemacht werden" müssen.

Papst Franziskus hebt seine Deutung des Zweiten Vatikanischen Konzils in seinem Brief an die Bischöfe vom 16. Juli hervor, in dem er zu begründen sucht, warum er gegen die traditionelle lateinische Messe vorgeht, die seit Jahrhunderten in der Kirche gefeiert wird – seit den 1970er Jahren neben der "neuen Messe".

In seinem Vorwort sagt Papst Franziskus, dass für ihn das Lehramt, die Theologie, die pastorale Praxis und die Leitung immer zusammengehören müssen.

"Die Brüderlichkeit wird glaubwürdiger sein, wenn wir auch in der Kirche beginnen, uns als 'alle Brüder' zu fühlen und unsere jeweiligen Ämter als Dienst am Evangelium, am Aufbau des Reiches Gottes und an der Sorge für unser gemeinsames Haus zu leben", schreibt er. 

Für seinen eigenen harten Umgang mit katholischen Brüdern und Schwestern, die der "alten" Messe anhängen, hat Franziskus einerseits vereinzeltes Lob, andererseits von einer Reihe von Kardinälen, renommierten Theologen – und vor allem Betroffenen – Unverständnis geerntet, bis hin zu deutlicher Kritik an seiner "Kriegserklärung", wie ein niederländischer Bischof schrieb, und Vorwürfen der Ausgrenzung und "pastoraler Grausamkeit". Ähnlich wie schon bei den Kontroversen um Amoris Laetitia wird Traditionis Custodes in der Praxis sehr unterschiedlich von Bischöfen und Priestern interpretiert und umgesetzt.

Stichwort Traditionis Custodes

Mit dem Motu proprio, das wörtlich "Hüter der Tradition" heißt, verfügte Papst Franziskus mit sofortiger Wirkung weitreichende und tiefgreifende Änderungen des Schreibens Summorum Pontificum seines Vorgängers Benedikt XVI. aus dem Jahr 2007. Dieses erkannte das Recht aller Priester an, die Messe unter Verwendung des Römischen Messbuchs von 1962 zu feiern.

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Die Traditionelle Lateinische Messe (TLM) ist auch als "tridentinische" bekannt, als Feier im usus antiquior, als Messe in der außerordentlichen oder überlieferten Form sowie als "Alte Messe" (Vetus Ordo), im Gegensatz zur "Neuen Messe" (Novus Ordo).

In einem Begleitbrief an die Bischöfe, in dem er seine Entscheidung darlegt, schreibt Papst Franziskus: "Zur Verteidigung der Einheit des Leibes Christi sehe ich mich gezwungen, die von meinen Vorgängern gewährte Erlaubnis zu widerrufen. Der verzerrte Gebrauch, der von dieser Erlaubnis gemacht worden ist, steht im Widerspruch zu den Absichten, die zur Gewährung der Freiheit geführt haben, die Messe mit dem Missale Romanum von 1962 zu feiern."

Das Motu proprio, das mit sofortiger Wirkung herausgegeben wurde, besagt einerseits, dass ausschließlich der jeweilige Ortsbischof entscheiden kann, die TLM zu autorisieren, die auch als usus antiquior, Messe in der außerordentlichen oder überlieferten Form sowie "tridentinische" oder "alte" Messe bekannt ist.

Andererseits setzt es fest, dass die Bischöfe keine TLM in Pfarrkirchen feiern lassen dürfen, und jeder neu geweihte Priester, der die heilige Messe in dieser Form des römischen Ritus feiern will, muss nach diesen Maßgaben dafür einen Antrag in Rom stellen. 

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